Veränderung als Prinzip
Zum Tod von Cini Boeri
Cini Boeri war eine der vielseitigsten und prägendsten Gestalterinnen Italiens, die bis ins hohe Alter kreativ blieb. Am 9. September ist die gebürtige Mailänderin im Alter von 96 Jahren verstorben.
Cini Boeri ging ihren eigenen Weg. Und das von Anfang an. Sie schrieb sich am Mailänder Polytechikum ein und studierte Architektur, was in den späten Vierzigerjahren keine Selbstverständlichkeit war. „Meine Professoren sagten mir, es sei ein harter Job für Männer. Ich habe ihnen zugehört, aber sie haben mich nicht überzeugt“, so die 1924 als Maria Cristina Mariani Dameno geborene Mailänderin. Sie machte 1951 ihren Abschluss und absolvierte ein Praktikum bei Gio Ponti. Danach begann sie eine langjährige Zusammenarbeit mit Marco Zanuso, bei der sie vorwiegend in architektonische Projekte involviert war, zugleich jedoch die ersten Schritte ins Möbel- und Ausstellungsdesign unternahm. 1963 gründete Cini Boeri ihr eigenes Studio in Mailand und blieb dem beständigen Sprung zwischen den Maßstäben weiterhin treu.
Für Aufsehen sorgte sie mit den privaten Wohnhäusern Casa Rotonda und Casa Bunker (beide 1967 in La Maddalena auf Sardinien). Jedes Familienmitglied hatte seinen eigenen Bereich. Und doch waren die Räume über einen zentralen Hof mit Meerblick miteinander verbunden. Ästhetisch könnten beide Projekte kaum unterschiedlicher sein – das eine schwungvoll rund wie ein Schneckenhaus, das die andere in einem brutalistischen, wehrhaften Gestus. Doch Cini Boeri wollte sich auf keinen Stil festlegen. Das galt auch für ihre Möbel.
Das Sofa Bobo (1967) für Arflex bestand aus Polyurethan-Schaum und kam ohne innenliegende Verstärkung aus. Beim Sofa Serpentone (1971, ebenfalls für Arflex) nutzte Boeri die gleiche Materialität für eine endlos erweiterbare und beliebig biegsame Sitzschlange. Dass Komfort auch im kompakten Maßstab gelingt, zeigt der Sessel Botolo, der seit 1973 von Arflex produziert wird. Ein weiterer Klassiker ist der Sessel Ghost (1987) für Fiam, der aus einer einzigen Scheibe Glas geschnitten und gebogen wird. 2019 hat Cini Boeri, deren Sohn Stefano ebenfalls ein bekannter Architekt geworden ist und derzeit die Mailänder Triennale leitet, eine mit vielen Fächern bestückte Nylontasche für Prada entworfen. „Wichtig ist, etwas Neues und vor allem etwas Nützliches vorzuschlagen, ohne sich anzumaßen, das Leben der Menschen planen zu wollen“, war Cini Boeri überzeugt. Die Balance zwischen beiden Polen zu finden, hat die italienische Gestalterin zeitlebens spielend gemeistert. nk
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