Rot und roh
Rum-Bar Campana del Rey in München von Buero Wagner
Roh belassener Sichtbeton und rote Ziegel – diese reizvolle Materialkombination funktioniert immer dann besonders gut, wenn Historisches mit Modernem verbunden werden soll. Fügt man noch roten Marmor, schwarzes Leder und massive Aluminiummöbel hinzu, so hat man das „Winning Team“ der kleinen Rum-Bar Campana del Rey in der Münchener Altstadt im Wesentlichen zusammen. Das historische Kellergewölbe stammt vermutlich aus dem 16. Jahrhundert und erhielt durch die Gestaltung von Buero Wagner eine besondere Aufwertung.
Wie bei so vielen Gebäuden der Münchener Altstadt ist der oberirdische Teil des historischen Bauwerks in der bewegten Geschichte des 20. Jahrhunderts mehrfach verändert worden. Im Zuge des aktuellen Umbaus wurde das Gebäude ab dem ersten Obergeschoss neu aufgebaut. Nach unten verlängerte man: Um zwei weitere Untergeschosse wurde der Keller erweitert.
Ins Fundament integriertes Mobiliar
Weil die historischen Gewölbe nur 1,70 Meter Deckenhöhe besaßen, grub man zunächst in das Erdreich und unterfing die mächtigen Gewölbestützen schrittweise mit Ortbeton. Fabian Wagner, der leitende Innenarchitekt des gleichnamigen Büros, machte auf diese Weise nicht nur die Trennung zwischen den baulichen Zeitschichten klar ablesbar. Er nutzte die konstruktive Erweiterung auch praktisch, indem er die Sitzbänke, die Bar und den Stehtisch direkt an die Unterfangung betonierte.
Die Ziegelstrukturen wurden dabei von mehreren Schichten Putz und Farbe befreit, sodass sie heute wieder in ihrer ursprünglichen Erscheinung den Raum prägen. Lediglich die spritzwassergefährdeten unteren Bereiche erhielten eine schützende Ummantelung aus rotem Marmor, dessen natürliche Bruchkanten bei der Montage erhalten blieben. Das verleiht dem Interior eine poetische Note, denn es bricht mit dem scharfkantigen Metall und dem glatten Sichtbeton. Außerdem ist es ressourcenschonend, weil der Verschnitt Verwendung findet und nicht entsorgt werden muss.
Aluminiumhocker und Lederkissen
Durch die Integration der meisten Einrichtungsgegenstände in die Tragstruktur wurde das bewegliche Mobiliar auf ein Minimum reduziert. Die Barstühle sind aus massivem Aluminium gefertigt und als Zwei- und Dreisitzer konzipiert. Sie setzen sich aus industriell anmutenden, schweren Platten zusammen, die rechtwinklig verschränkt und verschweißt wurden. Lederbezogene Kissen sorgen für Komfort, sowohl auf den Stühlen als auch auf den Betonflächen.
Im gesamten Barbereich wurden nur bankartige Sitzgelegenheiten eingeplant, deren Anordnung so gestaltet wurde, dass verschiedene kommunikative Situationen entstehen. Einige Sitzbereiche bieten den Gästen durch größere Abstände Rückzugsmöglichkeiten, während andere eine Nähe schaffen, die spontane Gespräche begünstigt. Auch dort laden Lederkissen zum Platznehmen ein. Die Flächen zwischen den Kissen dienen als Ablage für Getränke. Die Bar selbst steht als massives, zentrales Element im Raum und geht nahtlos in einen großen, flachen Tisch über.
Sichtbar oder verborgen?
Die technischen Einrichtungen wurden clever verborgen oder reizvoll inszeniert: Die Heizung und Lüftung befinden sich im Fußboden, während die Leitungen aus feuerverzinktem Blech als Gegenüber der Barstühle sichtbar unter der Betondecke oberhalb der Bar verlegt sind. Das Gewölbe selbst bleibt bis auf mattschwarze, als Raster angeordnete Licht- und Tonanlagen frei von weiteren Installationen.
Einen ebenso schweren wie behaglichen Raumabschluss am Barende bildet ein Vorhang aus Leder, der zur Hälfte aus Reststücken der Polsterherstellung besteht und geschickt Durchgänge sowie ein Regal verdeckt. Durch seinen lockeren Faltenwurf bildet er zudem einen reizvollen Kontrast zum Rest der Einrichtung, die – gegossen aus Beton und als Teil des Fundaments – so unverrückbar wie die Traditionen der Rumherstellung ist.
FOTOGRAFIE Kim Fohmann, Fabian Wagner, Louise Daussy
Kim Fohmann, Fabian Wagner, Louise Daussy
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