Auch wenn sich die Welt nur schwer auf eine Formel bringen lässt: Im Wohnen sind die Dinge mitunter verblüffend einfach. Genau vor 50 Jahren wurde vom Schweizer Architekten Fritz Haller das erste universale Möbelsystem entworfen, mit dem sich Wohnraum, Kinderzimmer, Flure und Arbeitsplatz gleichermaßen bespielen lassen.
Möbel sind meistens dickköpfig. Haben sie sich einmal eingelebt, sind sie nur noch mit äußerster Mühe für neue Positionen im Haus zu begeistern. Doch nicht alle Möbel sind von derart phlegmatischer Natur. Einige von ihnen entpuppen sich sogar als wahre Virtuosen der Verwandlung. Vorreiter in punkto Flexibilität ist noch immer ein Klassiker, der exakt vor 50 Jahren das Licht der Welt erblickte: das Möbelbausystem Haller vom Schweizer Hersteller USM.
Universaler Baukasten
Das Prinzip ist so einfach wie visionär: Ein Baukasten aus horizontalen und vertikalen Streben kann in Höhe und Breite unendlich erweitert werden. Passende Fronten, Türen und Böden lassen sich beliebig miteinander kombinieren, sodass ein Regal mit wenigen Handgriffen zur Kommode, zum Sideboard, zum Nachttisch oder zum Arbeitsplatz umgerüstet werden kann. Dass die Möbel wachsen, schrumpfen und sich verändern können, verdanken sie einer smarten Kugel. In sechs Richtungen wird das stählerne Herzstück des Systems von Gewinden durchdrungen, in das die Streben des tragenden Gerüsts hineingeschraubt werden.
Trotz seiner Logik entstand das Möbelsystem weniger aus Kalkül. Es ist das Ergebnis eines sinnvollen Transfers. Anfang der sechziger Jahre hatte das Unternehmen Ulrich Schärer & Söhne im schweizerischen Münsingen den Bau einer neuen Fabrik beschlossen. Die Planung wurde dem Architekten Fritz Haller aus Solothurn angetragen, der keine gewöhnliche Fabrikarchitektur im Sinne hatte, sondern gleich die zukünftige Entwicklung des Familienbetriebs ins Auge fasste. Anstelle eines fertigen, in sich geschlossenen Gebäudes entwarf er einen architektonischen Bausatz aus vorfabrizierten, stählernen Komponenten. Die weitsichtige Idee: Sollte das Unternehmen fortan mehr Platz benötigen, konnte das neue Firmengebäude flexibel erweitert werden und wirkte dennoch wie aus einem Guss.
Wandel der Maßstäbe
Dass die Idee von Fritz Haller den Sprung ins Design schaffte, verdankt sie einer engen Zusammenarbeit mit dem Ingenieur Paul Schärer. Als noch vor der Fertigstellung des neuen Fabrikgebäudes eine Möblierung der Büroräume gesucht wurde, geschah der entscheidende Schritt: Mit der Entwicklung des USM Möbelbausystem Haller im Jahr 1963 wurde der Systemgedanke von Hallers Architektur auf die Welt der Möbel übertragen – wenngleich zunächst nur für den Eigenbedarf. Für das Familienunternehmen, das 1885 als Eisenwarenhandel und Schlosserei gegründet wurde und sich in den zwanziger Jahren auf die Produktion von Fensterbeschlägen spezialisiert hatte, markierte die Markteinführung des Systems im Jahr 1966 einen Neustart.
Der erste Großauftrag erfolgte 1969 von der Bank Rothschild aus Paris, gefolgt von der Bayerischen Rückversicherung in München sowie Bahlsen Biscuit in Hannover. Ab den siebziger Jahren wächst das Unternehmen rasant und eröffnet neben weiteren Produktionsgebäuden am Standort Müsingen 1982 eine weiteres Firmengebäude im baden-württembergischen Bühl. Bis heute wird das USM Möbelbausystem Haller in praktisch unveränderter Form produziert und in über 37 Länder exportiert.
Wandel mit den Lebensabschnitten
Der Grund für den Erfolg liegt in der Wandelbarkeit des Systems. „Einrichtungen sind kein Zustand, sondern ein Prozess. Daher muss sich die Form eines Möbels nach seiner Funktion richten – und nicht umgekehrt“, befand Fritz Haller. Anstelle eine klar definierte Form einzunehmen, ist das Möbelsystem auf alle Eventualitäten vorbereitet und kann im Wohnraum, Kinderzimmer, Flur, Bad und Büro zum Einsatz kommen. Dass große wie kleine Dinge in den Ablagen Platz finden, ist den räumlichen Dimensionen geschuldet. Während die Tiefe des Systems zwischen 250, 350 und 500 Millimetern variiert, lässt sich das Raster in der Höhe und Breite in elf verschiedene Stufen zwischen 100 und 750 Millimetern unterteilen.
Eine Palette von derzeit zwölf verschiedenen Farben, in denen die Böden, Fronten und Seitenpaneele zur Auswahl stehen, macht das Möbelsystem nicht nur von planerischer Seite vielseitig einsetzbar. Es vermag ebenso optisch deutliche Akzente zu setzen. Der Clou des Systems liegt in seiner eigebetteten Langlebigkeit, mit der es problemlos von einer Generationen zur nächsten wandert. Ganz gleich, wohin es die Kinder und Enkel eines Tages verschlägt. Das von ihren Eltern oder Großeltern erworbene System steht großen wie kleinen Wohnungen gleichermaßen – ob sich diese in Berlin, Paris oder Kapstadt befinden. Indem Fritz Haller die Kriterien für Nachhaltigkeit schon vor 50 Jahren erfüllt hat, legte er den Grundsteinen für einen Klassiker mit Langzeitwirkung.
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USM
Das USM Möbelbausystem Haller wurde zwischen 1962 und 1965 entwickelt. Der bekannte Klassiker wird in der Bürowelt, in öffentlichen Bauten wie auch im privaten Bereich eingesetzt. Die Ende 2001 erfolgte Aufnahme in die Design-Sammlung des Museums of Modern Art MoMA in New York (USA) ist eine hohe Auszeichnung und bestätigt den Kunst-Charakter des Produkts.
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