Urbanes Wohnzimmer
Teehaus Basao Panji in Xiamen von Building Narrative

Eine Brücke zwischen Tradition und Gegenwart schlägt das Teehaus Basao Panji im Zentrum von Xiamen. Naturmaterialien wie Eiche, Leder, Granit und Schiefer schaffen eine ruhige, wohnliche Atmosphäre. Das Interieur wird zum Sinnbild der Entschleunigung.
Tee ist in China kein Getränk, sondern eine Kultur. Und die ist mit einem Ort besonders verwoben: der südchinesischen Hafenstadt Xiamen, die auf einer gleichnamigen Insel dem Festland vorgelagert ist. Im 19. Jahrhundert war sie der größte Exporthafen, von dem aus Tee nach Europa und Amerika verschifft wurde. Davon zeugen noch immer zahlreiche Bauten, die die westlichen Handelsvertretungen in dieser Zeit errichtet haben und die heute zum Unesco-Weltkulturerbe gehören. Die Region Fujian ist zudem für eine eigene Teezubereitung bekannt. Bei der Gong-Fu-Cha-Methode werden deutlich mehr Blätter in Relation zur Wassermenge verwendet, was kürzere Ziehzeiten erlaubt. In mehreren Aufgüssen können sich die Aromen voll entfalten.
Städtischer Dialog
Eine Bühne für die zeitaufwändige Zeremonie schafft das Teehaus Basao Panji im Zentrum von Xiamen. Es ist die dritte Zusammenarbeit zwischen dem Teeproduzenten Basao und dem Innenarchitekturbüro Building Narrative, die beide in Hongkong ansässig sind. „Das primäre Ziel des Entwurfs war es, ein ‚Wohnzimmer für die Stadt’ zu gestalten“, sagt Jeffrey Cheng. Der gebürtige Kanadier sammelte die ersten beruflichen Erfahrungen bei Atelier Zhanglei (Nanjing), REX Architects (New York), Farrells (London) und Büro Ole Scheeren (Berlin), bevor er 2018 mit Building Narrative seine eigenen Wege ging.
Holz und Leder
Das Teehaus Basao Panji liegt ebenerdig an der Ecke eines Einkaufszentrums und direkt an einer belebten Kreuzung. Um die hermetische Wirkung des bestehenden Gebäudes zu durchbrechen, wurden die verspiegelten Fensterscheiben durch transparentes Glas ersetzt. Die Blicke können nun von außen nach innen wandern und umgekehrt. Schon vor dem Betreten des Lokals fällt die Materialität von Eichenholz und rotbraunem Leder ins Auge, die ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit in den urbanen Raum überträgt.
Typologie des Hofhauses
Im Eingangsbereich werden die Gäste von einem Brunnen begrüßt. Das Wasser fällt aus einer länglichen Wanne in ein rundes Becken hinab. Beide sind aus lokalem Sesam-Granit in einem warmen Beige-Ton gearbeitet. Ein meditatives Plätschern erfüllt den Raum. Inspiration für den Grundriss lieferte die Typologie der traditionellen Hofhäuser in der Fujian-Region. Die Bezeichnung „Innenhof“ ist hier im übertragenden Sinne zu verstehen, da eine Öffnung der Decke nicht umzusetzen war. Stattdessen markieren rotbraune Keramikfliesen einen rechteckigen Bereich des Bodens.
Künstlicher Himmel
Direkt darüber ist in identischen Maßen ein Leuchtkasten in die Decke eingelassen, der mit unterschiedlichen Helligkeiten und Lichtfarben das „Gefühl eines Himmels suggeriert“. Neben dem Brunnen erstreckt sich ein hölzernes Regal über die gesamte Höhe des Raums. In ihm sind Keramikgefäße platziert, die das Gefühl verstärken, in einer häuslichen Umgebung zu sein. Das Regal sorgt dafür, dass der „Innenhof“ eine räumliche Fassung erhält, ohne den visuellen Kontakt zur Straße zu unterbrechen. Weiß gestrichene Betonsäulen an der Außenflanke des „Innenhofs“ sind mit Hanfseilen umwickelt, die eine haptische, horizontal gerippte Struktur erzeugen.
Bühne für den Tee
An der Rückseite des Hofes schließt eine Theke mit weiteren raumhohen Regalen an. Dort werden die Basao-Teesorten sowie Utensilien zur Zubereitung verkauft. Ein Vorhang markiert den Übergang zur Lounge. Die Gäste können auf eigens angefertigten Sesseln Platz nehmen und wie in einem Wohnzimmer entspannen. Building Narrative hat hierbei mit den chinesischen Möbelmarken Knight's Craft, Stellar Works und Sing Chan Design zusammengearbeitet. Die räumliche Atmosphäre wirkt wie eine Umkehrung zur Offenheit und Durchlässigkeit des Entrees. Der Blickkontakt zum Stadtraum ist durch Wände unterbrochen, die Lichtstimmung gedämpft. Nichts soll ablenken an diesem Ort, wo Tee nach der Gong-Fu-Cha-Methode serviert wird.
Der Hektik entfliehen
Im hinteren Teil der Lounge ist eine Bar platziert. Ihre räumlichen Dimensionen sind so bemessen, dass die Teemeister*innen die verschiedenen Aufgüsse in Probiertassen reihum servieren können. „Die Handbewegungen der Sommeliers, die die Gong-Fu-Cha-Teezeremonie durchführen, sind genau einstudiert und werden durch die schwarze Schiefertheke der Bar in den Vordergrund gestellt. So entsteht ein theatralisches Erlebnis, das niemand vergisst. Durch die Variation von Licht, Raum und Materialien wird eine unterschiedliche Atmosphäre zwischen Innenhof und Lounge geschaffen“, erklärt Jeffrey Cheng. Im Außenbereich des Teehauses haben die Innenarchitekt*innen eine Bank mit integrierten Pflanzschalen platziert. Sie verstärkt den Eindruck einer ruhigen Oase, wo man der Hektik des Alltags mit einer Tasse Tee entfliehen kann.
FOTOGRAFIE Wen Studio Wen Studio
Projekt | Basao Panji Teehaus |
Ort | Paragon Centre, Xiamen, Fujian |
Innenarchitektur | Building Narrative |
Entwurfsteam | Jeffrey Cheng, Jessica Yau, Kwan Chak Mathew Man, Mavis Liu, Sebastianus Virell, Zhencheng Leung |
Materialien | Nanchow-Fliesen, Eiche, Fujian-Sesam-Granit, gealtertes Metall, Hanfseil |
Möbel | Knight's Craft, Stellar Works, Singchan Design |
Größe | 509 Quadratmeter |
Fertigstellung | Dezember 2023 |
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