Tradition, neu interpretiert
Modernes Raumkonzept für Pfaffenhofens letzte Brauerei
Für Müllerbräu, eine bayerische Brauerei mit jahrhundertealter Geschichte, hat Studio Frick eine Produktionshalle mit integrierter Gastronomie geplant. Der Raumeindruck: höchst zeitgemäß. Und doch ist die Tradition in jedem Detail spürbar.
Seit 1775 existiert die Brauerei Müllerbräu in Pfaffenhofen an der Ilm, mitten im Hopfenanbaugebiet Hallertau. Inzwischen ist es die letzte Brauerei im Ort – auch im Bierland Bayern haben die kleinen Unternehmen inzwischen keinen leichten Stand mehr. Umso wichtiger ist es da, sich weiterzuentwickeln und somit von der überörtlichen Konkurrenz abzuheben. Die Familie Müller, Eigentümer in siebter Generation, entschloss sich daher für einen groß angelegten Umbau des Werksgeländes, bei dem nicht nur die Produktionsanlagen erneuert, sondern auch Räumlichkeiten für eine große Gastronomie geschaffen wurden.
Bis heute befindet sich die Brauerei mitten im Ortskern von Pfaffenhofen. Die Brauereiverwaltung residiert in einem repräsentativen historistischen Gebäude direkt am Hauptplatz. Daneben errichteten bereits die Urgroßeltern der heutigen Eigentümer*innen einen Festsaal, der eine pittoreske Giebelfassade samt Erker zur Platzseite besaß. Mit der Zeit wurde der Festsaal allerdings nur noch als Werkstatt und schließlich als Lager genutzt. Die heutigen Besitzer*innen wollten den historischen Bau wieder seiner ursprünglichen Bestimmung zuführen. Gleichzeitig sollte der Brauvorgang in der neuen Gastronomie erlebbar sein. Das Ergebnis ist das neue Müllerbräu Sudhaus, das gemeinsam mit dem Münchener Architekturbüro Studio Frick als „gläserne Brauerei“ geplant und realisiert wurde.
Industriell trifft traditionell
Im Zuge der Bauarbeiten wurde die Eingangsseite zum Pfaffenhofener Hauptplatz sorgfältig restauriert. An dieser Seite findet sich wie einstmals der Zugang für die Gäste. Von dort gelangt man über einen kurzen Treppenaufgang in den Hauptsaal. Der ist wie der größte Teil des Gebäudes ein Neubau. Hinter der Fassade aus dem frühen 20. Jahrhundert entstand eine große Halle, die in drei „Schiffe“ unterteilt ist: Während das „Mittelschiff“ die Brauereigaststätte aufnimmt, sind in den „Seitenschiffen“ die Braubehälter untergebracht. Der große Gastraum besitzt in den beiden Stirnwänden große Fenster, von denen das rückseitige den Blick über den Hof und auf das Brauhaus mit seinen kupfernen Braukesseln freigibt.
Hallenhohe Wandeinbauten gliedern die Gastronomiefläche in drei Bereiche: Theke, Restaurant und Bühne. Die Raumteiler aus Metallstreben und Füllungen aus halbtransparentem Lochblech öffnen sich mit großen Bögen zu den anstoßenden angrenzenden Bereichen. Die Bögen sollen eine Reminiszenz an den alten Festsaal sein. Das Metallgrau der Wandeinbauten greift en farblich die grauen Betonböden und die Edelstahltanks der Brauanlagen auf.
Fasshocker und Biertresor
Diese Materialität kontrastiert Studio Frick mit einer Inneneinrichtung, bei der unbehandeltes Eichenholz dominiert. Das Architekturbüro hat sich beim Mobiliar an traditionellen Wirtshauseinrichtungen orientiert, die Formen aber gestrafft und modernisiert. Auch die lange Theke wurde mit Holz verkleidet. Im Restaurantbereich fassen halbhohe Holzalkoven mehrere Tische zusammen und bilden gleichzeitig die Rückenlehne der integrierten Sitzbänke. Auf der Empore dienen alte Bierfässer aus Metall als Sitzgelegenheiten, die zu diesem Zweck eine hölzerne Sitzfläche aufgesetzt bekommen haben.
Direkt im Eingangsbereich des Müllerbräu Sudhaus steht ein Einrichtungsgegenstand, der für bayerische Bierwirtschaften typisch ist: der Bierkrugtresor, in dem die Stammgäste ihre persönlichen Bierseidel aufbewahren können. Wie bei der gesamten Einrichtung hat Studio Frick dieses Zeugnis der Wirtshaustradition modern interpretiert. In Pfaffenhofen erscheint der Tresor als ein frei stehender großer Metallkubus, dessen rundum angeordnete Schließfachtüren abwechselnd durchbrochen und geschlossen sind.
FOTOGRAFIE Lilit Frick
Lilit Frick
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