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Blick aufs Ganze

Dominik Tesseraux über den Designansatz bei Bette

Seit fünfzehn Jahren konzipiert das Potsdamer Büro Tesseraux+Partner Produkte für den Badhersteller Bette. Das Unternehmen aus Ostwestfalen hat sich heute als Designinnovator in der Branche etabliert. Ein Gespräch mit Dominik Tesseraux über holistisches Planen, zeitlose Formen und höhere Flexibilität bei der Installation.

von Norman Kietzmann, 30.10.2024

Worauf kommt es heute im Badezimmer an? Was hat sich verändert im Vergleich zu der Situation vor zehn oder zwanzig Jahren?
Ich glaube, das Bad hat deutlich an Bedeutung gewonnen. Es ist nicht mehr nur ein Raum, der eine Funktion erfüllt. Es ist auch ein Lebensraum und wird dementsprechend individuell gestaltet. Persönliche Bedürfnisse und eine Haltung werden hier dargestellt, vergleichbar mit der Küche oder dem Wohnzimmer. Die Hersteller haben sich darauf eingestellt und bieten ein hohes Spektrum rund um den Mainstream. Letzterer ist aber auch selbstbewusster und gut gestaltet. Farbe, Oberflächen – galvanische Oberflächen, Beschichtungen, Schliffe – und Materialien sind sehr wichtig geworden. Dennoch spielt sich sicherlich der größte Teil nach wie vor bei Chrom und Weiß ab.

Welche Atmosphäre soll im Bad erzeugt werden?
Für mich steht die Harmonie ganz oben auf der Wunschliste. Ton in Ton gestaltete Architektur, also: Wände, Böden, Fenster und Türen nahezu uni, dazu die Möbel abgestimmt mit dem Waschtisch, das Ganze dann eventuell akzentuiert mit einer besonderen Oberfläche der Armaturen und Accessoires. Das ist eine perfekte Bühne für individuelle Objekte. In den Siebzigern und Achtzigern gab es schon mal ganz viel Farbe im Bad. Heute sind die Farben gedeckter, eher neutral, oft matt oder strukturiert. Ich würde sagen, die Farben sind natürlicher, erinnern an Lehm oder Ton oder trockene Gräser.


Die Waschtische, Badewannen und Duschwannen von Bette sind aus glasiertem Titanstahl gefertigt. Welche Vorteile hat dieses Material gegenüber anderen Materialien?
Ein sofort sichtbares Merkmal des Materials ist natürlich die Dünnwandigkeit und eine nicht erwartete Stabilität. Die Emailoberfläche ist extrem wertig, langlebig und so ideal für das Bad geeignet. Herauszuheben ist sicher auch die Kreislauffähigkeit des Materials. Für das Gestalten mit glasiertem Titanstahl sind Erfahrung und Mut relevant. Nur wenn sich alle zu der Gratwanderung bereit erklären, kann man inspirierende und einzigartige Details entwickeln.

Wodurch kann sich ein Unternehmen wie Bette vor Nachahmungen schützen? Und wie hebt man sich im preissensiblen Bereich ab?
Design ist sicherlich ein probates Mittel, um sich zumindest eine bestimmte Zeit lang zu positionieren. Letztlich reicht das aber nicht mehr. Alle Disziplinen, die notwendig sind, um ein Produkt an den Markt zu bringen, müssen sich weiterentwickeln und neuen Spielraum generieren. Für mich muss es nicht immer das neue Design sein. Ich denke, gerade heute sind andere Themen sehr, sehr wichtig geworden. Die digitale Welt löst immer mehr den klassischen Vertriebsweg als Meinungsbildner ab. Und immer öfter finden die ersten Kontakte auf Plattformen wie Instagram oder Pinterest statt. Innovationen, die sofort sichtbar sind, helfen auch in den digitalen Medien, da sie natürlich sehr gut in Szene gesetzt werden können. Bei Produkten, die gewohnte Typologien abbilden, ist es aber oft schwer, die Qualität in der Fertigung und im Detail zu visualisieren. Es fehlt einfach das Fühlen. Es geht dann darum, dem Kunden zu vermitteln, wo der Markenanspruch liegt, beziehungsweise warum das Produkt nicht 50 Euro kosten kann.

Was kann das Unternehmen dafür tun, dass dieses Bewusstsein steigt?
Ich würde sagen, dass die Geschlossenheit der Branche hier der einzige Weg ist. Die Konkurrenz ist nicht das Produkt aus dem Nachbarort, sondern das Importprodukt aus Asien. Solange wir das nicht begreifen und sich die Hersteller nicht geschlossen dagegenstellen, werden sich die Märkte selbst immer weiter schwächen. Die Innovation im Produkt, das Design, die Verarbeitungsqualität – all das waren Merkmale, die europäische Hersteller weltweit ausgezeichnet haben. Wir müssen Produkte und Strategien entwickeln, die uns diesen Vorsprung wieder ermöglichen. Dazu ist es natürlich wichtig, die Kunden zu sensibilisieren.

Wie funktioniert Ihr Arbeitsprozess? Bekommen Sie ein Briefing?
Bei unseren langjährigen Kunden erstellen wir oft Initiativpräsentationen. Da wir dort meist involviert sind in relevante Themen, ist das ja auch naheliegend. Diese Präsentationen sind dann umfangreich und sprechen verschiedene Bereiche an, nicht nur das Design. Im Dialog mit unseren Kunden kristallisieren sich dann Themen heraus, die weiterverfolgt werden. Hierfür erzeugen wir meistens erste 3D-Daten zur schnelleren Bewertung durch die Konstruktion. In Absprache werden die Vorschläge dann bemustert und ein erster Designkreis entscheidet über das jeweilige Potenzial. Uns und unseren Kunden, insbesondere Bette, ist es sehr wichtig, dass die Produkte evolutionär gedacht sind. Also werden im ersten Schritt die innovativen Ansätze meist bevorzugt.

Was ist Ihr Ziel bei der Gestaltung?
Unser Ziel in der Gestaltung ist es, Produkte in ihrer DNA weiterzuentwickeln. Wir wollen nicht nur Produktionsfutter liefern. Das ist ja auch wirklich nicht mehr zeitgemäß. Da sich im Material, in der Fertigung, im Vertrieb, in der Montage und nicht zuletzt in unserer Gesellschaft die Parameter stetig weiterentwickeln, verändern sich für uns auch die Möglichkeiten im Design. Als Beispiel kann man das Kleben sehen. Heute kann man quasi alles kleben und viele traditionelle Produktaufbauten könnten sich nachhaltig ändern. Produkte können mit weniger Befestigungstechnik leichter und kompakter werden. Nachhaltigkeit beginnt für uns also schon beim Produktkonzept und bezieht sich nicht nur auf die Materialwahl oder eine Recyclingfähigkeit. Wir hinterfragen bei eigentlich jedem neuen Projekt, ob die Rahmenbedingungen veränderbar sind – und welche Optionen sich daraus ergeben. Ich denke, nur so können markante und markenspezifische Details entwickelt werden, wie zum Beispiel der dünne Falzrand bei Bette.

Worin liegt auf formaler Ebene der Schlüssel zur Nachhaltigkeit?
Für unsere Kunden ist es natürlich sehr wichtig, dass die Produkte einen starken Charakter haben und im Idealfall auch einen ikonischen Wert. Daher suchen wir eigentlich immer nach dieser einen kompromisslosen Gestaltung, die das abbildet. Ich glaube, je klarer ein Produkt gestaltet ist, desto langlebiger ist es auch. Es kann ästhetisch Generationen überdauern. Produkte derart unverwechselbar zu machen, ist ein großer Ansporn für uns.

Gibt es eine Typologie im Badezimmer, die man dringend überarbeiten sollte?
Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann wäre es eine höhere Flexibilität im Umgang mit den relevanten Badelementen: Badewanne, Duschwanne, Waschtisch und WC. Jeder Bauherr macht die Erfahrung, dass eine Zeichnung oder ein Rendering eines Raums nichts mit dem realen Erfahren dieser Architektur zu tun hat. Entscheidungen werden zumeist ohne Grundlage getroffen. Wenn dann Installationen anliegen, gibt es nicht mehr viel Spielraum. Hier flexibler sein zu können, auch in fortgeschrittenerem Stadium, das sehe ich als eines der großen Ziele in der modernen Badgestaltung. Vorwandsysteme mit Installationsebenen für relevante Medien werden die Bäder besser und leichter planbar und letztlich auch auf nachhaltige Art und Weise veränderbar machen.

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BETTE

Bette ist ein deutsches Familienunternehmen. Seit 1952 produzieren wir in Delbrück hochwertige architektonische Badelemente aus rein natürlichem glasiertem Titan-Stahl. Bette Produkte geben größtmögliche Gestaltungsfreiheit im Bad. Exzellentes Design, einzigartige Materialqualität und extrem hohe Maßvariabilität prägen unser Angebot. Jedes Bette Badelement kann durch zusätzliche Ausstattungen oder Maßanpassungen mittels Installationszubehör individuell konfiguriert werden.

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