Weit mehr als nur ein Anstrich
Für die einen ist es Mode, für die anderen längst Programm: Während derzeit kaum ein Möbelhersteller umher kommt, sich in einem möglichst grünen Gewand zu präsentieren, ist die Zahl der Unternehmen, die tatsächlich nach nachhaltigen Kriterien wirtschaften, noch immer gering. Dass es auch anders geht, zeigt der oberfränkische Polstermöbelhersteller Brühl bereits seit über zwanzig Jahren. Als erster deutscher Sitzmöbelhersteller wurde ihm im Jahr 2009 der Blaue Engel für sein ökologisches Engagement verliehen. Wir werfen einen Blick hinter die Kulissen des Unternehmens, wo grün längst mehr als nur der Farbton eines Sofas ist.
Möbel und Essen haben zwei Dinge gemeinsam: Es kommt nicht nur auf die richtigen Zutaten an, sondern auch auf eine gewisse Portion Vertrauen. Dient bei kulinarischen Genüssen der eigene Gaumen als sicherer Indikator, sieht die Lage bei Einrichtungsgegenständen weitaus komplexer aus. Zwar lassen sich gestalterische, ergonomische oder verarbeitungstechnische Qualitäten durchaus bestimmen. Doch ein Geschmackstest, wie viel „Grün“ sich hinter einem vermeintlich grünen Möbel tatsächlich verbirgt, gibt es nicht. Und das hat seinen Grund.
Ökonomischer Wandel
Auch wenn das Thema Nachhaltigkeit auf den Möbelmessen der letzten drei, vier Jahre omnipräsent war, sind ökologische Strategien in der Branche noch immer eine Ausnahme. „Steigende Rohstoff- und Energiekosten sowie das hierzulande vergleichsweise hohe Lohnniveau haben den Herstellern häufig den Handlungsspielraum genommen, um [...] umweltfreundliche Strategien zu entwickeln“, konstatieren die Wirtschaftsforscher Christian Geßner und Axel Kölle von der Universität Witten/ Herdecke. Allein in Deutschland, so ihre Analyse, sei die Anzahl der Beschäftigten in der Möbelbranche in den vergangenen zwölf Jahren von rund 160.000 auf weniger als 100.000 gesunken. Viele Hersteller mussten dem Preisdruck durch Wettbewerber aus Osteuropa, Fernost und – auch wenn es nicht explizit so ausgesprochen wird – der Möbelkette mit den vier gelben Buchstaben nachgeben.
Wer es mit der Billigkonkurrenz aufnehmen will, muss diese an anderer Stelle als dem Preis schlagen: „Die Endverbraucher formulieren im Zuge der notwendigen Preiserhöhungen immer stärker ihre Ansprüche in Richtung Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit des Produktes“, erklären Christian Geßner und Axel Kölle weiter. Waren viele Kunden bislang noch nicht bereit, für einen ökologischen oder sozialen Zusatznutzen eines Möbels mehr Geld auszugeben, hat sich das Blatt nun gewendet.
Staatliche Anerkennung
Dass der Fokus auf Nachhaltigkeit zugleich Chancen auf wirtschaftliches Wachstum bietet, zeigt der Polstermöbelhersteller Brühl. Das mittelständische Unternehmen, das seine Sofas und Sessel im oberfränkischen Bad Steben produziert, setzt bereits seit über 20 Jahren auf nachhaltige Produktionsmethoden, ohne mit dem erhobenen Zeigefinger oder dem Anstrich eines biederen Ökoanbieters daherzukommen. „Unser Ziel ist es, nachhaltige Produkte zu entwickeln, die den einzelnen Kunden in seiner Individualität spontan begeistern. Jedes Möbel muss Sinn machen“, betont Geschäftsführer Roland Meyer-Brühl und auch, dass Nachhaltigkeit Spaß machen darf.
Der gesamte Herstellungszyklus, angefangen beim Einsatz beständiger, schadstoffarmer Materialien bis hin zur Wiederverwertung von Restmaterialien, wurde nach ökologischen Kriterien ausgerichtet. Diese kluge Entscheidung wurde mehrfach ausgezeichnet: Wurde das Unternehmen bereits im Jahr 2002 mit der Bayerischen Umweltmedaille für besondere Verdienste um Umweltschutz und Landesentwicklung gewürdigt, erhielt Brühl als erster deutscher Möbelhersteller den Blauen Engel als Anerkennung für sein ökologisches Engagement.
Einsatz natürlicher Materialien
Dieses zeigt sich vor allem in der Auswahl der verwendeten Materialien. So wird Holz ausschließlich aus zertifizierter, FSC-geprüfter Forstwirtschaft gewonnen und weitestgehend aus regionalem Anbau bezogen. Die geografische Lage von Bad Steben erweist sich hierbei als Vorteil, denn das einstige Königlich Bayerische Staatsbad inmitten des Frankenwalds liegt in einer der waldreichsten Gegenden Deutschlands. Gilt die Textilindustrie traditionell als einer der größten Verursacher von Umweltschäden, werden von Brühl Stoffe der Zertifizierung EU Flower angeboten. Das europäische Umweltlabel sieht unter anderem den Verzicht auf schwermetallhaltige Färbungsmittel und Pigmente vor sowie einen Maximalwerk für den Einsatz von Formaldehyden. Auch wird eine Reinigung des Abwassers vorausgesetzt, während Waschmittel und Wasserenthärter mit mangelder Umweltverträglichkeit verbannt werden.
Auch im Umgang mit Leder – sonst das archaischste aller Bezugsmaterialien – wurden neue Wege ausprobiert. Die Gerber, die sämtliche Leder für die Produktion von Brühl zuliefern, wurden verpflichtet, ausschließlich salzfreie und somit wasserschonende Konservierungsverfahren anzuwenden. Zum Einsatz kommen für den Gerbungsprozess – der dazu dient, das Leder haltbar zu machen und dessen Elastizität und Geschmeidigkeit zu erhöhen – vor allem lokal gewonnene Häute aus Süddeutschland. Auch wenn grundsätzlich auf einen sparsamen Materialverbrauch geachtet wird, werden trotzdem anfallende Lederreste nicht in den Abfall befördert, sondern für die Herstellung von Schuhen, Handschuhen oder Geldbeuteln weiterverwendet.
Wechseln statt Aussortieren
Eine entscheidende Rolle fällt hierbei der Verarbeitung zu. Indem Lederbezüge mit robusten Sattlernähten gefertigt werden, wird die Lebensdauer und Wertbeständigkeit der Möbel gesteigert. Dass Sofas mit textilen Oberflächen dem nicht nachstehen müssen, zeigt die umfangreiche Auswahl an Wechselbezügen, die für sämtliche Sofas von Brühl zur Auswahl steht. Auf diese Weise lassen sich nicht nur Schmutz und Verschleißerscheinungen problemlos wieder ausbessern. Auch sind die Möbel in der Lage, mit ihren Besitzern zu „wachsen“ und sich an veränderte persönliche Geschmäcker oder neue häusliche Umgebungen anzupassen. Anstatt ein Sofa vorschnell zu entsorgen, wird ihm ein neues stoffliches Leben eingehaucht – selbst dann, wenn das Sofa gar nicht mehr produziert wird. Brühl garantiert auch für Modelle, die bereits vor über 20 Jahren gefertigt wurden und heute nicht mehr im aktuellen Katalog zu finden sind, die Lieferung passender Wechselbezüge.
Nachhaltigkeit gilt jedoch nicht nur den Produkten, sondern ebenso den Mitarbeitern. So konnten die Schadstoffwerte, denen die Angestellten in den Spritzkabinen der Klebe-Anlagen ausgesetzt sind, auf einen Wert von weniger als einem Prozent des gesetzlich festgelegten Grenzwerts reduziert werden und liegen damit unterhalb der Nachweisgrenze. Ebenso wurden die Arbeitsplätze, die vollständig von Tageslicht durchflutet sind, nach ergonomischen Kriterien gestaltet. Indem der gesamte Fuhrpark 2002 auf Fahrzeuge umgestellt wurde, die die Abgasnorm Euro 5 erfüllen, konnte zudem eine sofortige Reduktion der CO2-Emissionen um über 25 Prozent bewirkt werden. Fakten, die vielleicht nicht die Welt retten. Doch die zeigen, wie verantwortliches Wirtschaften heute aussehen kann.
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