Weiß
Porentief rein: Weiß schillert zwischen Unschuldsvermutung und Blendwerk.
Der große Blender
Weiß hält sich gerne im Hintergrund. Die Farbe hat das Image, neutral zu sein, weswegen sie gleichermaßen als optimaler Farbton für Museumswände wie für Lichtschalter und Steckdosen gilt. Was weiß ist, drängt sich nicht auf, sondern lässt anderen den Vortritt: Kunstwerken, Möbelstücken, Sonntagsbraten. Aber natürlich auch Flecken und andere Verunreinigungen: Nicht von ungefähr fordert die Konvention, dass Arztkittel, Bettlaken, Badewannen und Businesshemden porentief weiß zu sein haben, damit wir uns wohlfühlen. Dann scheint die Hygiene gesichert. Was haben die Braut, der Papst und Elvis gemeinsam? Sie tragen Weiß. Und signalisieren damit: Ich bin unbefleckt und unverdorben wie ein neugeborenes Lamm.
Aber Weiß kann auch anders: Es reflektiert Licht wie keine Farbe sonst; eine Eigenschaft, die ihm große Strahlkraft verleiht. Die weißen Fassaden der Architekturmoderne sollten von der Ankunft einer besseren Zeit künden. Gereinigt vom Ornament und leuchtend wie Reklametafeln. Manchmal allerdings strahlt Weiß so stark, dass der Mensch regelrecht geblendet ist, weshalb Experten von weißen Schreibtischplatten abraten: zu stark die Kontraste, zu anstrengend für die Augen. Sollten wir besser auf grauem statt auf weißem Papier schreiben, wenn wir am Writer's Block leiden? Und das, was wir für angenehme Beleuchtung halten, ist bei Lichte betrachtet eher gelblich als weiß. Also Obacht, diese Farbe ist nicht so unschuldig, wie sie tut! Jasmin Jouhar
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