Ein-Euro-Haus
Modernisierung eines baufälligen Stadthauses in Sizilien von Studio Didea
Für das Programm „Case a 1 Euro“ transformierte Studio Didea in Sambuca di Sicilia ein ruinöses Stadthaus in ein lichtdurchflutetes Refugium. Mit sensibler Materialwahl und farbigen Stahltreppen ist in die historische Substanz zeitgenössische Leichtigkeit eingezogen.
Ein Haus für nur einen Euro? Das klingt zunächst unseriös – entscheidend ist jedoch die Lage. Mit dem italienischen Immobilienprogramm Case a 1 Euro sollen über den Schnäppchenpreis kleine, von Entvölkerung betroffene Gemeinden belebt und verlassene, heruntergekommene Häuser wieder in die Hände engagierter Besitzer*innen gebracht werden.
Der symbolische Kaufpreis ist natürlich an Bedingungen geknüpft: So muss das Haus renoviert und innerhalb von drei Jahren wieder bewohnt oder genutzt werden. Damit will sich unter anderem das sizilianische 6.000-Einwohner*innen-Städtchen Sambuca di Sicilia vor dem nagenden Verfall retten. Denn obwohl es 2016 zum „Borgo dei Borghi“, dem schönsten Dorf unter den Dörfern Italiens, gewählt wurde, zerbröckelt und zerbröselt in jeder Fassadenreihe unbewohnter, historischer Bestand. Schuld ist die Geschichte: 1968 gab es ein großes Erdbeben – und anstatt ihre Häuser wieder aufzubauen, entschieden sich viele Einwohner*innen für den Neubau an anderer Stelle.
Wohnen und urlauben
Das in Palermo und Malta arbeitende Architekturstudio Didea bekam die herausfordernde Aufgabe, dort ein Modernisierungsexempel zu statuieren. Mitten im historischen Zentrum von Sambuca und eingebettet in die Stadtmauern liegt eines der einst ruinösen 1-Euro-Häuser, das sensibel, minimalinvasiv und mit geringem Budget wieder in einen bewohnbaren Zustand zurückgeführt werden sollte. Initiiert wurde das Projekt als Fallstudie in Zusammenarbeit mit Airbnb – mit dem Ziel, einen Ort zu schaffen, der die Kultur des Kontextes erlebbar macht und ein Refugium für Reisende bietet. „Viele der Menschen, die hier Häuser kaufen, gestalten sich darin Wohnraum, in dem sie mehrere Monate im Jahr selbst leben. Die restliche Zeit vermieten sie ihn an Gäste“, erläutert Leonardo Ciaccio, der Bürgermeister der Gemeinde.
Farbsensibler Neuanfang für die Ruine
Die Aufgabe war für die Architekt*innen durchaus anspruchsvoll: Teile der Böden waren bereits eingestürzt, Feuchtigkeit hatte sich in die Bausubstanz gezogen und von technischer Infrastruktur wie Versorgungsleitungen fehlte jede Spur. Hinzu kam ein komplex zu organisierendes Raumlayout auf L-förmigem Baugrund und über drei Etagen. Auf der Habenseite standen jedoch die charmanten Baudetails: rohe Natursteinmauern, historische Elemente wie dekorative Bodenfliesen und Holzböden sowie sakral anmutende Gewölbedecken. All dies wurde möglichst originalgetreu restauriert. Gleichzeitig wurde der Grundriss geöffnet, sodass jede Etage nun offene und ineinanderfließende Räume bietet. Zur Erschließung stellte Studio Didea Einbautreppen aus Metall zwischen den Geschossen an den Wänden auf. Ein monochrom rotes Modul führt vom Erdgeschoss in die erste Etage mit Küche, eine grüne Treppe hinauf unter das Dach.
Ein babylonisches Dorf in Sizilien
Als skulpturale architektonische Elemente setzen die Treppen einen klaren Kontrast zu den erdigen, warmen Farben des Interieurs. Bewusst nutzten die Gestaltenden Holz, sandfarbenen Stein und beige gestrichene Wände, um das durch die traditionell kleiner ausgeführten Fenster einfallende Tageslicht maximal auszunutzen. Auch die perforierten Treppenwangen und transluzenten Türen leiten Licht ins Innere.
„Etwas, das bereits existiert, wiederherzustellen, ist an sich ein Akt der Nachhaltigkeit. In Sambuca ist es uns gelungen, einem Stück traditioneller Architektur, einem authentischen Ausdruck lokaler Kultur, der vom Verschwinden bedroht war, neues Leben einzuhauchen“, resümiert Nicola Andò, Mitbegründer von Studio Didea. Die Auseinandersetzung mit Ort und Erbe ist aber nicht nur ein Dienst an der lokalen Architekturgeschichte – sie adressiert wohl auch das richtige Publikum. Nach ein paar Jahren Case a 1 Euro in Sambuca zieht der Bürgermeister ein durchweg positives Resümee: „Heute haben viele Menschen aus der ganzen Welt Häuser in Sambuca. Und diese Menschen haben eine kleine, internationale Gemeinschaft gegründet, die sich ganz wunderbar in die lokale Bevölkerung integriert hat“, findet Leonardo Ciaccio.
FOTOGRAFIE Chiara Zalla
Chiara Zalla
| Projektname | 1 Euro House |
| Entwurf | Didea |
| Auftraggeber | Airbnb |
| Leistungen | Renovierung & Innenarchitektur |
| Ort | Sambuca di Sicilia, Sizilien |
| Fläche | 135 Quadratmeter |
| Fertigstellung | 2022 |
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