Utopie unter der Sonne
Atelier du Pont gestaltet das Hotel Son Blanc auf Menorca
Ein verfallendes Bauernhaus hat auf Menorca eine neue Bestimmung erhalten: Es wurde vom Pariser Atelier du Pont in ein Hotel transformiert. Son Blanc, so der Name, ist nicht nur ein stilistischer Glücksgriff. Das Anwesen ist unabhängig vom Wasser- und Stromnetz. Zudem kreiert es ein Gefühl von Gemeinschaft inmitten der Natur.
Ein Hotel ist wie ein großes Potpourri: Es bringt die unterschiedlichsten Menschen an einem Ort zusammen. Dass Reisende nicht nur für sich allein verweilen sollen, wird auf Menorca im Hotel Son Blanc erprobt. Es liegt vom Strand entfernt inmitten einer fast unberührten Hügellandschaft im Westen der Gemeinde Alaior. „Son Blanc ist eine offene Einladung, mit der Natur in Kontakt zu treten, sich wieder mit dem eigenen Wesen zu verbinden und Momente in guter Gesellschaft zu teilen“, erklärt Benedicta Linares Pearce, die auf der Baleareninsel geboren wurde und das Hotel mit ihrem Ehemann Benoît Pellegrini betreibt.
Ort der Interaktion
Das Anwesen liegt auf einem 130 Hektar großen Grundstück, das zum Großteil unter Naturschutz steht. Es ist ein Refugium, in dem die Gäste in Kontakt mit der umgebenden Flora und Fauna treten sollen. Wer dort übernachtet, bleibt zum Essen und zieht nicht weiter in andere Restaurants oder Bars. Und so wurde das Hotel wie ein Haus für eine große Familie konzipiert. Es gibt gemeinsame Dinners und Partys, zu denen auch Besucher*innen von außerhalb eingeladen sind. Die Gäste können an Yoga-, Wildlife-Running-, Malerei- oder Keramik-Kursen teilnehmen. „Ein utopisches Gastfreundschaftskonzept, das auf den Grundsätzen der Nachhaltigkeit, der Zusammenarbeit mit der natürlichen Umgebung und der sozialen Verbundenheit beruht“, so Benedicta Linares Pearce.
Faible für die Insel
Um sich dem Rhythmus des ländlichen Lebens anzupassen, wurde ein verlassenes Bauernhaus renoviert und um einen Anbau erweitert. Die Planung lag in den Händen von Anne-Cécile Comar und Philippe Croisier, den Gründer*innen des Pariser Architektur- und Interiordesign-Büros Atelier du Pont. Mit ihrem 45-köpfigen Team richten sie Büros, Wohnungen, Hotels, Boutiquen und Restaurants ein, darunter den Sitz der Europäischen Weltraumbehörde ESA in der französischen Hauptstadt. Mit dem Hotel Son Blanc hat Atelier du Pont bereits das vierte Projekt auf Menroca umgesetzt.
Zeitlicher Übergang
„Ein Garten Eden, in dem sich die Zeit im Rhythmus der Jahreszeiten verlangsamt, um die Süße der einfachen, kostbaren Dinge des Lebens zu genießen“, bringt Anne-Cécile Comar den Anspruch auf den Punkt. Es geht darum, abzuschalten, die tägliche Reizüberflutung durch soziale Medien hinter sich zu lassen. Zuerst musste das im 19. Jahrhundert erbaute Farmhaus wieder aufgebaut werden. Die Verwendung lokaler Naturmaterialien lag auf der Hand – aus Gründen der Nachhaltigkeit und des Kilometer-Null-Gedankens. Aber auch, um ein harmonisches Gesamtbild zu erzeugen, indem sich alte und neue Bausubstanz auf stimmige Weise ergänzen. Für den Anbau wurde dieselbe Rohstoff-Palette übernommen.
Bezug zur Natur
Die Inneneinrichtung zeigt eine erdige Tonalität, die monochrom zum Einsatz kommt und harmonisch in die Landschaft überblendet. Stein, Terrakotta, Olivenholz, Lehm sind größtenteils roh belassen. Sie schaffen eine warme, rustikale Atmosphäre, die zwischen Gegenwart und Vergangenheit oszilliert. Die Möblierung hält sich zurück, sowohl in den Gemeinschaftsbereichen als auch in den vierzehn Zimmern. Empfang, Restaurant und Sportraum wirken geradezu leer. So können die Blicke ungestört hinaus in die Natur wandern. Zugleich werden architektonische Elemente wie Gewölbe oder Bögen hervorgehoben. Im Yogaraum hängen getrocknete Grasbüschel vor Wänden aus Lehm.
Dem rechten Winkel enthoben
Dieselbe Materialität kommt für eine geschwungene Wand zum Einsatz, die sich durch zwei Drittel des Erdgeschosses im neu errichteten Anbau schlängelt. „Mit ihrer erdigen Textur wirkt diese Welle wie ein Paravent. Sie bricht mit der Geometrie des Raums, verbirgt technische Bereiche und grenzt die verschiedenen Funktionen des Gebäudes ab“, erklärt Anne-Cécile Comar. Die organischen Formen stehen im Einklang mit der Natur. Sie finden ebenso für Polstermöbel, Tische und Leuchten Verwendung, die speziell für diesen Ort entworfen und in Kooperation mit lokalen Kunsthandwerker*innen umgesetzt wurden.
Schöne Details bilden die Rückwände, die direkt an die Kopfteile der Betten anschließen. Sie definieren Reliefs aus versetzt angeordneten Tonziegeln, die raffinierte Schattenwürfe erzeugen. Oder sie erinnern an Regale mit teils gitterartigen Verblendungen, die aus vielen kleinen Stöckchen zusammengesetzt wurden. Die Holzstäbchen lassen die Blicke passieren. Zugleich verändern sie ihre Wirkung, wenn die Leseleuchten eingeschaltet werden und so eine Interferenz der Schatten entfachen.
Selbstversorgendes Haus
Bei der Planung wurde auf einen schonenden Verbrauch von Rohstoffen und Energie geachtet. In unterirdischen Zisternen wird das Regenwasser gesammelt und in einer eigenen Kläranlage aufbereitet. So kann der gesamte Wasserbedarf gedeckt werden. Solarzellen auf den Dächern sowie auf umliegenden Feldern machen das Hotel vom Stromnetz unabhängig. „Wir laden unsere Gäste ein, ihre vorgefassten Vorstellungen von einem Luxushotel hinter sich zu lassen und sich auf sinnvolle, authentische Erfahrungen und tiefere menschliche Beziehungen einzulassen“, sagt Benedicta Linares Pearce. Die Zimmer verfügen jeweils über private Außenbereiche, ganz gleich ob Terrassen, eigene Gärten oder Balkons. Ergo: Gemeinschaft ist gut und schön. Doch manchmal braucht es eine private Auszeit.
Projekt | Son Blanc |
Ort | Alaior, Menorca, Spanien |
Größe | 1.078 Quadratmeter |
Architektur + Interieur | Atelier du Pont |
Fertigstellung | 2023 |