Zwischen Erbe und Erneuerung
JKMM Architects und Fyra haben Alvar Aaltos Haus der Kultur in Helsinki umgebaut
Gebäude von Alvar Aalto finden sich in Finnland überall und sind tief in der gestalterischen DNA des Landes verankert. Dass es nicht ganz einfach ist, ein denkmalgeschütztes Gebäude aus den Fünfzigerjahren einer zeitgenössischen Nutzung anzupassen, zeigt das Haus der Kultur in Helsinki. Das Gebäude von Alvar Aalto wurde gerade wiedereröffnet – nach einer Instandsetzung durch die Architekturbüros Fyra und JKMM Architects. Bei einem Rundgang erzählte uns die zuständige Projektleiterin, welche Herausforderungen es zu bewältigen gab.
Es gibt in Helsinki Gebäude von Alvar Aalto, die sicherlich berühmter sind. Sein eigenes Wohnhaus und Studio beispielsweise, das von Studio Crawford überarbeitete Restaurant Savoy, die Akademische Buchhandlung oder das Konzert- und Kongressgebäude Finlandia Hall. Und dann gibt es das Haus der Kultur, im Finnischen Kulttuuritalo genannt. Nachdem es mehrere Jahre leer gestanden hatte, wurde es von einem privaten Investor gekauft. Er beauftragte die in Helsinki ansässigen Architekturbüros Fyra und JKMM Architects mit dem Umbau des Gebäudes in ein zeitgenössisches Veranstaltungs- und Konzerthaus – samt öffentlichem Restaurant.
God is in the detail
Alvar Aaltos Gebäude in Helsinki umspannen einen Zeitraum von vier Jahrzehnten und zeigen ein gestalterisches Vokabular, das in Variationen immer wieder auftaucht. Es zeigt die Hingabe des Architekten zum Detail: Neben einer oft freien Formgebung und der Auswahl natürlicher Materialien wie Holz, Kupfer und Naturstein gehören dazu auch der Einsatz von Oberlichtern sowie architektonische Details wie Handläufe und Türbeschläge aus Messing, mit dreidimensionalen Fliesen verkleidete Säulen oder Türverkleidungen aus Pferdehaar. Alvar Aaltos Gestaltungsansatz umfasste nicht nur das Gebäude selbst, sondern auch das Interieur samt Möblierung und Beleuchtung. Einige von ihm für ein bestimmtes Projekt entworfene Leuchten, Möbel oder Türbeschläge gingen später in Serienproduktion.
Markanter Gebäudekomplex
Viele von Aaltos Entwürfen sind nahezu vollständig erhalten und geben einen guten Einblick in das Werk eines der wichtigsten Architekten der Moderne – so auch das Haus der Kultur im Stadtteil Alppila, das zwischen 1952 und 1958 im Auftrag der Kommunistischen Partei Finnlands als Parteizentrale und Kulturzentrum entstanden ist. Das Gebäude ist dreiteilig angelegt: Ein rechteckiges fünfgeschossiges Bürogebäude mit einer Fassadenverkleidung aus Kupfer trifft auf ein organisch geformtes, nahezu fensterloses Veranstaltungsgebäude mit einem 1.500 Sitze fassenden Auditorium. Es ist mit roten, speziell für dieses Projekt gefertigten Backsteinen in abgerundeter Form verkleidet. Aalto erklärt die freie Form des Gebäudes mit den akustischen Anforderungen: „Die verschiedenen Nutzungen des Raums erfordern eine erstklassige Akustik, weshalb die Form eine Betonspirale kombiniert mit Holz und Ziegeln ist.“ Das Veranstaltungs- und das Bürogebäude sind durch einen eingeschossigen Querriegel verbunden, der eine Lobby mit Garderobe, einen Hörsaal, drei Klassenzimmer, fünf Besprechungsräume, eine Bibliothek und im Untergeschoss eine große Turnhalle birgt.
Unter dem Kupferdach
Zwischen den drei Gebäuden formiert sich ein Hof, der mit Grünflächen, Wasserbecken und Outdoor-Sitzgelegenheiten für das Restaurant versehen ist. Der gesamte Komplex wird durch ein säulengestütztes Kupferdach zusammengehalten, das über sechzig Meter entlang der Straße verläuft und einen Portikus zum Hof bildet, dessen visueller Mittelpunkt ein Brunnen mit einer Skulptur von Wäinö Aaltonen in Form einer offenen Hand ist. Das Kupferdach ist mit Metallleuchten versehen, wie sie typisch sind für Alvar Aaltos Entwürfe aus dieser Zeit – man findet sie in ähnlicher Ausführung beispielsweise auch beim Kulturhaus im niedersächsischen Wolfsburg.
Komplexer Umbau
Die Überarbeitung des Veranstaltungsgebäudes und Auditoriums mit einer Fläche von 2.650 Quadratmetern dauerte rund zwei Jahre, wobei das Bürogebäude nicht von den Umbaumaßnahmen betroffen war. Fyra hatte bei dem Projekt die architektonische Aufsicht inne, während JKMM Architects für das Interiordesign zuständig waren. Die Herausforderung beim Umbau bestand darin, ein denkmalgeschütztes Gebäude aus den Fünfzigerjahren in einen Veranstaltungsort zu transformieren, der zeitgenössischen Ansprüchen genügt – in visueller und auch in technischer Hinsicht. Das erzählt die Projektleiterin Merja Virkkunen von Fyra, als wir sie zu einem Rundgang durch das Gebäude treffen. Sie hat sich fast ihr gesamtes Architektinnenleben mit denkmalgeschützten Gebäuden beschäftigt und nun das erste Mal mit einem Werk von Alvar Aalto. „Ich habe den Druck schon ein wenig gespürt“, sagt sie. „Alvar Aalto ist eine Legende in Finnland.“ Doch sie musste nicht ganz im luftleeren Raum arbeiten, standen ihr doch originale Pläne und Zeichnungen des Projekts zur Verfügung.
Was es bedeutet, ein denkmalgeschütztes Gebäude in eine neue Nutzung zu überführen, wird vor allem in den Räumen im Untergeschoss deutlich, wo man kaum noch erkennt, dass man sich in einem Bauwerk des finnischen Architekten befindet. Das ehemalige Kino wurde in einen Kult genannten Space in Form einer Blackbox mit Bartresen umgebaut, in dem DJ-Sets für 300 bis 500 Besucher*innen stattfinden. Daneben gibt es einen kleineren Club im ehemaligen Gymnastikraum, der in Rot- und Pinktönen gehalten ist, wobei ein textiler Vorhang raumbildend wirkt. Originale Designelemente von Alvar Aalto sind hier nicht mehr sichtbar, sondern wurden baulich reversibel verdeckt – ein Zugeständnis an die Anforderungen moderner Event-Spaces, so die Projektleiterin.
Materiales Zusammenspiel
Auffälligstes Merkmal des Umbaus ist sicherlich der markante Wechsel zwischen den Räumen, die mit ihren teils kräftigen Farben, Bodenbelägen, Textilien und Möbeln sehr kontemporär wirken, und den Räumen, die weitestgehend im Originalzustand belassen wurden. Dazu zählen das Restaurant, das separat vom Hof erschlossen wird, das große Entree mit der Freitreppe, die Garderobe, das Auditorium und verschiedene Zonen, die als Sitzbereiche dienen. Es sind vor allem Details, die das Interiordesign ausmachen und die so typisch sind für Alvar Aalto: die runden, in die Decke eingelassenen Leuchten, der fein ausgearbeitete Messinghandlauf, die mit dreidimensionalen Fliesen und Backsteinen verkleideten, teils geschwungenen Wände, das Zusammenspiel der Materialien, die maßgefertigten Möbel.
Gerade im Vergleich mit Gebäuden, die zur selben Zeit wie das Haus der Kultur in Helsinki entstanden sind – so beispielsweise das Sokos Hotel Vaakuna des finnischen Architekten Erkki Huttunen, das ebenfalls von Fyra modernisiert wurde – zeigt sich die herausragende Bedeutung von Alvar Aalto als Architekt und Designer. Ihm gelingt das Kunststück, ein fast siebzig Jahre altes Gebäudes so wirken zu lassen, als sei es gerade erst entstanden.