Wohnratgeber 2: Garten und Terrasse
Wie richtet man eine Wohnung ein? Diese Frage ist so alt wie das Wohnen selbst, und dennoch fällt die Antwort keineswegs leicht. In dieser Serie wollen wir mit den Irrtümern des Einrichtens aufräumen und einen nicht immer eisern zu befolgenden Leitfaden geben, wie die eigenen vier Wände ein wenig schöner, praktischer und vor allem wohnlicher gestaltet werden können.
Teil 2 des Designlines-Wohnungsratgebers führt diesmal hinaus in den Garten und auf die Terrasse. Vorbei sind die Zeiten, als der Weg ins Freie noch von billigen Kunststoffstühlen aus dem Baumarkt begleitet wurde. Der Garten wird längst als eine vollwertige Erweiterung des Wohnraums verstanden, den es auf angemessene Weise zu möblieren gilt. Was daran neu ist: Es sind weniger die traditionellen Gartenmöbel-Anbieter, die mit neuen Lösungen aufwarten, als vielmehr die designafinen Möbelhersteller, die mit eigenen Outdoor-Kollektionen ein Stück vom stetig wachsenden Kuchen abbekommen möchten.
Potenzial entwickelt der Garten somit auch aus gestalterischer Perspektive und gerät zur neuen Spielwiese für Formen, Materialien und Produkttypologien. Der Grund: Im Freien vermögen die Möbel aus dem Korsett der häuslichen Parameter auszubrechen. Ihre Proportionen werden voluminöser, ihre Farben greller und Materialen technoider als sie es im Wohnraum je sein könnten. Kurzum: Nirgends ist das Wohnen zurzeit so spannend wie an der Schnittstelle von Haus und Natur, wo zunehmend schwere Geschütze aufgefahren werden. Denn das Aufrüsten am Gartenzaun ist bereits im vollen Gange.
01 Das Sofa
Welchen Wandel die Gestaltung der Gartenausstattung vollzogen hat, führt kaum ein Möbel klarer vor Augen als das Sofa. Kamen bislang vor allem schlichte Stühle und Bänke zum Einsatz, deren Dimensionen zumeist so bemessen waren, dass sie sich in der Garage verstauen ließen, ist ein vollwertiges Sofa längst Pflicht. So kombiniert das Programm Tropez (2012), das Stefan Diez für den spanischen Outdoorhersteller Gandía Blasco entwarf, eine puristische Rahmenstruktur aus Aluminium mit einer abnehmbaren Bespannung aus voluminösen Polstern.
Bereits 2008 hatte die spanische Designerin Patricia Urquiola mit ihrem Sitzprogramm Canasta für B&B Italia die Dimensionen von Gartenmöbeln neu justiert. Die stattlichen Sofas mit rundem Durchmesser gleichen wahren Inseln, die mit unzähligen Kissen versehen der Sitzlandschaft der sechziger Jahre einen Neustart in die Gegenwart verordnen. Eine weitere Besonderheit stellt der Einsatz von grobmaschigem Flechtwerk dar, das man von Wiener Kaffeehaus-Stühlen kennt und dem Möbel einen leichten, offenen Charakter verleiht.
02 Das Daybed
Auch für den deutschen Outdoor-Spezialisten Dedon markiert das Geflecht aus Kunststofffasern die Grundlage des Geschäftserfolgs. Waren die ersten Möbel des Herstellers noch stark von klassischen Wohnzimmersofas beeinflusst, wurde mit dem Nestrest (2011) der französischen Designer Daniel Pouzet und Fred Frety ein schwebendes „Nest" im Garten platziert. Dieses kann an einem Seil von einem Baum herabhängen oder direkt auf den Boden gestellt werden. Mit einem Durchmesser von zwei Metern ist es großzügig genug bemessen, um vor Sonne und Wind geschützt ein Nickerchen im Freien zu halten.
Eine Mixtur aus Zelt und Architektur stellte Patricia Urquiola auf der Mailänder Möbelmesse 2012 für den spanischen Outdoor-Hersteller Kettal vor. Ihr Daybed Cottage wird von einem Satteldach aus locker gesetzten, hölzernen Planken umschlossen, die das Sonnenlicht passieren lassen und dennoch einen schützenden Raum erzeugen. Weitaus großzügiger zeigt sich das Daybed City Camp (2011), das die österreichische Designerin Annette Hinterwirth für Dedon entwarf und tatsächlich als mobiles Wohnzimmer im Freien durchgeht. Basierend auf einem quadratischen Grundriss von 220 mal 220 Zentimetern, verfügt das Bett über einen zwei Meter hohen Baldachin, der mit Vorhängen geschlossen werden kann.
03 Der Sessel
Doch nicht nur Sofas und Betten geraten im Freien zunehmend aus den Fugen. Auch die Sessel erzielen mitunter erstaunliche Abmaße, ohne jedoch klobig oder plump daherzukommen. So verfügt der Sessel Grillage (2011), den François Azambourg für Ligne Roset entwarf, über eine tragende Struktur aus einem gefalteten, metallenen Gitternetz. Dieses federt einerseits weich und lässt andererseits das Regenwasser durch das Möbel abfließen, das so den gesamten Jahresverlauf im Freien verweilen kann.
Dass eine Spur Hightech im Garten nicht fehlen darf, hat Konstantin Grcic mit seinem Sessel Waver (2011) für Vitra unter Beweis gestellt. Die Sitzfläche wird in einen metallenen Bügel eingehangen und vermag auf diese Weise leicht zu schwingen. Ein Drehgelenk an der Basis sorgt dafür, dass das Möbel um die eigene Achse rotieren kann und somit den Sitzkomfort vom Arbeitsplatz in den Garten transferiert. Sportlich geht es mit dem Sessel des niederländischen Designers Bertjan Pot für Richard Lampert Tie-Break (2012) weiter, der seinem Namen tatsächlich alle Ehre macht. Der Grund: Sitzfläche und Rückenlehne sind aus originalem Tennisnetz gefertigt, das in einen umlaufenden Rahmen aus Auto-Sicherheitsgurten eingespannt wurde.
04 Der Stuhl
Anders als die schweren, großformatigen Sessel, bei denen lediglich die Polster bei Regen oder kalter Jahreszeit ins Innere geholt werden, werden Stühle nach wie vor als Ganzes bewegt. Der Stuhl Audrey (2011) von Piero Lissoni für Kartell verfügt über ein besonders leichtes Gestell aus Aluminium-Druckguss, das in einem Stück hergestellt wurde und somit besonders widerstandsfähig ist. Für Sitzkomfort sorgen die aus Kunststoff gefertigte Sitzfläche und Rückenlehne, die über eine feine, wasserdurchlässige Struktur verfügen und in unterschiedlichen Farben zur Auswahl stehen.
Spielend leicht zeigt sich der Klappstuhl Piana (2011), den David Chipperfield für Alessi entwarf. Das Möbel ist vollständig aus fiberglasverstärktem Polypropylen gearbeitet und kann somit in einem Stück recycelt werden. Den Klappmechanismus reduzierte Chipperfield auf eine einzige Achse, sodass der Stuhl im zusammengeklappten Zustand lediglich sieben Zentimeter breit ist und selbst in chaotisch vollgestopften Garagen immer einen Platz zum Unterkommen findet.
05 Die Sonnenliege
Der Klassiker unter den Sonnenliegen datiert auf das Jahr 1966 und wurde vom amerikanischen Designer Richard Schultz unter der Regie von Florence Knoll entworfen. Als Teil der Kollektion Leisure, die ebenso Stühle, Tische und eine Chaiselongue umfasst, kombiniert das Möbel einen schlanken Rahmen aus Aluminium mit einer transluzenten Bespannung aus Hightechtextil. Zwei schlanke Räder, die durch eine filigrane Achse verbunden sind, sorgen für die nötige Mobilität, während das Kopfende stufenweise nach oben geklappt werden kann. 2012 wurde die gesamte Richard-Schultz-Kollektion von Knoll International wieder in Produktion genommen.
Eine Mischung aus Liege, Schaukelstuhl und Sessel zauberte die Textildesignerin Lorenza Bozzoli mit Fredro (2012) für Dedon aus dem Hut. Das Möbel erinnert an eine zur Sinuskurve gekrümmten Matte, die weder Füße, Rollen oder sonst einen tragenden Unterbau benötigt. Dafür ist es leicht, stapelbar, wasserfest und steht in drei verschiedenen Mustern zur Auswahl, die jeweils auf den Farbpaletten von Flamingos, Kolibris und Quetzals basieren. Ein weiches Kissen am Kopfende ist zudem mit einem rückseitigen Griff verbunden, mit dem das Möbel mit nur einer Hand transportiert werden kann.
06 Die Bank
Mit organischem Schwung betritt Naoto Fukasawas Sitzbank Titikaka (2009) für B&B Italia den Rasen. Die Planken aus Teakholz, die auf einen Rahmen aus Aluminium montiert wurden, bilden keineswegs nur die Sitzfläche und die Rückenlehne. Wie ein umlaufendes Band bedecken sie ausgehend vom Boden an der Vorderseite bis zum Boden an der Rückseite das gesamte Möbel und vollziehen dabei eine leicht konvexe Krümmung. Die Bank erhält auf diese Weise eine kraftvolle, skulpturale Qualität, die zudem dem Rücken schmeichelt.
Dass eine Bank alles andere als stocksteif daherkommen kann, zeigt Ghisa (2007) von Alias. Der Entwurf des italienischen Designers Riccardo Blumer basiert auf einer Verkettung schlanker, kammförmiger Bauteile. Werden diese durch Querstreben miteinander verbunden, lässt sich die Bank unendlich lang erweitern und dabei zu runden, geschwungenen oder geraden Formen justieren. Eine weitere Besonderheit: Mit Gusseisen wurde ein reichlich aus der Mode gekommenes Material neu entdeckt, das hier seine Qualitäten gezielt ausspielt. Denn die Module werden jeweils in einem Guss hergestellt, sodass sie enorm stabil sind und selbst jahrzehntelangem Gebrauch bei Wind und Wetter locker standhalten.
07 Der Tisch
Klar auf den Punkt gebracht wirkt der Tisch San Marco (2008) von Gae Aulenti. Das von Zanotta hergestellte Möbel basiert auf einem gleichnamigen Entwurf aus dem Jahr 1964 für den Innenraum und wurde mit einer veränderten Materialität für die Terrasse tauglich gemacht. Damit sich die stählerne Tischplatte bei Regen nicht zum See verwandelt, kamen lange Schlitze zum Einsatz, die die rechteckige Ausdehnung des Tischs betonen und ihm eine prägnante grafische Struktur verleihen.
Klein und kompakt wirkt dagegen der gusseiserne Tisch TNP (2011), den der Pariser Designer Christophe Pillet anlässlich der Wiedereröffnung des Théatre National Populaire in Villeurbanne entwarf. Ausgestattet mit einer quadratischen Tischplatte in bester Bistro-Größe, ist das von Kristalia produzierte Möbel besonders für kleine Terrassen und Balkons geeignet.
08 Der Grill
Der Grill gehört auf die Terrasse wie das Sofa ins Wohnzimmer. Um das Thema an dieser Stelle nicht unnötig auszudehnen, haben wir ihm einen eigenen Beitrag in der Designline Küche gewidmet, den Sie unter folgendem Link erreichen.
09 Der Teppich
Was bislang noch fehlt? Ganz klar: Der passende Boden unter den Füßen. Denn auch an dieser Stelle rückt der Komfort des Wohnzimmers hinaus ins Freie. Für eine kühlende Wirkung sorgt dabei der Teppich Waikiki von Ruckstuhl, der sich selbst im prallen Sonnenlicht nur leicht erwärmt, während Stein- oder Keramikböden heiß wie glühende Kohlen werden. Gefertigt wird der Outdoor-taugliche Teppich aus ungefärbtem Kokosgarn, dessen strapazierfähige Oberfläche die Füße leicht massiert. Dann kann der Sommer wirklich kommen.
Bisher in der Reihe erschienen:
Wohnratgeber Teil 1: Die flexible Wohnung
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