Harte Schale, weicher Kern
Keyu Café von Fabian Freytag am Berliner Tacheles
Matcha-Törtchen, so akkurat konstruiert wie Architektur – das bekommen Enthusiast*innen der gehobenen Patisserie-Kultur im „Keyu Café“ in Berlin geboten. Den maßgeschneiderten Rahmen für das chinesisch-französische Backkonzept im neuen Stadtquartier „Am Tacheles“ liefert Fabian Freytag mit einem Interieur, das die abgerundete Ecke feiert und so wirkt, als sei es schon immer Teil der Umgebung gewesen.
Die Ecke Oranienburger Straße und Friedrichstraße in Berlin-Mitte ist laut. Dort treffen Touristenströme und Rushhour-Verkehr aufeinander. Alle zwei Minuten biegt eine Straßenbahn quietschend um die Ecke, der Raum für Fußgänger*innen ist auf ein Minimum reduziert. Wer dieses Nadelöhr umgehen will, bekommt seit Kurzem eine ausgesprochen noble Alternative: Das vom informellen Kunstprojekt zum Luxusquartier umgebaute Am Tacheles verbindet die beiden Straßen über die Hinterhöfe.
Insel der Ruhe inmitten der Großstadt
Namhafte Architekturbüros haben die Entwürfe für Luxuswohnungen, Einzelhandel und Kunstgalerien geliefert – Herzog & de Meuron hat dabei den Löwenanteil übernommen. Besonders gelungen ist der Aaron-Bernstein-Platz, denn er ist begrünt und groß, aber dennoch fernab vom Straßenlärm. Auf dieser Insel der Ruhe inmitten der Großstadt befindet sich das Keyu Café, das neben seinen Backkreationen auch kleine Mittagsgerichte anbietet.
Klischeebefreit und maßgeschneidert
Mit dem Wunsch, einen Ort zu erschaffen, der sich durch natürliche Formen und Oberflächen auszeichnet und gleichzeitig die Prinzipien des Feng-Shui respektiert, traten die Betreiberinnen, zwei Schwestern, an Fabian Freytag heran. Der Berliner Architekt hat sich bei dem Design des Café-Raums zunächst einmal von gängigen Klischees gelöst. Zuckrige Pastellfarben waren tabu. Vielmehr wollte er die Gelegenheit ergreifen, die französisch-chinesische Patisserie einmal in einem ganz neuen Licht erscheinen zu lassen. Oberstes Gebot dabei: Die Produkte sollen im Vordergrund stehen. Dieses Ziel erreicht das Design mit der Idee, ausschließlich Materialien zu verwenden, die in ihrem Rohzustand verbaut wurden. Alles ist massiv, natürlich und echt, die Verarbeitung ist handwerklich und maßgeschneidert.
Edler Rahmen für Backkunst
Das Café ist in drei etwa gleich große Bereiche gegliedert. Der Gastraum öffnet sich mit einem großen Fenster und der zweiflügeligen Eingangstür zur Außenterrasse und zum Aaron-Bernstein-Platz. Die Küche befindet sich, durch eine Flügeltür abgetrennt, im hinteren Bereich. Das Erste, was Besucher*innen sehen, wenn sie das Café betreten, ist die U-förmige Verkaufstheke, die mit ihrer Marmorarbeitsfläche den standesgemäßen Hintergrund für die Präsentation der Backkunst bietet. Theke und Fußboden sind mit terrakottafarbenen Fliesen verkleidet, wodurch sie zu einer Einheit verschmelzen.
Eschenholz und weiche Formen
Die Wände sind grob in sandfarbenem Putz gehalten. Die Haustechnik an der Decke verbirgt sich hinter einer halboffenen hölzernen Schalung. Der Bereich oberhalb der Theke ist durch einen großen Edelstahlzug abgesetzt, der den Raum funktional gliedert. Im Gastraum kombinierte Freytag eigens entworfene massive Einbauten aus Eschenholz und Sitzgelegenheiten mit Tischen aus Naturstein. Als prägendes Element sticht die an der Wand verlaufende Sitzbank hervor, die sich mit üppigen Rundungen auch um die Nischen der Fensteröffnungen legt. Die abgerundeten Sitzkanten haben einen überdimensionalen Durchmesser, der an zahlreichen Stellen des Interieurs aufgegriffen wird, etwa von den röhrenartig an der Wand verlaufenden Polsterlehnen.
Fabian Freytag hat mit dem Keyu Café einen Ort geschaffen, der für das neue Quartier und seine Besucher*innen anziehend sein dürfte. Die Kraft der eindrucksvollen, kantigen Architektur von Herzog & de Meuron nimmt das Interieur auf und verwandelt es in eine sanfte, einladende Atmosphäre – oder wie Fabian Freytag es formuliert: „Das Café wirkt wie ein weicher Mantel, der sich harmonisch in die robuste Hülle legt.“
FOTOGRAFIE Kozystudio, Berlin Kozystudio, Berlin
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