Wilhelm Wagenfeld - "Formen heißt Gestalt finden"
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Max und Moritz? Manch einer denkt dabei an Wilhelm Busch, andere wiederum an Design. Die Salz- und Pfefferstreuer von WMF sind Legende. Genau wie ihr Schöpfer: Wilhelm Wagenfeld (1900 – 1990). Es gibt wohl kaum jemanden, der seine Bauhaus-Tischleuchte „MT 9“, seine Vasen, die Vorratsbehälter „Kubus“ oder das Tee-Service, den Eierkocher und die Butterdose nicht kennt oder gar tagtäglich bei der Essenszubereitung in Gebrauch hat.
In den 1920er Jahren war Wilhelm Wagenfeld, genau wie Marianne Brandt, in der Metallwerkstatt des Bauhauses tätig und Mitglied des Deutschen Werkbundes - daraus erklärt sich dann auch seine gestalterische Gesinnung. Seit 1931 arbeitete Wagenfeld für die Großindustrie. Zu seinen Kunden zählten unter anderem die Vereinigten Lausitzer Glaswerke AG (VLG), das Jenaer Glaswerk Schott & Gen., die Württembergische Metallwarenfabrik (WMF) sowie der Porzellanhersteller Rosenthal. Und die Lufthansa, für die er 1955 das erste Bordgeschirr aus Kunststoff (Melamin) entwarf.
Glas „als Zauber des gefrorenen Lichts“
Betrachtet man die von Wagenfeld gestalteten Glasobjekte, dann versteht man, was er meinte. Denn wie „gefrorenes Licht“ wirken sie tatsächlich: licht, leicht und schwerelos. Es waren die 1920er Jahre, als die Frage nach der Mitarbeit von künstlerischen Gestaltern in der Industrieproduktion aufkam – ausgelöst durch Diskussionen des Bauhauses und des Deutschen Werkbundes. Als Wagenfeld 1931 Erich Schott, den wissenschaftlichen Leiter des Jenaer Glaswerkes, kennenlernte, vereinbarte man eine Zusammenarbeit. Diese sollte sich bald als sehr fruchtbar erweisen. Zahlreiche Bauhäusler, darunter Walter Gropius und Georg Muche, hatten bereits mit dem Unternehmen Schott zusammengearbeitet. Nun machte sich Wagenfeld daran, die seit 1923 in der Form unveränderten Haushaltsgläser des Unternehmens neu zu interpretieren. Berühmt ist sein Entwurf einer Teekanne, die Temperaturwechsel verträgt. In ihrer transparenten Leichtigkeit sieht man ihr nicht mehr an, welche technischen Schwierigkeiten sich mit der Herstellung dieser Form verbanden. Die Einheit von Kunst und Technik – das war Wagenfelds Ziel und hier gelang es ihm bis zur Perfektion. In den folgenden Jahren entwarf er für Schott Back- und Deckelschüsseln, Milchtöpfe, Kakaokrüge, Saucieren und Tassenfilter aus hitzebeständigem (Press-) Glas. Dabei wagte das Unternehmen auch neue Wege in der Werbung: Man engagierte den Bauhaus-Meister und ehemaligen Lehrer Wagenfelds Lásló Moholy-Nagy als Berater für Fotografie und Typografie. So entstand eine gänzlich neue Art der Unternehmensreklame.
Von der „guten Form“
Wagenfeld interessierte sich schon früh für die Verbindung von Industriedesign und ökologischen Aspekten. Dabei ging es beispielsweise um die ökonomische Verwendung der Materialien oder die Vereinfachung der Produktion. Er forderte, dass die Langlebigkeit von Produkten sowohl in den Design- als auch in den Herstellungsprozess zu berücksichtigen seien. Demnach war sein Gestaltungsansatz allumfassend: Er sah sich als „künstlerischer Mitarbeiter in der Industrie“. Dies umfasste sowohl die gestalterische Idee, als auch die Entwicklung verschiedener Modellvarianten, die Fertigung und den Vertrieb des Produktes.
Der an der Bremer Kunstgewerbeschule ausgebildete und gelernte Industriezeichner und Silberschmied Wagenfeld ist besonders für seine Entwürfe für den Haushaltswarenhersteller WMF berühmt, für den er von 1949 bis 1977 tätig war. Zwar hatte sich WMF den V2A-Stahl unter dem Markennamen Cromargan bereits in den 1920er Jahren patentieren lassen, richtig bekannt wurde das Material aber erst in den 1950er Jahren durch die Entwürfe Wagenfelds. In einem frühen Arbeitsvertrag zwischen WMF und dem Designer ist interessanterweise schriftlich festgehalten, dass „Zweck des Vertrages […] die künstlerische Förderung der WMF-Erzeugnisse durch Wagenfeld auf ihren sämtlichen Arbeitsgebieten“ sei: Wagenfeld fungierte fortan als künstlerischer Leiter der WMF. Für den Glassektor der WMF entwarf er Trinkgläser und Vasen. In den 1950er und 1960er Jahren verdiente das Unternehmen sein Geld jedoch vor allem mit Bestecken und Cromargan-Produkten – Gebrauchsprodukte, nach denen, bedingt durch die Kriegsjahre, großer Nachholbedarf bestand. Wagenfeld entwarf beispielsweise die bis heute produzierten Servierplatten, eine Butterdose, die bereits erwähnten Salz- und Pfefferstreuer „Max und Moritz“ und das Besteck „Form“ 3600, alle gefertigt aus Cromargan. 1954 gründete Wagenfeld seine eigene Werkstatt in Stuttgart, denn WMF stellte sich für den Gestalter nicht immer als verlässlicher Partner dar. So stritt man sich über Lizenzen, Aufgabenbereiche und Veränderungen des Designs. Einen letzten Entwurf für WMF gestaltete Wagenfeld 1977: eine Universalzange, die in Serie ging.
Galionsfigur moderner Formgebung
Wagenfelds Design zeichnet sich durch die Kombination von schlichter zeitloser Formgebung und praktischen Nutzen aus. Dabei steht er in der Tradition von Bauhaus und Werkbund. Der Designer schuf zahlreiche Dinge des alltäglichen Bedarfs, die die Produktkultur der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mitbestimmt und beherrscht haben. Sie erfreuen sich auch heute noch großer Beliebtheit und haben zahlreiche Nachahmer gefunden. „Formen heißt Gestalt finden“ – diesen Ausspruch des Gestalters könnte man als sein künstlerisches Credo bezeichnen. Dabei stand das Bessere und Langlebige anstelle des Modischen und Zeitverhafteten im Vordergrund seiner Gestaltung. Dass die Produkte noch dazu schön waren – für Wagenfeld eine Selbstverständlichkeit.
Links
Wilhelm-Wagenfeld-Stiftung
www.wilhelm-wagenfeld-stiftung.deBauhaus-Archiv Museum für Gestaltung
www.bauhaus.deBauhaus Dessau
www.bauhaus-dessau.deMehr Stories
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