Vorschau auf den Salone del Mobile 2012
Es ist soweit: Vom 17. bis 22. April öffnet die 51. Mailänder Möbelmesse Ihre Türen, ergänzt von der 19. Ausgabe der Küchenmesse EuroCucina sowie einer Sonderschau zum Thema Bad. Was diesmal anders ist: Die Messe wirkt konzentrierter, thematisch übergreifender und setzt einen besonderen Fokus auf das, was hinter den Produkten steht: den Prozess ihrer Fertigung. Opulente Einzelausstellungen sind unterdessen auch im Rahmenprogramm des Fuori Salone die Ausnahme. Was überwiegt, sind thematisch kuratierte Gruppenshows, die Synergien zwischen den einzelnen Disziplinen erzeugen.
Regnet es oder regnet es nicht? Wie immer, wenn die fünfte Jahreszeit in Mailand bevorsteht und das Designvolk aus allen Teilen der Welt herbeiströmt, ist das Wetter weit mehr als eine Frage passender Kleidung: Wie ein Damokles-Schwert hängt eine Schicht aus dunklen Wolken seit Anfang April über der Stadt und droht, den Salone um das zu berauben, was ihn charmant und relevant macht: die allabendlichen Aperitivo-Runden, bei denen mit Gläsern in der Hand die Distanz von einem Empfang zum nächsten überwunden und im Anschluss auf dem Weg zur Bar Basso noch ein Zwischenstopp für die obligatorische Portion Eis eingelegt wird.
Dichte Wolkendecke
Soweit die Theorie. Denn bislang sehen die Vorhersagen für die kommende Woche eher durchwachsen aus. Zumindest für die montäglichen Previews wird der Griff zum Regenschirm kaum ausbleiben können, während nach Meinung einiger Wetterdienste ab Mittwoch wieder Aussicht auf Besserung besteht. Nehmen wir also die Uneinigkeit der Meteorologen als positives Zeichen und glauben eisern an die optimistische Version, die vielleicht nicht Berge, aber zumindest ein paar träge Wolken in Bewegung versetzen möge.
Grund für dichtes Gedränge bietet in diesem Jahr nicht nur das Rahmenprogramm des Fuori Salone, das mit teils längeren Vernissagenzeiten bis Mitternacht für etwas mehr Puffer im dicht gefüllten Partykalender sorgt, sondern ebenso das Messegelände selbst. Ergänzt wird die weltgrößte Möbelschau von der 19. Ausgabe der Küchenmesse EuroCucina, der Badmesse Salone Internazionale del Bagno, sowie einer erweiterten Ausgabe der Jungdesignerplattform SaloneSatellite. Letztere zieht nach 2007 erneut Bilanz ihres nunmehr 15-jähriges Bestehen und rückt mit einer Ausstellung eine Auswahl jener Produkte in den Mittelpunkt, die einst von jungen Absolventen auf der Schau gezeigt wurden und längst den Weg in die Kataloge renommierter Hersteller gefunden haben.
Ineinandergreifen der Disziplinen
Auf Expansionskurs bewegt sich diesmal die EuroCucina, auf der keineswegs nur großformatige, raumgreifende Küchen bestaunt werden können. Zusammen mit der Technologieschau TFK (Technology for the Kitchen) werden in diesem Jahr erstmals auch Küchenutensilien und Accessoires vorgestellt – somit ist ein umfassender Blick auf die „Hardware“ des Kochens geboten. Die Mailänder Möbelmesse wird auf diese Weise noch ein Stück mehr zum Schmelztiegel der Konzepte anderer Messen, indem sie mit wachsendem Bad-Schwerpunkt nicht nur der Bädermesse Cersaie auf den Zahn fühlt, sondern sich kurzerhand auch die Themen der Haushaltsmessen in Paris und Frankfurt einverleibt.
Das Ergebnis: Es lohnt sich, etwas mehr Zeit als bisher für den Rundgang über die Messe einzuplanen, die bereits 2011 den Showrooms in der Stadt den Rang ablief. Unterstrichen wird diese Entwicklung von der Teilnahme eines langjährigen Abstinenzlers. Hatte B&B Italia seine Neuheiten bislang ausschließlich im Showroom in der Via Durini gezeigt, wird die neue Gartenmöbelkollektion auf der Messe präsentiert. Im Übrigen eine wegweisende Strategie, denn zahlreiche andere Möbelhersteller haben ihre Programme ebenfalls um wettertaugliche Ausführungen bestehender Modelle oder eigens konzipierte Outdoor-Kollektionen ergänzt.
Serie versus Nicht-Serie
Auf dosiertes Risiko setzen auch diesmal zahlreiche Reeditionen, darunter eine Kollektion von Sitzmöbeln Franco Albinis für Tacchini. Als spannend dürfte sich die Wiederauflage von Arbeiten Ferdinand Kramers (1898-1985) bei e15 erweisen. Der einstige Bauhaus-Student und Mitglied im Deutschen Werkbund arbeitete unter Ernst May an der Typologisierung von Wohnbauten für das Neue Frankfurt. Die Besonderheit der Arbeiten liegt in ihrer unprätentiösen Haltung: Schließlich handelte es sich bei den Entwürfen weniger um hochpreisige Einzelstücke als um Möbel für öffentliche Gebäude wie Schulen und Universitäten.
Einen ungewöhnlichen Schritt vollzieht die Mailänder Designgalerie Nilufar, deren Räume in der Via della Spiga bislang ausschließlich dem Verkauf von Einzelstücken oder limitierten Kleinserien vorbehalten waren: Während selbst Vitra als betont industrieller Hersteller eine limitierte Edition des Sofas Polder von Hella Jongerius auf dem Messegelände präsentieren wird, mischt sich die Galerie nun unter die Möbelhersteller. Die Kollektion Unlimited.com soll nicht nur in höheren Stückzahlen produziert, sondern auch über das Internet vertrieben werden. Die Arbeiten, darunter Entwürfe von Martino Gamper, Nendo, Nucleo, Robert Stadler und anderen, loten zwar weiterhin die Schnittstelle zwischen Design und Kunst aus. Doch sie werden ein Stück weit von ihrem elitären Habitus befreit.
Faszination der Fertigung
Einen Blick hinter die Kulissen zeigt diesmal der Kunststoffhersteller Kartell mit einem wie in den Vorjahren von Ferrucio Laviani entwickelten Messestand. Wurde dieser im vergangenen Jahr als leuchtender Luna-Park in bunten Farben inszeniert, stehen unter dem Titel „Work in Project“ nicht nur die neuen Produkte, sondern ebenso ihre Herstellung im Mittelpunkt. Neben Prototypen, Skizzen und Videoeinspielungen aus den Fabriken sollen auch reale Maschinen den Fertigungsprozess vor Ort erlebbar machen und die Komplexität der vermeintlich simplen Kunststoff-Objekte verdeutlichen.
Dem Prozess des Machens verschreibt sich ebenso die Ausstellung „The Future in the Making“ im Palazzo Clerici in einer Seitenstraße hinter der Scala. Neben dem R18 Ultra Chair von Clemens Weisshaar und Reed Kram, der die Leichtbauweise des Audi R18 Rennwagens auf den Möbelbereich überträgt ist auch die Solar Sinter Maschine des deutschen Designers Markus Kayser zu sehen. Der Absolvent des Londoner Royal College of Art erregte mit seiner Abschlussarbeit im vergangenen Jahr viel Aufmerksamkeit, als er mit einer an ein Mondfahrzeug erinnernden Maschine mitten in der Wüste die Sonnenenergie dazu nutzte, um Sand in fertige Produkte zu formen. Die Grenzen der Gestaltung testet in den Räumen des Palazzo Clerici unterdessen das niederländische Designkollektiv droog aus. In der Schau „Material Matters" werden 20 teil reale, teil fiktive Unternehmen vorgestellt, die neben neuen Produkten auch Konzepte für andersweitige Erhebung der Einkommenssteuer im Gepäck haben.
Gruppenshow als Soloauftritt
Eine Fertigung vor den Augen der Besucher verspricht die Ausstellung MOST anlässlich der von Tom Dixon organisierten Schau „Luminosity" im Museo della Scienza e della Technologia. In Zusammenarbeit mit dem Maschinenhersteller Trumpf werden vor Ort Metallplatten zu Stühlen und Leuchten verarbeitet, während eine Vielzahl kleinerer Designlabel das Angebot abrundet. Als erholsam dürfte hier die Installation La Cura wirken, mit der die Londoner Designerin Faye Toogood zusammen mit der Kosmerikmarke Nivea die Sinne gestresster Messe-Besucher in einem „Salon der Ruhe" revitalisieren will.
Noch ein weiteres Off-Zentrum außerhalb der Messe könnte spannend werden: die von der Mailänder Kommune initierte und von Alessandro Mendini kuratierte Ausstellung „Autoproduzione a Milano“. Gezeigt werden in der Fabrica del Vappore unweit des Cimiterio Monumentale die Arbeiten von 202 Designern aus Mailand und der Lombardei, die industrielle Fertigungsmethoden mit handwerklicher Tradition in Einklang bringen. Der Ausstellung ging die Gründung des Verbandes MISIAD voraus, der den Austausch von Ideen und Erfahrungen zwischen Professionellen und Anfängern in der Region künftig besser fördern soll.
Runde Geburtstage
Dass mitunter selbst progressive Hersteller bereits ein reifes Alter erreicht haben, zeigt die Dichte runder Jubiläen auf dieser Messe. So feiert Moroso sein 60-jähriges Bestehen mit der Ausstellung „Metamorphosis" im Showroom in der Via Pontaccio, der Leuchtenhersteller Flos wirft am Donnerstag eine große Geburtstagsparty im Museo Permanente in der Via Turati, während gleich am Montagabend die Party anlässlich des 25-jährigen Bestehens von Edra im eigenen Showroom in der Via Ciovassino stattfindet. Etwas gediegener, aber keineswegs unspannend begeht der Leuchtenhersteller Fontana Arte seinen 80. Geburtstag mit einer Ausstellung in der Casa degli Atellani. Der Palazzo aus dem 16. Jahrhundert wurde in den 1920er Jahren von Piero Portalupi zu einer der best-gehüteten Privatresidenzen der Stadt umgebaut und war bislang nicht öffentlich zugänglich.
Wer am Abend auf hektisches Partyhopping verzichten und den wunden Füßen etwas Schonung gönnen möchte, sollte die Aufführungen von „Design Dance“ nicht verpassen. Im Piccolo Teatro im Untergeschoss der Triennale wird die Geschichte des italienischen Designs nicht als Ausstellung oder Installation erlebbar gemacht, sondern als Tanz auf die Bühne gebracht. Vielleicht lassen sich ja dort die passenden Bewegungen finden, um die dunklen Wolken aus der Stadt zu verjagen.
Adressen im Überblick
> Tom Dixon MOST / Museo della Scienza e della Technologia / Via S. Vittore 21 täglich 10:00 - 21:00 h, Mittwoch und Sonntag nur bis 18:00 h
> Nendo / Palazzo Visconti / Via Cino del Duca, 8 / täglich 11:00-20:00h
> Autoproduzione a Milano / Arbeiten von 202 Designern aus Mailand und der Lombardei / Fabrica del Vappore / Via Procaccini 4 / täglich 10:00 - 20:00 h
> „The Future in the Making“ / Palazzo Clerici / Via Clerici, 5 / 11:00 - 22:00 h
> Temporary Museum for New Design / Superstudio Piu‘ / Via Tortona, 27 / täglich 10:00 - 21:00 h
> Milano Design Village / Arbeiten von Cappellini, Cassina, Poltrona Frau / Fondazione Pomodoro / Via Solari, 35 / 10:00 - 21:00 h
> Fontana Arte / Casa degli Atellani / Corso Magenta, 65 / täglich 16:00 - 21:00h
Unsere Partner auf der Mailänder Möbelmesse
Dornbracht – Messegelände Halle 24 / Stand E11-E11 / täglich 09:30 - 18:30h
Interlübke – Messegelände Halle 7 / Stand B18-C22 / täglich 09:30 - 18:30h
Ligne Roset – Messegelände Halle 5 / Stand C09-D04 / täglich 09:30 - 18:30h
Swarovski Elements – Via Sant‘ Andrea 17 / täglich 10:00 - 18:00h
Vitra – Messegelände Halle 20 / Stand C05-D04 / / täglich 09:30 - 18:30h
Wilkhahn – Blue Milano / Via S. Sofia 27 / täglich 10:00 - 22:00h
Links