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Warm halten und kalt bleiben

von Katja Neumann, 11.11.2010


Sie hält Heißes heiß und Kaltes kalt: die Isolierkanne. Man findet Sie als unentbehrliches Utensil auf Konferenztischen ebenso wie in Aktentaschen und Camping-Rucksäcken und natürlich in jedem guten Haushalt. Es gibt sie in unendlichen vielen Formen und Farben, es gibt Designklassiker sowie ungewöhnliche Neuinterpretationen, und dennoch ist eines seit über hundert Jahren weitgehend unverändert geblieben: das Innenleben und damit das Funktionsprinzip der Isolierkanne.



Ein Gefäß mit zwei Wänden, zwischen denen ein Vakuum herrscht und bei dem die Innenseite verspiegelt ist – diese Erfindung wird dem in Schottland geborenen Chemiker und Physiker Sir James Dewar zugeschrieben. Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte er das Prinzip, die Temperatur von Flüssigkeiten unabhängig von der Umgebungstemperatur zu erhalten. Damit gilt er als Erfinder des sogenannten „Dewar-Gefäßes“, einem Vorläufer der uns heute bekannten Isolierkanne.

Erfindungsgeist und Zufälle

Manchmal scheint die Zeit einfach reif für bestimmte Erfindungen, besonders, wenn an zwei unterschiedlichen Orten in der Welt zwei Menschen die gleiche Idee haben. Offenbar war die Idee des „Dewar-Gefäßes“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutschland noch nicht angekommen. Zumindest nicht bei der Firma Linde, die damals den deutschen Wissenschaftler Reinhold Burger mit der Entwicklung eines Transport-Behälters für Flüssiggas beauftragte. Aufgabe war es, das Gas bei konstant -195 Grad Celsius transportieren zu können. Vom Funktionsprinzip ähnlich wie die Erfindung Dewars, konstruierte Burger schließlich den gewünschten Behälter. Wobei die Idee, dass damit auch trinkabre Flüssigkeiten warm oder kalt gehalten werden können, der Legende nach aus einem Zufall entstand: Um den Gasbehälter zu testen, soll Burger in Ermangelung von Flüssiggas einfach heißes Wasser benutzt haben, um zu überprüfen, ob das Behältnis dicht ist. Und so soll bei ihm die Idee gereift sein, das Prinzip auf Kannen zum Warmhalten von Kaffe oder Tee zu nutzen. Erwiesen ist, dass Burger die Isolierkanne 1903 zum Patent anmeldete. Der wirtschaftliche Erfolg blieb jedoch aus, und so verkaufte der Wissenschaftler das Patent sechs Jahre später an gleich zwei Firmen: ein amerikanisches Unternehmen und an die damals in Berlin ansässige Firma Thermos. Dennoch benötigte es mehr als zehn Jahre, bis die sogenannte „Thermoskanne“ – ein bis heute gebräuchlicher Begriff, der genau genommen jedoch ein Markenname ist – in Serienproduktion gehen konnte.

Funktioniert seit über hundert Jahren: das Prinzip der Isolierkanne

Das Funktionsprinzip wurde in den rund 90 Jahren, die seit der ersten Serienproduktion vergangen sind, erstaunlicherweise kaum verändert. Dass Heißes heiß bleibt und Kaltes kalt, ist dem Vakuum zu verdanken, das zwischen dem äußeren Gefäß, das in erster Linie als „Schutzhülle“ dient, und dem zweiten, inneren Gefäß hergestellt wird. Dieses innere Gefäß ist meist aus Glas, da Glas eine gute Isolierwirkung hat, oder heute auch vielfach aus Edelstahl. Dieses Material hat den Vorteil, dass die Isolierkanne robuster ist und das Innengefäß nicht beim ersten Sturz zu Boden zerspringt , allerdings isoliert Edelstahl in der Tat nicht so gut wie Glas. Das Vakuum zwischen diesen beiden Schichten bewirkt schließlich die verlangsamte Wärmeabstrahlung – denn im luftleeren also materiefreien Raum des Vakuums gibt es nichts, das die Wärme nach außen ableiten könnte. Verstärkt wird das Prinzip seit je her durch die verspiegelte Innenbeschichtung, die die Wärmestrahlung des Inhalts reflektiert und damit zurückführt.

Die Designklassiker

Da bei der Isolierkanne die eigentliche Funktion dem inneren Gefäß zukommt, sind der Gestaltung der äußeren Schutzhülle folglich kaum Grenzen gesetzt. Einen der ersten Designklassiker in dieser Produktkategorie brachte das dänische Unternehmen Stelton im Jahr 1977 auf den Markt: Die hohe, zylinderförmige und reduzierte Isolierkanne von Erik Magnussen war mit dem für Stelton bis heute typischen Kippverschluss ausgestattet, was damals als echte Innovation galt. Die Stelton-Isolierkanne wurde eine Ikone, die noch heute auf fast jedem Konferenztisch zu finden ist. Und zwar direkt neben seinen Klassiker-Kollegen von Alfi. Das 1914 als „Aluminiumfabrik Fischbach“ gegründete Unternehmen produziert heute gleich mehrere Isolierkannen-Klassiker. Ähnlich wie Stelton arbeitet auch Alfi regelmäßig mit namhaften Designern zusammen, um funktionale Qualität in ein ansprechendes Gewand zu kleiden. In den siebziger und achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts herrschten, mit Ausnahme der Stelton-Kanne, im Design von Isolierkannen eindeutig die traditionellen Kannen-Formen vor, wie beispielsweise die sich ungebrochener Beliebtheit erfreuende Jubilee von Alfi, gestaltet von Ole Palsby. Kein Wunder also, dass ein Alfi-Produkt 1989 Aufsehen erregte: Tassilo von Grolmann brach die bisher übliche Kannenform auf und gestaltete mit Achat eine Isolierkanne in Kegelform. Mit ihrer glänzend silbernen und gerillten Oberfläche findet man dieses Behältnis eher auf den Tischen von Kreativbüros oder Individualisten.

Eine Kanne für jede Gelegenheit

Für Menschen, die einen besonderen Witz und dynamische Formen bevorzugen, eignet sich hingegen ein anderes, vergleichsweise junges und doch bereits zum Klassiker avanciertes Modell: Quack von Georg Jensen, gestaltet von der dänischen Designerin Maria Berntsen. Wie der Name vermuten lässt, erinnert die nach vorn gebeugte Kanne mit dem langen Stiel an eine Ente. Dennoch dürften wahre Tierliebhaber, nämlich die, die Enten lieber in der freien Natur bewundern möchten, einen robusteren und flexibleren Begleiter für ihre warmen Getränke bevorzugen. Ein noch junges Beispiel für die gelungene Gestaltung einer kleinen Isolierkanne mit dazugehörigen Trinkbechern stammt von dem schweizerische Designer Jörg Boner: Thermos ist inspiriert von Gläsern und Porzellankrügen aus dem Trödelladen und wird von dem Hersteller Nestlé in einer limitierten Auflage von nur 1000 Stück produziert.
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Links

Stelton

www.stelton.dk

Erik Magnussen

www.magnussen-design.com

Tassilo von Grolmann

www.tassilo-von-grolman.de

Georg Jensen

www.georgjensen.com

Maria Berntsen

www.mariaberntsen.com

Jörg Boner

www.joergboner.ch

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