Menschen

Magie und Logik

Die italienische Designerin Monica Armani im Gespräch

Monica Armani entwirft Dinge von präziser Balance. Ihre Möbel fügen sich harmonisch in Räume ein, ohne diese zu übertrumpfen. Und doch treten ihre Arbeiten mit raffinierter Präsenz hervor, sodass sie einem im Gedächtnis bleiben. Ein Gespräch über Moleküle, Sinnlichkeit – und darüber, was Gestaltung mit Suppe verbindet.

von Norman Kietzmann, 03.06.2024

Worauf kommt es an im Design?
Produkte zu erschaffen, die die Seele erfreuen: Das ist das Wichtigste. Ich mag es nicht, wenn Dinge zu starr und zu kantig sind. An diesem Punkt meines Berufslebens fühle ich mich dazu hingezogen, Produkte zu entwerfen, die sinnlicher und weicher sind, die mehr Gemütlichkeit ausstrahlen. Vielleicht liegt es daran, dass die Sensibilität nach so vielen Jahren stark zunimmt.

Auch sind runde Formen näher am Menschen, während kubische Volumina stärker mit der Architektur korrespondieren.
Das stimmt. Ich mag Produkte, die sich an verschiedene Räume anpassen, ohne vordergründig zu sein. Dennoch besitzen sie das gewisse Feingefühl. Ich denke, man sieht, dass meine Arbeiten die Handschrift einer Frau tragen. Zumindest hoffe ich das. Man merkt immer, ob ein Produkt von einem Mann oder von einer Frau entworfen wird. Diese singuläre Perspektive kann aber dazu führen, dass mitunter etwas fehlt. Darum arbeite ich mit meinem Mann Luca zusammen. Jedes Projekt machen wir zu zweit. Und dabei folgen wir unserem Manifest, das wir Design in Molecules genannt haben.

Worum geht es dabei?
Es ist im Grunde die Idee von vielen Molekülen, die Aspekten wie Technologie, Innovation, Vision oder Verzauberung entsprechen. Je nach Projekt werden sie immer wieder neu zusammengefügt – vergleichbar mit den Zutaten beim Kochen einer Suppe. Es gibt die Magie auf der einen Seite und die Logik auf der anderen Seite. Den ersten Teil übernehme ich, den zweiten Teil mein Mann. Es gibt also eine kreative und eine technische Seite. Wenn man beide mischt, entsteht daraus gute Suppe.

Und die braucht die richtige Würze.
Genau. Die Prise von etwas, das den Geschmack einzigartig macht. Ich glaube, ich bin in der Lage, das zu tun und diese letzte Zutat hinzuzufügen, wenn ich mit dem Löffel in der Suppe rühre. Das kann bedeuten, bei einem Stuhl im letzten Moment zu merken, dass ein Bein zu schief ist. Vielleicht braucht es nur eine kleine Drehung oder einen anderen Radius, um die Wirkung zu verbessern. Es ist allerdings ein etwas langsamer Prozess. Zuerst muss man einen Prototyp bauen, ihn begutachten und korrigieren, um so Stück für Stück voranzukommen. Nur so gelingt es, den Charakter eines Produkts zu erzeugen. Um auf das Sinnbild der Suppe zurückzukommen: Vielleicht ist die letzte Zutat, auf die alles ankommt, der Charakter.

Können wir das an einem Beispiel festmachen – wie der Gaia-Kollektion, die Sie für den deutschen Möbelhersteller KFF gestaltet haben?
Die Inspiration kam durch das Betrachten der Welt der Blumen. Denn das ist es, was einem in den Sinn kommt, wenn man die sehr voluminöse, sehr bequeme Rückenlehne sieht. Sie ist das besondere Merkmal dieser Kollektion. Die Möbel sind organische Zeichen, die dadurch entstehen, dass unterschiedliche Formen und Proportionen in einer präzisen Balance zueinander stehen. Ich wollte also diese organische Form erforschen und konnte sie langsam umsetzen. Wir haben einige Tests mit Papier gemacht und dafür all diese Blütenblätter ausgedruckt und dann in 3-D hergestellt.

Die 2018 vorgestellte Kollektion wird Stück für Stück um weitere Elemente ergänzt. Heute umfasst sie zehn Sitzmöbel – von Stühlen und Sesseln über Bänke bis zu Barstühlen. 2024 ist ein gepolsterter Einsitzer mit Ottomane hinzugekommen. Worauf kommt es bei einer Kollektion an?
Es sind verschiedene Elemente, die alle eine Seele haben. Häufig ist es in Kollektionen ja so, dass einige Modelle herausstechen und andere Produkte weniger präsent sind. Hier hingegen finde ich, dass sie alle sehr anmutig und schön geworden sind. Der Aspekt der Weichheit gilt hier gleich doppelt: auf visueller und auch auf physischer Weise, weil die Möbel sehr bequem sind. Ich glaube sehr an Transversalität von Produkten. Sie können für verschiedene Zwecke genutzt werden: für das private Heim, aber auch für ein Restaurant oder ein Hotelzimmer. Denn die Produkte haben nicht allzu große Proportionen. Selbst die Sessel nehmen nicht viel Platz weg und machen dennoch einen guten Eindruck. Für die Innenarchitekt*innen ist eine große Kollektion eine Hilfe bei der Planung.

Ist Kompaktheit eine Stärke?
Auf jeden Fall. Heutzutage werden Häuser und Wohnungen immer kleiner. Wenn man ein Design mit weniger ausufernden Dimensionen macht, hat man sicherlich bessere Chancen, es zu platzieren. Das Ziel ist immer, ein Produkt zu schaffen, das über einen längeren Zeitraum Bestand hat. Wir haben für Gaia eine Vielzahl an unterschiedlichen Gestellen entworfen, die verschiedene Anwendungen erlauben. Auch kann man bei den Bezügen Leder und Stoff einzeln verwenden oder kombinieren, sodass die Rückenlehne mit Leder und der Sitz mit Stoff bezogen wird oder umgekehrt. KFF ist wie eine Couture-Firma, bei der man die Produkte mit einer Vielzahl an Materialien personalisieren kann.

Wer oder was hat Sie beeinflusst?
Ich bin eigentlich ein Kind der Kunst, weil mein Vater ein sehr guter rationalistischer Architekt war. Er war mein Meister in der Architektur. Wir lebten in einer Villa in den Hügeln der Stadt Trento mit großen Glasfassaden an der Vorderseite und Rückseite, durch die man auf die Dolomiten blicken konnte. Das Haus ist noch immer mit den Ikonen von Mies van der Rohe und Le Corbusier möbliert. Ich habe diese Welt eingeatmet.

Was ist die größte Herausforderung bei der Entwicklung eines Produkts?
Es ist eine sehr schwierige Aufgabe, Zeichen zu identifizieren, die authentisch sind und mit der DNA eines Unternehmens korrespondieren. Deshalb machen wir eine Menge Recherche, bevor wir ein Design vorschlagen. Wir kommen nicht mit einem Entwurf zu unseren Kund*innen, sondern führen zuerst eine Analyse des Unternehmens durch. Wo gibt es einen Teil, der vielleicht noch nicht abgedeckt ist? In welche Richtung können wir gehen? Dann versuchen wir, genau der DNA der Marke zu folgen. Ein Projekt funktioniert nur, wenn das Unternehmen das Gefühl hat, dass ein Entwurf voll und ganz zu ihm gehört. Meine Arbeit geht daher über das Design hinaus. Sie ist immer eine Teamleistung, bei der alle Seiten voneinander lernen.

Wie inspirierend ist es, in Trento zu arbeiten und zu leben?
Es ist schön, weil es eine kleine Stadt im Grünen ist. Ich bin hier geboren. Erst gestern haben wir wieder eine Fahrrad-Tour durch die Wälder gemacht. Wir haben den ganzen Tag in der Natur verbracht und schöne Sachen gesehen. Das gibt mir eine Menge Ideen. Plötzlich habe ich die Lösung für ein Detail, das ich noch nicht hinbekommen hatte. Oder mir fällt der Name für ein neues Produkt ein. Die Natur ist der Ort, an dem ich mich am besten auf alles konzentrieren kann.

Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail
Links

KFF

Wir schaffen seit über 40 Jahren ästhetisch begeisternde und komfortable Möbelstücke. Im Herzen der ostwestfälischen Möbelindustrie verankert, sind unsere vielfältigen Kollektionen wie ARVA oder GAIA maßgeschneidert für den anspruchsvollen privaten Wohnraum oder das luxuriöse Objekt. KFF steht für handwerkliche Präzision, rohstoffliche Qualität, gelebte Vielfalt und zeitloses Design.

Zum Showroom

Monica Armani

www.monica-armani.com

Mehr Menschen

Klasse statt Masse

Urlaubsarchitektur-Gründer Jan Hamer im Gespräch

Urlaubsarchitektur-Gründer Jan Hamer im Gespräch

Ukrainische Perspektiven #3

Interview mit Interiordesigner Oleksandr Maruzhenko von Men Bureau

Interview mit Interiordesigner Oleksandr Maruzhenko von Men Bureau

Der Fliesenmacher

Wie Edgard Chaya in Beirut eine Zementfliesenfabrik aufbaute

Wie Edgard Chaya in Beirut eine Zementfliesenfabrik aufbaute

Ukrainische Perspektiven #2

Der Architekt Slava Balbek von balbek bureau im Gespräch

Der Architekt Slava Balbek von balbek bureau im Gespräch

Heilende Räume

Matteo Thun und Antonio Rodriguez im Gespräch

Matteo Thun und Antonio Rodriguez im Gespräch

Form follows love

Ein Gespräch mit der Lehmbauexpertin Anna Heringer

Ein Gespräch mit der Lehmbauexpertin Anna Heringer

Material als Leitfaden

Nachruf auf die Designerin Pauline Deltour (1983-2021)

Nachruf auf die Designerin Pauline Deltour (1983-2021)

Die junge Internationale

Kuratorin Anniina Koivu über die The Lost Graduation Show auf dem Supersalone

Kuratorin Anniina Koivu über die The Lost Graduation Show auf dem Supersalone

Florale Choreografie

Gartengestalter Piet Oudolf über tanzende Felder, wilde Gräser und erweiterte Wahrnehmung

Gartengestalter Piet Oudolf über tanzende Felder, wilde Gräser und erweiterte Wahrnehmung

Karpatische Erzählungen

Eine Kollektion, die ukrainische Geschichte konserviert

Eine Kollektion, die ukrainische Geschichte konserviert

Florian Idenburg

Ein Interview über die Struktur von Chaos und Schönheit, die provoziert

Ein Interview über die Struktur von Chaos und Schönheit, die provoziert

Dieter Roelstraete

Der Kurator spricht über Denkmaschinen in Venedig 

Der Kurator spricht über Denkmaschinen in Venedig 

Gil Bronner

Der Düsseldorfer Sammler über Kinder, Kunst und Kaufentscheidungen

Der Düsseldorfer Sammler über Kinder, Kunst und Kaufentscheidungen

Robin Rhode

Der südafrikanische Street-Art-Künstler über seine Kindheit und Skateboard-Decks, die aussehen wie schwarz-weiße Süßigkeiten.

Der südafrikanische Street-Art-Künstler über seine Kindheit und Skateboard-Decks, die aussehen wie schwarz-weiße Süßigkeiten.

Alexander Taylor

Der Londoner Designer im Gespräch.

Der Londoner Designer im Gespräch.

Gadi Amit

Der israelische Designer im Gespräch.

Der israelische Designer im Gespräch.

Paul Andreu

„Wir hatten Lust auf Beton.“ Der Meister der Flughäfen über geliebte Kurven und schnelle Stifte.

„Wir hatten Lust auf Beton.“ Der Meister der Flughäfen über geliebte Kurven und schnelle Stifte.

Adrian van Hooydonk

Der Leiter der BMW Group Design über Automildesign, die Arbeit mit BarberOsgerby und Inspirationen.

Der Leiter der BMW Group Design über Automildesign, die Arbeit mit BarberOsgerby und Inspirationen.

Kenneth Grange

Der britische Designer über gesellige Sofas, geschwätzige Banker und den Reiz der Einfachheit. 

Der britische Designer über gesellige Sofas, geschwätzige Banker und den Reiz der Einfachheit. 

Chris Bangle

Unterhaltsam: der ehemalige BMW-Chefdesigner im Gespräch.

Unterhaltsam: der ehemalige BMW-Chefdesigner im Gespräch.

Luca Brenta