Vorbericht zum Salone del Mobile 2009
Keine sieben Tage mehr, bis die 48. Mailänder Möbelmesse am 22. April offiziell eröffnen wird. Was wird sie bringen, die wichtigste Designmesse der Welt? Werden sich die Auswirkungen der Krise ähnlich bemerkbar machen wie auf der Kölner Möbelmesse im Januar zuvor? Oder wird der Salone del Mobile, bisher das unangreifbare Flaggschiff der Designbranche, dennoch unbeschadet davonziehen? Wir wagen an dieser Stelle einen kleinen Ausblick auf das, was Sie kommende Woche in Mailand erwarten wird. Um auch vor Ort nicht die Orientierung zu verlieren, können Sie zudem unseren Designlines-Mailand-Planer mit den wichtigsten Ausstellungen und Events der Mailänder Möbelmesse downloaden – alles auf einen Blick. Als kleine Zugabe gibt es außerdem ein Designlines-Gewinnspiel. Wie es funktioniert, und was es zu gewinnen gibt, erfahren Sie am Ende dieses Artikels.
Wenn es nach den Zahlen geht, herrscht derweil ein Stück verkehrte Welt: Liefen der Kölner Möbelmesse im Januar noch reihenweise die Aussteller davon, ist auch die diesjährige Mailänder Möbelmesse mit 2.723 Ausstellern aus 30 Ländern – davon 911 aus Italien – restlos ausgebucht. Mehr noch: Nicht ohne Stolz weist Carlo Guglielmi, neu gewählter Präsident des Messeveranstalters Cosmit, darauf hin, dass auch in diesem Jahr eine Warteliste von 491 Unternehmen vorliegt, mit denen weitere 30.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche gefüllt werden könnten. Die 202.350 Quadratmeter, die auf dem Messegelände in Rho derzeit zur Verfügung stehen, werden mit 155.350 Quadratmetern von der Möbelmesse selbst und mit 43.000 Quadratmetern von der parallel stattfindenden Lichtmesse Euroluce bespielt. Auf weiteren 4.000 Quadratmetern präsentieren sich insgesamt 702 Jungdesigner aus 36 Ländern im temporären Zeltbau des alljährlichen Salone Satellite außerhalb der Messehallen. Geben diese Angaben noch keinen Grund zur Sorge, zeigt sich Carlo Guglielmi in Bezug auf die zu erwartenden Besucher vorsichtiger. Seine Hoffnung ist, eine ähnlich hohe Besucherzahl wie 2007 zu erreichen und damit an das Jahr anzuknüpfen, als die letzte Ausgabe der Euroluce stattfand. Gegenüber 2008, als über 348.400 Besucher auf das neue Mailänder Messegelände strömten, würde diese Prognose einen Rückgang auf rund 270.000 Besucher bedeuten.
Zwei Richtungen
Was all diese Zahlen sagen? Zunächst nicht viel, da zahlreiche Firmen ihre Messeplanungen schon Jahre im Voraus angehen und viele bereits vor den ersten Anzeichen der Krise zu gesagt haben. Darüber hinaus kann es sich auch kein Unternehmen leisten, das im Designsegment wahrgenommen werden will, auf der Mailänder Messe oder den zahlreichen Off-Veranstaltungen nicht dabei zu sein. Spannender wird in diesem Jahr jedoch die Frage, mit welchen Produkten die Hersteller ihre Stände nun bespielen werden. Manlio Armellini, Geschäftsführer des Messeveranstalters Cosmit, sieht vor allem zwei entscheidende Aspekte, denen die meisten Neuheiten folgen werden: „Auf der einen Seite einen größeren Pragmatismus und eine robustere Beziehung zwischen Produkt und Preis. Auf der anderen Seite wird es eine starke Tendenz dahin geben, sich in Träume und kostbare Einzelstücke zu flüchten.“
Versteckte Helden
Werden auf dem Messegelände erwartungsgemäß die kommerziellen und unverfänglichen Arbeiten überwiegen, gilt die Aufmerksamkeit erneut dem Rahmenprogramm des „Fuori Salone“: Das Superstudio Più in der Via Tortona, bisher stets die größte Off-Bühne außerhalb der Messe, schlägt dabei auf den ersten Blick eher unerwartete Wege ein. „Weniger Messe und mehr Museum“ lautet das Motto der von Giulio Cappellini und Gisella Borioli als „Temporary Design Museum“ kuratierten Ausstellung. Alles nur eine Frage der Verpackung? Vielleicht, schließlich müssen auch hier die Firmen ihre Stände bezahlen und können somit auch bestimmen, was gezeigt wird. Doch gerade bei der Frage des Wie fordern die Kuratoren mehr Phantasie und Qualität, als bei herkömmlichen Messepräsentationen üblich ist. Dass das Superstudio Più mit dieser Inszenierung ganz bewusst die Nähe zur Kunst sucht, erscheint angesichts des Erfolges limitierter Editionen auf den Designmessen wie der Design Miami Basel nahe liegend. Doch inwieweit dies gelingen wird, muss sich erst noch zeigen. Schließlich steht und fällt auch eine Museumpräsentation mit der Qualität der Arbeiten. Der Schwerpunkt liegt neben den Ständen bekannter Hersteller wie Moooi, Foscarini oder Tom Dixon nicht zuletzt auch auf den Gruppenpräsentationen jüngerer Designer, deren Arbeiten in den Ausstellungen „International Panorama“, „Young talents on show“ und „Hidden Heroes“ zu sehen sein werden.
Grüne Architekten
Versucht das Superstudio Più auf gestalterische Ebene der Qualität statt Masse den Vorrang zu geben, werden an anderer Stelle die Themen Nachhaltigkeit und Ökologie aufgegriffen. So lädt der Mailänder Architekt und Designer Matteo Thun auf eine Baustelle seines Büros in der Via Tortona 37 ein und informiert dort zusammen mit Zumtobel über nachhaltige Konzepte in Planung und Design. Ebenfalls in Kooperation mit Zumtobel stellt Daniel Libeskind im umgestalteten Lichtzentrum seine Auffassung nachhaltiger Architektur anhand zweier neuer Projekte vor. Gleich im Bündel versammelt die italienische Wohnzeitschrift Interni im Ehrenhof der Università degli Studi Gestalter wie Marc Sadler, David Chipperfield, Patricia Urquiola, Piero Lissoni oder die Campana Brüder, die unter dem Titel „Design Energies“ umweltfreundliche und ressourcenschonende Projekte zeigen.
Im Zeichen des Lichts
Wird die Mailänder Möbelmesse in den geraden Jahren von der Küchenmesse Eurocucina begleitet, steht in diesem Jahr die Lichtmesse Euroluce im Mittelpunkt. In sechs Hallen präsentieren insgesamt 477 Hersteller ihre Neuheiten, darunter Branchengrößen wie Flos, Tobias Grau, Regent, Foscarini, Luceplan und Artemide. Als Auftakt gestaltet der walisische Künstler Cerith Wyn Evans, der 2004 im Frankfurter Kunstverein über Kronenleuchter Morsesignale versenden ließ, eine Installation im Garten der Triennale im Zentrum der Stadt. Die Liaison zwischen Kunst und Design zeigt sich auch an anderer Stelle. So präsentiert der in Berlin lebende Künstler Olafur Eliasson den Prototyp seiner Leuchte „Starbrick“ in den Räumen von Sawaya & Moroni in der Via Manzoni. Beauftragte Swarovski für die Inszenierung seines „Crystal Palace“ in den vergangenen Jahren stets ein ganzes Duzend prominenter Designernamen, geben die Österreicher nun allein dem israelisch-französischen Designer Arik Levy den Vorrang, der seine Arbeit „Osmosis“ in einem alten Bahndepot an der Station Porta Genova präsentiert. Der Name Levy wird im Übrigen auch an anderer Stelle immer wieder zu sehen sein, gehört er schließlich zusammen mit Patricia Urquiola zu den meist beschäftigten Designern der diesjährigen Mailänder Möbelmesse.
Produktvorschau
So gestaltete er mit „hoop“ ein schwebend leichtes Sofa für Living Divani, bei dem die Sitzflächen und Kissen von einem filigrane Rahmen aus Stahldrähten getragen werden. Vitra stellt unterdessen mit „Vegetal“ den neuen Stuhl der Brüder Erwan und Ronan Bouroullec vor, der sowohl auf der Messe als auch in den Räumen von Molteni & C in der Innenstadt gezeigt wird. Ungewöhnliche Wege geht diesmal Konstantin Grcic, der mit „43“ einen Stuhl aus 43 Bambus-Streifen präsentieren wird, der von kleinen Handwerksbetrieben in Taiwan produziert wird. Eine Reinterpretation der klassischen italienischen Restaurantbestuhlung stellt Jasper Morrison mit „Trattoria“ für Magis vor, deren Sitzfläche und Rückenlehne anstatt aus Bast aus transparentem Kunststoff gefertigt sind. Dass unkonventionelles Design durchaus auch in kommerziellem Rahmen bestehen kann, zeigt das junge Pariser Designteam „5.5 Designers“ mit ihrer „Voliera“-Kollektion für die italienische Kaufhauskette Coin. Poetisch leicht das „Cloud Sofa“ von Tokujin Yoshioka für Moroso, das mit seiner Oberfläche aus weich gefaltetem Papier zum Versinken einlädt. Deutlich puristischer dagegen die Serie „Hexagon & Collar" aus Sideboards und kleinen Schränken, die vom japanischen Designteam Nendo für Quodes gefertigt wurden, während der Londoner Designer Tom Dixon mit seinem Block Table aus Kupfer auf eine eher archaische Wirkung setzt. Einem bisher vom Design nur wenig beachteten Thema widmet sich die Ausstellung „Love Design“ und zeigt eine Bandbreite von Sexspielzeugen, die von Designern wie Matali Crasset oder Arik Levy gestaltet wurden. Eines der ungewöhnlichsten Objekte ist eine Leuchte von Matteo Cibic, die in ihrem Fuß einen Dildo versteckt.
Den Umständen zum Trotz
Als würde das Geschehen der Finanzmärkte keine Rolle spielen, feiert in diesem Jahr Porzellan eine besondere Rückkehr. Ob klassisch interpretiert wie bei Meissen oder auf ironisch-zeitgemäße Weise wie bei Bernardaud, für das die Campana Brüder sowie Andrea Branzi Entwürfe angefertigt haben. Dass die Verbindung aus Tradition und Gegenwart gleichermaßen spannend sein kann, stellt auch eine Ausstellung im Palazzo Reale in den Mittelpunkt. Unter dem Titel „Magnificence and Project“ werden italienische Möbel aus den vergangenen 500 Jahren mit zeitgenössischem Design Seite an Seite gezeigt. Besucher der Messe erhalten mit ihrem Messeticket übrigens auch freien Eintritt zu der Ausstellung. Das „Limited Design“ feiert unterdessen mit der „Gospel“-Installation von Studio Job einen humorvollen wie nachdenklichen Auftakt, bei der in einer Installation aus Kirchenfenstern biblische Motive mit Raketen, Düsenjägern oder Kernkraftwerken kombiniert werden. Deutlich formeller zeigt sich der „Cloud Chair" von Richard Hutten, der wie eine Gruppe aneinandergefügte Seifenblasen erscheint. Ob der diesjährige Salone del Mobile womöglich noch selbst zu einer wird? Oder gar zu einer Gospel-Show, bei der alle Beteiligten für bessere Zeiten beten? Was auch immer passiert, bei uns erfahren Sie in der kommenden Woche mehr.
Die genauen Adressen und Uhrzeiten können Sie unserem Designlines-Mailand-Planer entnehmen, den Sie hier als PDF herunterladen können.
Links