Revival mit Grandezza
Café Vertigo im Amsterdamer Vondelpark von Studio Modijefsky

Im Vondelparkpaviljoen hauchte Studio Modijefsky dem legendären Cineast*innen-Treffpunkt „Café Vertigo“ neues Leben ein. Zwischen Neorenaissance, Kinomagie und Amsterdamer Grandezza entstand ein magischer Ort, der Geschichte und Gegenwart mit Marmor, Samt und Spiegeln inszeniert.
Nach seiner Fertigstellung im Jahr 1881 wurde der Vondelparkpaviljoen im Amsterdamer Vondelpark schnell zu einem Treffpunkt für das wohlhabende Bürgertum. Nach dem Zweiten Weltkrieg zogen in das im Stil der Neorenaissance errichtete Prunkgebäude neue Mieter ein: zunächst ein Kino mit Freiluftleinwand im Garten, später eine Rundfunkgesellschaft. Seit 2025 residiert dort – neben dem Pavillon des International Documentary Film Festival Amsterdam – erneut das Café Vertigo, das, inspiriert vom gleichnamigen Film von Alfred Hitchcock, bereits in den Neunzigerjahren als Kantine für Filmfans diente. Die Neuauflage wurde vom ortsansässigen Studio Modijefsky entworfen, das den historischen Zeitgeist und die architektonische Grandezza wieder freilegte und den ikonischen Ort mit einem konsequenten Designkonzept neu interpretierte.
Zwischen Hitchcock und Anderson
Mit seinen korallenroten Markisen, der weiten Treppe und der stuckverzierten Fassade vor der Kulisse des üppigen Gartens könnte das Gebäude auch als Grandhotel in einem Wes-Anderson-Film durchgehen. Studio Modijefsky beschreibt den Außenbereich als eine der „beeindruckendsten Terrassen Amsterdams“ – und inszenierte diese mindestens ebenso liebevoll wie das neue Interieur. Von dort blicken die Besucherinnen und Besucher direkt auf die Grün- und Wasserflächen des Parks und sitzen an Bistrotischen mitten im lebendigen Treiben des beliebten Ausflugsziels. Ruhiger geht es auf dem unbestrittenen Logenplatz des Restaurants zu: Vom Balkon der ersten Etage aus ist der gesamte Garten bis zum Park zu überblicken – ein beliebter Treffpunkt für einen Drink zur blauen Stunde.
Grandezza der Geschichte
Die weitläufigen Innenräume verteilen sich auf Souterrain und Erdgeschoss, auf 350 Quadratmeter und mehrere Räume. „Das Café Vertigo ist als eine sorgfältig komponierte Abfolge räumlicher Erlebnisse gestaltet, jedes mit seiner eigenen Atmosphäre und seinem eigenen Rhythmus“, erklärt das Team von Studio Modijefsky. Um die Fläche zu strukturieren, schufen die Designerinnen – das Studio ist ausschließlich mit Frauen besetzt – jeweils einen zentralen Hauptbereich und gruppierten darum Nischen und Rückzugsorte. So entstand eine dynamische Abfolge von Stimmungen: von offen und gesellig bis ruhig und intim. Definiert wird die räumliche Choreografie über Materialien und Farben, die zwischen einem hellen, von Naturholz geprägten Interieur und einer von Samt und Dunkelrot bestimmten Opulenz changieren. Auf Böden und Wänden erinnern mosaikinspirierte Geometrien an die Eleganz klassischer Salons und Clubs.
Cineastische Dramaturgie
Die Gestaltung des Parkcafés ist eine Hommage an die Vergangenheit des Hauses. Schwere Vorhänge, rotes Textil und zwischen Fliesen und Decken platzierte Spiegelflächen erzeugen cineastische Dramatik. Edle Materialien wie Marmor, Messing und hochglänzend lackiertes Holz verweisen auf die mondäne Klientel der Anfangszeit. Ähnlich wie im Kino spielt im Café Vertigo das Licht – oder seine bewusst gesteuerte Abwesenheit – eine Hauptrolle. „Licht ist im Café Vertigo mehr als ein funktionales Element“, betonen die Gestalterinnen. Deshalb setzten sie auf sorgsam zusammengetragene Vintage-Objekte und handgefertigte Leuchten, die als Pendel- und Wandversionen, schwebende Glaskugeln oder sogar als beleuchtetes Regal eine warme, atmosphärische Stimmung erzeugen. Nach einigen Jahren im Dornröschenschlaf wurde dieser Amsterdamer Kulturort von Studio Modijefsky wiederbelebt. Die Gestalterinnen haben der Stadt einen Treffpunkt zurückgegeben, der Fans von Kino, Park und Kulinarik auf elegante Weise zusammenbringt.
FOTOGRAFIE Maarten Willemstein Maarten Willemstein
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