Projekte

Das Hotelexperiment

MM:NT Berlin Lab in Mitte von ACME und BWM

„Eine neue Art der Übernachtung“ verspricht das MM:NT Berlin Lab. Nur wenige Schritte vom Hackeschen Markt entfernt ist ein Hotel entstanden, das in puncto Raumeffizienz, Technologienutzung und Materialien Neues austesten möchte. Die Einrichtung der sechs Zimmer und Gemeinschaftsräume haben die Büros ACME aus London und BWM aus Wien gestaltet – und dabei sogar mit einem Tabu gebrochen.

von Norman Kietzmann, 25.09.2024

Wie sehen die Hotels von morgen aus? Was lässt sich verändern und was besser nicht? Diese Fragen sollen in einem Testversuch in Berlin beantwortet werden. Dazu hat die  Apartmenthotelkette Adina Hotels das MM:NT Berlin Lab in Mitte eröffnet. Es ist eine außergewöhnliche Herberge, sowohl in ihrer Größe von lediglich sechs Zimmern als auch in ihrer Ausstattung. Erfahrungen aus dem Hotelbereich werden mit denen von Ferienwohnungen verbunden. Das fängt schon an der Tür an. Zum Betreten braucht es einen Digitalcode, den die Gäste auf ihrem Smartphone vorzeigen. Der Check-in findet vorab online statt.

Salon zur Stadt
Die Gäste werden in einem Raum empfangen, der als gemeinschaftliches Wohnzimmer, Küche, Essbereich und Co-Working-Space in einem dient. Einen Lobby-typischen Empfangstresen gibt es nicht. Dafür aber eine gemütliche Sitzecke mit Vintage-Sesseln, die auf einem gebrauchten Perser-Teppich ruhen. Nachhaltigkeit und Ökologie werden in diesem Hotel großgeschrieben. Gleich am Eingang steht ein blauer Tisch aus recyceltem Ozeanplastik, der vom britischen Unternehmen Smile Plastics produziert wurde. Drum herum reihen sich mehrere Exemplare des Stuhls S-1500 von NCP (Design: Snøhetta), dessen Schale aus Kunststoffabfällen norwegischer Fischfarmen besteht.

Grüner Daumen
An den Wänden wurde auf einen zusätzlichen Farbauftrag verzichtet. Stattdessen ist ein roher Putz zu sehen, in dessen Oberfläche feine Kristalle aufblitzen. So soll die Luftqualität verbessert werden. Dasselbe gilt für die üppig wachsenden Pflanzen, die den gesamten Raum erfüllen. „Es ist uns wichtig, dass wir keine Fake-Pflanzen haben. Alle zwei Wochen kommt ein Team, das schaut, wie es den Gewächsen geht, und sie richtig pflegt. In vielen Hotels werden Pflanzen alle ein, zwei Jahre durch neue ausgetauscht. Genau das wollen wir hier vermeiden“, sagt Janek Gensch, zuständig für die Gästebetreuung im MM:NT Berlin Lab.

Materielles Testfeld
Im Eingangsbereich zieht eine frei stehende Küchen- und Barinsel die Blicke auf sich. Sie ist mit Fliesen verkleidet, die aus recycelten Kühlschränken, Gefrierschränken, Mikrowellen und anderen Haushaltsgeräten gefertigt wurden. Die Oberflächen sind leicht transparent, was ihnen gegenüber glasierten Keramikfliesen optischen Tiefgang verleiht. Das Material kommt hier zum ersten Mal im Hospitality-Bereich zur Anwendung. „Ein Versuch in der Realität, bevor es zu einem größeren Roll-out für andere Hotelprojekte kommt“, erklärt Janek Gensch.

An einer Wand gibt es mehrere Schließfächer. Hierfür ist man eine Kooperation mit dem Unternehmen Häfele eingegangen, das elektronische Schließsysteme, Beschläge und Technik zur Beleuchtung und Vernetzung anbietet. In den Schließfächern können die Gäste ihre Koffer und Taschen zwischenlagern, wenn sie vor dem Check-in-Zeitfenster anreisen oder erst nach der Check-out-Zeit abreisen wollen. Auch können dort große Koffer während des Aufenthalts eingelagert werden, um so den Platz in den Zimmern besser auszunutzen.

Mut zur Dunkelheit
Das MM:NT Berlin Lab hat sechs Zimmer in drei Größen: 12, 19 und 28 Quadratmeter. Sie liegen alle im Erdgeschoss des Hauses, das zuvor einen Frisörsalon sowie ein Brautmodengeschäft beherbergte. Die Konsequenz: Die zwei kleinen Zimmer sind zur Rückseite ausgerichtet und haben keine Fenster – ein Umstand, der zumindest in der deutschen Hotellerie-Landschaft Neuland ist. In Skandinavien sind fensterlose Hotels schon länger auf dem Markt und keineswegs unbeliebt. Der entscheidende Vorteil: Die gesamte Raumtiefe einer Etage kann bespielt werden. Das erschließt neue Flächen für die Hotellerie. Davon profitieren die Gäste – aber auch die Innenstädte, wo im Zeitalter von E-Commerce immer weniger Erdgeschosse durch Einzelhandel genutzt werden und plötzlich leer stehen.

Effiziente Raumnutzung
Fensterlose Zimmer sind natürlich gewöhnungsbedürftig. Doch genau an dieser Stelle kommt die Gestaltung ins Spiel. Die Gemeinschaftsräume und vier der Gästezimmer wurden vom Büro ACME eingerichtet, das Dependancen in London, Berlin und Madrid unterhält. Ein weiteres Zimmer hat das Unternehmen Häfele konzipiert. In den beiden kleineren, von ACME gestalteten Zimmern werden die Betten von holzvertäfelten Wänden und Decken eingefasst: Es sind gemütliche, schützende Kojen mit sanfter Beleuchtung, die Wohnlichkeit und Wärme suggerieren und so die fehlende Aussicht wettmachen. Stauraum wird durch Wandregale und ausziehbare Bettkästen geschaffen. Farbige Fliesen in zartem Rosa oder in einer Palette changierender Grüntöne harmonieren mit den hölzernen Oberflächen.

Keine schwarze Scheibe
Die Zimmer der mittleren und größeren Kategorie verfügen über eine kleine Küchenzeile. Dort gibt es ein Fenster. Da dieses aber zur Straße oder Hofseite zeigt, ist es bis auf einen oberen Spalt transluzent verblendet. So werden auch dort die „inneren Werte“ betont – wie im 19 Quadratmeter großen Zimmer, das vom Wiener Büro BWM eingerichtet wurde. Eine Farbpalette aus Salbeigrün, Beige und Naturholz schafft eine einladende und beruhigende Atmosphäre. Die Arbeitsplatte der Küche ist aus recycelten Möbelabfällen gefertigt, die eine lebendige, gesprenkelte Struktur besitzen. Auf Fernseher wird übrigens in allen Zimmern verzichtet. Das spart Platz, sieht aufgeräumter aus und vermeidet die Sterilität typischer Hoteleinrichtungen. Schließlich sollen die Gäste im MM:NT Berlin Lab den Raum auf sich wirken lassen: Inspiriert von ihren Erfahrungen und Meinungen werden die Hotels der nahen Zukunft geplant.

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Links

ACME

acme.ac

BWM

bwm.at

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