Raum für Gäste und Gewächse
Hotel-Restaurant Steirereck am Pogusch von PPAG architects
Das „Steirereck am Pogusch“ bietet eine beliebte Anlaufstelle für Gourmets. Dort dürfen sich Gäste auch auf ungewöhnliche Übernachtungsangebote wie die „Kabanen“ im Gewächshaus freuen. Ein innovatives Energiekonzept und die eigene Landwirtschaft runden das Ensemble ab. Man möchte eigentlich begeistert sein.
Das österreichische Spitzenrestaurant Steirereck, die Heimat für Gaumenverwöhnte mitten im Wiener Stadtpark, hat ein ländliches Pendant: das Steirereck am Pogusch. Am Alpenpass in rund 1.100 Metern Höhe kombiniert Familie Reitbauer bereits in zweiter Generation Tradition und Moderne – und das nicht nur kulinarisch, sondern zunehmend auch architektonisch. Wie die städtische Dependance der Reitbauers legt auch das Gebäudeensemble am Pogusch den Schwerpunkt auf herausragende Qualität für das leibliche Wohl. Bereichert wird das Konzept durch außergewöhnliche Übernachtungsmöglichkeiten, eine eigene Tierhaltung und den Anbau einer Vielzahl von Pflanzen sowie ein selbstversorgendes Energienetz. Die Renovierung und Erweiterung der bestehenden Anlage geht gestalterisch mit einem erkennbar zeitgenössischen Eingriff einher, für den das Architekturbüro PPAG aus Wien verantwortlich ist.
Topografie nutzen
Im Vergleich zum kühnen, eleganten Bau in der Stadt, ebenfalls ein Entwurf von PPAG, bettet sich das Ensemble am Pogusch mit seinen Erweiterungsbauten in die Nischen der Landschaft ein. Ein großer Teil der hinzugefügten Flächen ist unterirdisch angeordnet und verbindet die Bestandsgebäude – das Steinhaus und das Holzhaus – mit den neuen Gebäuden – das Salettl und zwei Glashäuser. Die oberirdisch sichtbaren Gebäudeteile unterscheiden sich in Form und Material radikal von den Bestandsbauten. Dabei schieben sich die geneigten Fassaden der Glashäuser als überdimensionierte Guckfenster wie selbstverständlich aus dem Hang heraus.
Gewächshaus als Ort der Gemeinschaft
Auch typologisch sind die beiden Glashäuser bemerkenswert: Sie kombinieren die klassischen Funktionen eines Gewächshauses mit Erlebnishotellerie. Das kleine, gleichmäßig warme Glashaus versorgt die hauseigene Küche mit frischen Kräutern, während das größere, kalte Glashaus, in dem der Wechsel der Jahreszeiten erlebbar bleibt, zur Zucht teils seltener Pflanzen und als besonderes Übernachtungsangebot dient. Im geschossübergreifenden, offenen Raumvolumen verteilen sich auf mehreren Ebenen zehn boxenförmig eingefügte Zimmer mit spartanischer Ausstattung, gemeinschaftliche Sanitär-, Sauna- und Aufenthaltsbereiche sowie eine Kaminecke.
Die als „Kabanen“ bezeichneten Zimmer kokettieren mit der Einfachheit: Sie sind in verschiedenen Holzarten vertäfelt, können beheizt werden. Transluzente Faltschiebetüren trennen sie bei Bedarf vom Hauptraum ab. In Anlehnung an die gleichnamigen Hütten in Freibädern bilden sie die kleinste private Einheit und dienen als Rückzugsort. Alle anderen Bereiche sind offen zugänglich und werden gemeinsam genutzt. Die Idee, eine temporäre Gemeinschaft aus Gästen und Gewächsen zu schaffen, ist auf überzeugend einfache Weise umgesetzt.
Im Einklang mit der Natur
Der dreigeschossig aus dem Hang hervortretende, vollständig verglaste Baukörper des großen Glashauses bietet mit öffenbaren Oberlichtern optimale Bedingungen für die Pflanzenwelt und leitet Tageslicht in das darunter liegende Verbindungsgeschoss, auf dem sich notwendige Funktionen des Gastronomiebetriebs verbergen. Die Natur ist in zweifacher Weise präsent: als Ausblick in die Landschaft und als unmittelbare grüne Umgebung im Glashaus, die mit allen Sinnen erlebt werden kann. Dabei wirkt die reflektierende Metallverkleidung im Innenraum als Verstärker und dupliziert die Pflanzenwelt – ein Effekt, den die Architekt*innen bereits bei der Fassade im Stadtpark wirkungsvoll eingesetzt haben.
Energiekonzept
Der Nachhaltigkeitsansatz des Projekts betrifft nicht nur die lokale Produkterzeugung und -verwertung, sondern spiegelt sich auch im Energiekonzept wider: Die gesamte Anlage ist als Kreislaufsystem gedacht und kombiniert verschiedene erneuerbare Energiequellen in einem hybriden Wärme- und Stromnetz. Bestehende Infrastruktur konnte durch neue technische Komponenten ergänzt und so effizienter für die Gebäudeversorgung nutzbar gemacht werden. Der hybride Energieverbund basiert unter anderem auf der Abwärmenutzung aus der Küche, einer Hackschnitzelheizung und einer Photovoltaikanlage. Die Siedlung ist damit weitgehend energieautark.
Der Ausflug zum Pogusch macht die Symbiose aus Architektur, Natur und ressourcenbewusster Lebensweise mit allen Sinnen erfahrbar. Wenn nicht die gelegentlichen Helikopterflüge der anreisenden Gäste die ländliche Ruhe und CO2-Bilanz stören würden, wär’s richtig schön.
FOTOGRAFIE Hertha Hurnaus Hertha Hurnaus
| Grundstücksfläche: | 11,762 m² |
| BGF Bestandsgebäude: | 756 m² |
| BGF Neubau: | 2,957 m² |
| Besucherplätze Restaurant: | 146 |
| Übernachtungsmöglichkeiten im großen Glashaus: | 20 |
| MitarbeiterInnen: | 55 |
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