Projekte

Refugium der Ruhe

Asketisches Interieur von Neri&Hu im Artyzen-Hotel Shanghai

Während draußen die Autos vorbeirauschen und in der benachbarten Konzerthalle Kulturveranstaltungen in spektakulärer Kulisse stattfinden, soll das angeschlossene Hotel Artyzen New Bund 31 Shanghai von Neri&Hu ein Pol der Ruhe sein. Die Gemeinschaftsräume setzen auf die entschleunigte Atmosphäre eines fernöstlichen Nachtmarktes, die Hotelzimmer sind als asketische Ruheoasen mit Naturbezügen gestaltet.

von Tanja Pabelick, 02.12.2024

Shanghai ist laut und hektisch, dicht besiedelt und eng bebaut. Oasen der Ruhe sind rar – und genau eine solche soll das neue Hotel Artyzen New Bund 31 für seine Gäste sein. Dabei wirkt die Architektur wie ein gebauter Kokon, auch weil das Grundstück am Ufer des Huangpu-Flusses im Süden der Megacity direkt an einem wichtigen Autobahnknotenpunkt liegt. Daneben ragt der Baukörper des Hotels wie eine schimmernde Statue aus Glas und Stahl in den Himmel und bildet als glatter Monolith eine ästhetische Antithese zu seinem Inneren. Gestaltet wurde das Interieur von dem renommierten Studio Neri&Hu, das vor zwei Jahrzehnten von den Architekt*innen Lyndon Neri und Rossana Hu in Shanghai gegründet wurde. Mit viel Holz, Kupfer und einer Farbpalette zwischen Blau und Grau beziehen sie sich bei diesem Hotelprojekt auf den Designstil der Mod-Chinoiserie, der traditionelle chinesische Elemente mit einer westlich geprägten Ästhetik verbindet.

Kultureller Anschluss
Das Artyzen ist Teil eines Kulturkomplexes im Viertel Pudong, zu dem auch Büroflächen, Parks, ein Einkaufszentrum und ein Konzertsaal gehören. Letzterer wurde ebenfalls von Neri&Hu entworfen und ist mit einem 2.500 Gäste fassenden Saal aus Eichenholz räumlich imposant sowie gestalterisch detailverliebt. Mit dem Artyzen New Bund 31 geht der Bau eine funktionale Symbiose ein, denn im Hotel mit Bar und Restaurant kann der Abend für Konzertbesucher*innen nahtlos fortgeführt und bis zur Übernachtung ausgedehnt werden. Umgekehrt befindet sich im Veranstaltungsgebäude auch ein multifunktionaler Konferenzraum, der von im Hotel residierenden Gruppen für Tagungen und Meetings genutzt werden kann. Diese Verbindung wurde auch architektonisch umgesetzt: Die Lounge des Hotels im dritten Stock dient gleichzeitig als Wartebereich für das Performing Arts Center, von wo aus die Gäste über eine direkte Verbindung zu den Konzerten gelangen können.

Runde Räume statt Ecken und Kanten
Die Ankunft im Hotel beginnt im Erdgeschoss. Dort liegt unter einem weiten Dach der halbrunde Eingang, der sich als kupferfarbener Einschub in der durch Lamellen strukturierten Fassade abhebt. Durch die Glastür gelangt man zum Arbeitsplatz des Concierge. Der kleine, runde, aber hohe Raum ist intim inszeniert und wirkt mit viel Beige und indirektem Licht wie ein sakraler Kokon. Eine einzige Fensteröffnung sorgt für einen spektakulären Lichteffekt, indem sie das Sonnenlicht als dramatischen Lichtstrahl in die Raumröhre fallen lässt. Hinter einem kurzen Flur öffnet sich die nächste Rotunde mit angeschlossenen Aufzügen. Tiefe Sessel und fest installierte Sitzbänke an der Wand verleihen der Transitfläche Aufenthaltsqualität. Mit einer antik anmutenden Industrieleuchte und einer Wand aus schräg versetzten Holzlamellen mit verdeckten Lichtbändern entsteht eine Atmosphäre, die an einen Abend in traditionellen chinesischen Wohnhöfen erinnert.

Nachtmarkt-Reminiszenzen
Die Aufzüge bringen die Gäste wahlweise in das dritte Obergeschoss zur Lounge und zum Konzertsaal oder in das fünfte Obergeschoss zur Rezeption und zu den Gemeinschaftsräumen. Das Thema eines ursprünglichen, urbanen Dorfes wird hier auf die Erlebnisbereiche übertragen. Zu entdecken sind Loungeflächen, Restaurants, eine Tapas-Bar, ein kreisrunder Veranstaltungsbereich und Außengärten, die zum Teil als pavillonartige Strukturen aus den eigentlichen Räumen herausgearbeitet wurden. Mit viel Holz, feinen Lamellen- und Gitterstrukturen, farblich warmen Steinoberflächen und sanften Grau- und Blautönen öffnet sich eine Stilwelt, die asiatisches Midcentury-Design mit zeitgenössischer Askese verwebt. Eine besonders wichtige Rolle spielt die Lichtgestaltung, die vor allem auf indirektes und verstecktes Licht sowie viele kleine, warme Lampions setzt.

Ruhe mit Aussicht
Die 202 Zimmer liegen zwischen der 13. und 19. Etage. Entsprechend der Lage über der Stadt sind auch die Räume hell gestaltet, das Motiv der Natur als Erholungsort findet sein Echo in Materialität und Farbpalette. Elfenbeinfarbener Putz wird mit grauen Steinflächen und hellem Holz kombiniert, Details aus Bronze setzen Akzente. Die Möbel stammen von Lyndon Neri und Rossana Hu und wurden speziell für die Gästezimmer des Hotels entworfen. Vom Bett über den Schreibtisch bis zum Badezimmerschrank bilden sie eine Möbelfamilie. Ihre klare Linienführung und homogene Materialität vermitteln Ruhe und Behaglichkeit. Neri&Hu setzen im Artyzen Shanghai auf die leisen Töne, um Luxus zu vermitteln und einen Gegenpol zur Hektik der Stadt zu schaffen. Hoch über den Straßen wird das einzelne Zimmer zur Enklave und das Hotel mit seiner dörflichen Infrastruktur zur Stadt in der Stadt.

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Links

Architektur und Interieur

Neri & Hu

www.neriandhu.com

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