Sinnliche Bäder
Stefano Giovannoni über seine Erweiterung der Kollektion Il Bagno Alessi
Partner: LAUFEN
Stefano Giovannoni hat ein Faible für große Zahlen. Immer wieder schüttelt der Mailänder Designer Produkte aus dem Ärmel, die sich nicht nur blendend verkaufen, sondern der Branche auch eine neue Richtung vorgeben. Wir trafen den 69-Jährigen in seinem Studio und sprachen mit ihm über die ganzheitliche Kollektion Il Bagno Alessi, über leuchtende Wände, fließende Waschbecken und treffsichere Pinnwände.
Sie haben die Badkollektion Il Bagno Alessi erstmals im Jahr 2002 vorgestellt: eine Kooperation von Alessi mit dem Laufen, dem Armaturenproduzenten Oras und der Möbelmarke Inda. Auf der ISH 2023 in Frankfurt wird nun eine Erweiterung gezeigt. Worum geht es dabei?
Wir haben auf eine Evolution der Materialien gesetzt. Es gab viele wichtige Entwicklungen in den letzten Jahren, nicht nur für das Badezimmer, sondern vor allem für die Küche. Da haben sich künstliche Materialien durchgesetzt, deren qualitative und technische Eigenschaften mitunter den natürlichen Materialien überlegen sind. Das sind spezielle Keramikplatten, aber auch interessante Holz- und Marmoroberflächen. Sie sind subtil und sehr elegant. Sie haben auf radikale Art und Weise verändert, wie heute eine Küche konzipiert wird. Und nun werden sie auch im Badezimmer immer wichtiger.
Die Materialien werden wärmer in ihrer Anmutung. Ebenso die Farben?
Ja, sie erlauben eine wirkliche Kontinuität zwischen Badezimmer und den Wohnräumen. Zuvor haben wir Keramik mit einer weißen, hochglänzenden Oberfläche verwendet, was mitunter etwas kühl wirken kann. Nun haben wir drei neue Farben eingeführt: Mattweiß, Mattschwarz und den matten „Café“-Ton. Bei der Badewanne haben wir mit einem neuen Material gearbeitet, das Sentec heißt. Damit konnten wir eine zweifarbige Ausführung realisieren, bei der sich Innen- und Außenseite in separaten Tönen kombinieren lassen. Bei den Möbeln und Accessoires gibt es eine ganze Reihe an Optionen, die von Brauntönen bis zu Terrakotta und Ocker reichen. Sie bieten eine Vielzahl neuer Möglichkeiten, wärmere Badezimmer zu gestalten, bei denen die Farben der Wände mit denen der Keramik zusammenwirken. Wir wollen immer raffiniertere Räume schaffen und damit näher an die Sensibilitäten der Architekt*innen rücken.
In welche Richtung haben Sie die Kollektion noch weiter entwickelt?
Auch die Beleuchtung im Badezimmer gehört nun dazu. Wir haben ein neues Element eingeführt. Es ist eine Art Rahmen, der über dem Waschbecken platziert wird. Im Inneren dieses Rahmens sind LEDs verbaut, die ihr Licht in verschiedene Richtungen projizieren. Die Steuerung erfolgt über das Smartphone oder eine Fernbedienung. So lassen sich verschiedene Szenarien programmieren. Das Licht wird nach vorne gelenkt, wenn ich mein Gesicht im Spiegel sehen möchte. Oder nach unten auf das Waschbecken oder zur Seite in den Raum hinein. Die Besonderheit liegt darin, dass sich das Licht sogar nach hinten an die Wand leiten lässt.
Womit Sie einen Schulterschluss mit der Architektur erzeugen: Die Wand wird zum Reflektor für die Leuchte.
Richtig. So entsteht ein ganz spezielles Umgebungslicht. Denn es nimmt auch die Farbe der Wand auf. Im Grunde liegt darin eine Erweiterung des Kontexts. Das Objekt verbindet sich mit seiner räumlichen Umgebung. Man kann die Farbe oder die Struktur der Wand hervorheben, die sich hinter dem Waschbecken erhebt. Das erzeugt einen Effekt von Tiefe. Die Wand spielt plötzlich eine wichtige Rolle in der Raumwahrnehmung. Bei alledem kann man mit den Nuancen der Farben spielen. Das ist sehr raffiniert.
Auch die Lichtfarben lassen sich steuern?
Man kann sie den verschiedenen Tageszeiten anpassen. Ein kühles Licht passt in den Morgen. Es macht wach und erleichtert den Start in den Tag. Am Abend empfinden wir ein wärmeres Licht als angenehmer. Mit diesen Effekten lassen sich suggestive Atmosphären gestalten, die man in der Natur findet, wie den Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang. Das Badezimmer ist ein Ort, an dem wir mit unserem Körper in Kontakt mit dem Wasser treten. Darum ist es wichtig, dass die Objekte im Badezimmer die Erinnerung an etwas sehr Reines und Ursprüngliches hervorrufen. Etwas, das nah an der Natur ist.
Worin bestand die Innovation der ersten Il Bagno Alessi-Kollektion?
Es war die umfassendste Kollektion von Badprodukten zu jener Zeit, weil sie alle Typologien umfasste – von Keramik über Armaturen und Zubehör bis hin zu Handtüchern. Wir wollten das Badezimmer ganzheitlich betrachten. Darum war es wichtig, eine Vollständigkeit aller Produkte zu erzielen. Als ich begonnen habe, die Keramik zu entwerfen, kam mir das Bild von weißen Steinen in den Sinn, die vom Wasser rund geschliffen wurden. Ich habe das WC wie einen runden Stein gezeichnet. Nicht nur die Keramik, sondern auch den Deckel. WCs sind normalerweise immer oben flach. Für mich war es wichtig, eine Kontinuität zwischen Deckel und Keramik beizubehalten. Das hat dem Projekt eine große, expressive Stärke gegeben.
Ungewöhnlich war auch das freistehende Waschbecken Tamtam, das in einem Stück aus Keramik gefertigt wurde.
Das war ein enorm wichtiger Schritt. Denn alle Waschbecken, die bis zu diesem Zeitpunkt gemacht wurden, bestanden aus einem Becken und einem getrennten, säulenartigen Sockel. Ich habe hingegen versucht, einen Monolithen zu schaffen. Das war eine wirkliche Herausforderung, weil es zuvor noch nie versucht wurde. Aber die Techniker von Laufen haben es tatsächlich hinbekommen.
Die Skulpturalität des Beckens haben Sie schließlich weitergeführt.
Wir haben die erste Kollektion 2010 erweitert. Sie hieß Il Bagno Alessi Evolution. Mit Tamtam hatten wir ein sehr vertikales Waschbecken. Nun wollten wir in die Horizontale gehen. Daraus ist dann das Waschbecken Tuna entstanden. Es verjüngt sich seitlich und schafft so eine Ablage. Ein Becken von 160 Zentimetern Breite hat es in diesen Dimensionen auf dem Markt noch nicht gegeben. Man kann das Becken direkt an der Wand befestigen oder es auf einer Serie von Unterschränken platzieren.
2022 haben Sie das Becken in Saphirkeramik umgesetzt, einem von Laufen patentierten Material.
Bei herkömmlicher Keramik muss ein Abstand von einigen Zentimetern eingehalten werden, um Innen- und Außenwände auseinanderzuhalten. Objekte aus Saphirkeramik kommen mit einer einzigen Wand aus. Das hat zweifellos die Herangehensweise an das Design von Badprodukten komplett verändert. Die Leichtigkeit und Eleganz dieses Materials hat sich sehr gut mit der geschwungenen, fließenden Formensprache der Tuna-Familie verbunden.
Vor allem das Tamtam-Waschbecken ist von unzähligen Firmen kopiert worden. Wie schauen Sie darauf? Ist eine Kopie ein Kompliment?
Wenn man ein starkes Objekt macht, das ikonisch wird, ist es schwierig, es zu verteidigen. Damit muss man einfach leben. Ich könnte ein dickes Buch machen mit all den Nachahmungen, die es von meinen Entwürfen gibt. Natürlich sind viele von ihnen absichtlich so gestaltet worden. Doch man muss auch selbst aufpassen.
Wie meinen Sie das?
Manchmal denkt man, man entwirft ein neues Produkt. Doch dann entdeckt man, dass es schon viele Dinge in dieser Art gibt. Darum ist es viel besser, nicht mit dem weißen Blatt Papier zu beginnen, sondern auf die Seite von Pinterest zu gehen, die einem alle möglichen Vorschläge von ähnlichen Formen gibt. So kann man sich dem Neuen über das nähern, was schon gemacht wurde. Es ist ein Phänomen, das es auch in der Musik, Kunst und vielen anderen Bereichen gibt. Man arbeitet mit vielen Referenzen aus der Vergangenheit. Denn heute gibt es fast alles schon. Erst die Geschichte der Materie zu erfassen, gibt einem die Möglichkeit, etwas Neues zu gestalten.
Stefano Giovannoni Design
www.stefanogiovannoni.com