Stories

@work - Nomaden der Arbeit

von Tanja Pabelick, 12.07.2007

Das Telefon am Ohr, den Laptop auf dem Schoß: Jede Minute kann mit den Mitteln der modernen Technik effizient genutzt werden. Schon auf dem Weg zur Arbeit werden in der Bahn die ersten E-Mails abgerufen, die Nachrichten der Voicebox gab es bereits zum Frühstück. Kaum ein Ort, an dem wir nicht vernetzt sind, kaum ein Ort, an dem nicht gearbeitet werden könnte. Das moderne Büro passt in die Westentasche und ist damit immer genau da, wo man sich gerade aufhält. Die globalisierte, virtualisierte und digitalisierte Welt verändert die Lebens- und Arbeitsweise der Menschen und damit auch die Dinge, die sie durch den Alltag begleiten.
Sie sind flexibel, mobil und immer in Bewegung: Kreative, die durch die Welt jetten und Manager, die in der Bahn nach Frankfurt ihre nächste Power Point Präsentation vorbereiten. Sie alle vermarkten im Zeitalter der Information eine der wichtigsten Ressource unserer Zeit - das Wissen. Und stehen damit für den Abschied von standortgebundener Massenarbeit und -produktion des Industriezeitalters. Für ihre Arbeit brauchen die Nomaden der Arbeit kaum mehr als einen Laptop und das Internet, mit dem die ganze Welt nur einen Mausklick entfernt liegt. Gleich ob sie sich in das Firmennetzwerk ihres Arbeitgebers einloggen oder auf der Homepage eines französischen Delikatessen-Händlers vorbeischauen: alles steht unabhängig von der lokalen Zeit 24 Stunden parat. Ihr Handwerkszeug wählen sie nach ihrer Funktion und Leistungsfähigkeit aus und danach, ob es ins Handgepäck passt. Probleme bereiten dabei Laptop und PDA, wenn sie eine Vielzahl an Zubehör erfordern: Maus, Tastatur, Kabel, Netzteil, Memory-Stick und Kopfhörer - eine übliche und beschwerliche Ausrüstung für das Arbeiten unterwegs.
Viele Firmen auf dem Markt der mobilen Technik bemühen sich daher Produkte zu entwickeln, die mehrere Funktionen in sich vereinen. Sensoren, intelligente Textilien und Neuheiten aus der Nanotechnologie ermöglichen heute technische Lösungen, die vor Jahren noch Instrumente aus dem Orchester für Zukunftsmusik waren. Eine findige neue Funktion für die Schutzhüllen mobiler Arbeitsgeräte präsentierte die Firma Eleksen im letzten Jahr auf der CeBit. Während eine herkömmliche Tasche nach dem Entpacken nutzlos wird, kann diese dank einer in den Stoff eingearbeiteten Sensortastatur als drahtloses Eingabegerät weiter verwendet werden. Und da viele auch die Lunchzeit zum Arbeiten nutzen, ist das Textil wasserdicht verarbeitet und kann zudem wie ein Kleidungsstück gewaschen werden. Der Sensorspezialiset Canesta ging noch einen Schritt weiter und projiziert die Tastatur gleich per Infrarot auf eine beliebige Unterlage. Jede Bewegung der Hände wird vom Gerät gescannt und verarbeitet. Die dazu nötigen Komponenten sind nicht größer als ein Fingernagel und können selbst in ein Mobiltelefon eingebaut werden. Mit solcher Technik ausgestattet wird Arbeiten unterwegs ganz klar erleichtert – im wahrsten Sinne des Wortes.
Während im Bereich der Arbeitswerkzeuge ein wahres Feuerwerk an Innovationen gezündet wird, bleiben jedoch die Orte des mobilen Arbeitens von diesem Fortschritts-Enthusiasmus weitgehend unberührt. Gleich, ob es sich um öffentliche Räume, wie den Stadtpark oder Transiträume, wie Bahnhof und Flughafen handelt, die ergonomischen Errungenschaften jahrzehntelanger Forschung am Büroarbeitsplatz gehen dem Arbeitsnomaden schlichtweg verloren. Nur vereinzelt trifft man auf eine Stadtbank mit einem lieblos installierten Laptoptisch oder eine arbeitsfreundlich ausgestattete Wartehalle - ein bisher kaum von Designern und Architekten bearbeitetes Feld, auf dem es noch viel Handlungsbedarf gibt.
Was aber ereignet sich an den schönen Arbeitsplätzen in den Großraumbüros, während die Mitarbeiter im Café nebenan sitzen oder am Flughafen auf die Maschine nach Tokio warten? Sie sind einfach leer. Wo früher noch die Topfpflanzen gehegt und Fotos der Liebsten aufgestellt wurden, sind viele Büroplätze verwaist. Nicht einmal die Hälfte ihrer Arbeitszeit verbringen Angestellte heute noch an ihrem Schreibtisch, konstatiert das deutsch-schweizerische Institut für Arbeitsforschung. Zu solchen Erkenntnissen gelangte auch die von der Fraunhofer Gesellschaft durchgeführte Studie office 21 und bietet den Lösungsvorschlag gleich mit an: Die Anzahl der bereitgestellten Arbeitsplätze wird reduziert und der private Schreibtisch durch einen Rollcontainer ersetzt, in dem die persönliche Arbeitsunterlagen untergebracht werden können. Bei Arbeitsbeginn sucht der Mitarbeiter sich einen freien Tisch, zu dem er seinen Caddy einfach mitnimmt. Das spart dem Unternehmen Miete und soll zudem positive Auswirkungen auf das soziale Gefüge haben, da sich immer wieder neue Arbeitsgruppen zusammenfinden.
Und wer im Büro nicht mehr erwartet wird oder sowieso lieber alleine arbeitet, kann das auch von Hause tun. Bett, Sofa, Küchentisch sind potenzielle Arbeitsplätze, die mit den mobilen Geräten der Heimnomaden erschlossen werden. Der Bundesverband „Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien“ hat kürzlich mitgeteilt, dass im laufenden Jahr in Deutschland erstmalig mehr mobile als stationäre Rechner verkauft werden. Eine Entwicklung, auf die Designer und Möbelindustrie schon länger aufmerksam geworden sind. Betten mit Arbeitstabletts, Sofas samt aufsteckbarem Laptoptisch sollen Heimarbeit mobil und bequem machen. Darüber hinaus entstehen auch ganz neue Produkte, wie beispielsweise die @home-Serie von Belkin: Eine Kollektion flexibler Unterlagen und Transporthüllen erleichtert das Umsiedeln von Ort zu Ort und bietet zumindest eine kleine ergonomische Stütze für das Arbeiten im Schneidersitz.
Doch wirklich flexibel - im Sinne eines nomadischen Lebensentwurfes - sind nur die hypermobilen Eliten. Alle anderen profitieren mehr nebenbei vom fortschreitenden Stand der Technik, der eben auch Teilbereiche ihrer Lebens- und Arbeitswelt beweglicher macht. Diese Form eines mobilen Daseins ist vergleichbar mit dem Klapptisch, den man sich ins Esszimmer des Einfamilienhauses stellt: Man könnte ihn zusammenklappen - wenn man wollte. Ettore Sottsass sprach in diesem Zusammenhang einst vom „psychologischen Nomadentum“, also einer gefühlten Mobilität, die mit gelebt wird, weil sie nun mal dem Zeitgeist entspricht. Dass die neue Freiheit auch Abhängigkeiten mit sich bringt haben einige erkannt und lassen ihr Mobiltelefon am Wochenende aus. Vielleicht ist es nur eine Frage der Zeit, bis manch einer auch Zug oder Flugzeug zur Laptopfreien Zone erklärt.
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