DMY 2014: Zurück auf Los
Wir haben uns auf dem Berliner Designfestival DMY umgesehen und stellen fest: Draußen war es besser.

Berlins Designszene stand fünf Tage lang Kopf, Designenthusiasten arbeiteten einen Parcours aus eindrucksvollen Events ab, mit dem Designfestival DMY im Zentrum. So oder so ähnlich würde man die Berlin Design Week gerne zusammenfassen. Ob es wirklich so war, erzählen wir Ihnen in unserem Nachbericht.
„Wirtschaftsmotor, Denkfabrik und kreatives Drehkreuz für Designer aus Deutschland und der ganzen Welt“, ist das DMY International Design Festival nach eigener Aussage. DMY ist „ das wichtigste Festival seiner Art“. Von diesem Anspruch bewegt, ging es für die Besucher nach Betreten des Hangar 6 im Tempelhofer Flughafen nicht geradewegs zu den Ausstellern. Nein, Rast gönnte man ihnen, im Café gleich gegenüber des Eingangs. Und wer die nicht brauchte, dessen Blick wandte sich nach links zu einem bewachten Zaun. Will man…darf man da hin? Vielleicht später? Hinter der Absperrung präsentierte der DMY die Einreichungen zum Designpreis der Bundesrepublik Deutschland.
Verformtes Glas und bescheidene Bühnen
Gleich rechter Hand des Eingangs reihten sich schließlich die Aussteller in loser Abfolge aneinander: in der Summe 150, vertreten durch 500 nationale und internationale Designer und 15 Universitäten, verteilt auf zwei Hallen. Und es gab sie, die kleinen Highlights des Festivals: Rachel Griffin von Earnest Studio etwa, die aus Bruchstücken der Natursteinindustrie dekorative Schalen herstellt. Oder das Projekt Flowers for Slovakia, das seine Möbelkollektion Lost & Found zeigte, die in einer Kooperation von Vitra mit 15 talentierten Designstudenten aus Bratislava entstanden ist. Ebenso erwähnenswert, sind die Glasobjekte von Samesame, die handelsüblichen Glasflaschen durch individuelle Umformung einen neuen Nutzen etwa als Karaffe, Vase oder Trinkbecher geben, ohne dabei die Ursprungsform komplett zu verfälschen. Gut beraten waren die beiden Designerinnen Aoi Yoshizawa und Hye Jin Ahn von Studio000, die aus Helsinki lediglich mit Handgepäck und ihren beiden Stühlen Line/Surface, verpackt im Format von Aufgabegepäck, anreisten. Ihre Pappkisten bildeten dabei die bescheidene, dennoch gelungene Bühne für ihre Ausstellungsstücke, wie man sie auf dem DMY so oft vermisst hat.
Räder für den Alltag und Sperrholz ganz anders
Durchweg professionell aufgestellt waren die Stände der Designschulen. Die Lund University School of Industrial Design zeigte in drei Abschnitten unter anderem The Lund Bike Workshop (One) mit Entwürfen für Fahrräder des Alltags, in adäquat zeitgemäßer Form und angepasst an drei verschiedene Radfahrertypen. One Life? Geiger Counter (two) ist das Ergebnis von Jiang Qian im jährlichen NASA-Projekt – eine künstlerische Installation, die das Verhältnis zwischen Weltraumstrahlungsgefährdung und menschlicher Weltraumaktivitäten untersucht. Den innovativen Umgang mit LED-Technik erforschte das LED-Project (three) – darunter eine fast marktreif konstruierte Pendelleuchte in mehreren Ausführungen je nach Anwendungsort. Studierende der Fachhochschule Potsdam stellten Möglichkeiten vor, wie Sperrholz auf unterschiedliche Weise in Form gebracht werden kann: Gestepptes, gewelltes oder versetzt geleimtes Furnier wurde zu Schränkchen, Hockern oder Aufbewahrungskisten verarbeitet.
Zurück zu den Ursprüngen
Andere Sektionen des DMY überzeugten hingegen weniger: Etwa der neue Schwerpunkt Social Design – das war zwar gut gemeint, doch das Gezeigte wirkte kaum relevant. Genauso wie Design - Based in Brandenburg, der mühsam zusammengesucht zu sein schien. Brandenburg ist eben keine Designhochburg und Herkunft allein kein Qualitätsgarant. Ebenso wenig gelungen, weil nicht kompatibel mit dem Festivalformat: die nachlässig präsentierte Ausstellung aller Einreichungen zum Designpreis der Bundesrepublik Deutschland. Große Autos und technische Anlagen vertragen sich schwer mit jungem Design. Vom „wichtigsten Festival seiner Art“ konnte also keine Rede sein, und so bleibt nur die Empfehlung für das nächste Jahr: DMY, besinne dich auf dein Spektrum, deinen Ursprung und zeige die jungen Talente – gern so schroff und so wenig perfekt du es kannst.
Wie man Menschen mit Design wirklich in Bewegung versetzen kann, führte indes die Berlin Design Week an den Tagen rund um das Festival vor: Denn da draußen passierte es plötzlich, das junge Design, in den Studios, Showrooms und Shops dieser Stadt. So versammelte sich etwa am Donnerstagabend eine Gruppe Menschen in der Oranienstraße, wo Designer Mark Braun in der temporären Schaufenstergalerie SOX eine Installation aus dem Regal 4+1 und einem Trinkbecher für eine Ginmarke präsentierte. Bei Rosenthal auf dem Ku´damm wurde eine Werkschau mit Produkten von Sebastian Herkner eröffnet. Die Möbelwerkstatt Bettenbartmann am Hermannplatz lud zu drei Tagen Sommerfest und Pop-up-Store in die Maison Moustache. Und am Freitagabend ließen zur Nachtschicht – Berlin Design Night wieder knapp 40 Berliner Agenturen, Studios und Shops den Blick hinter ihre Kulissen zu. Zu Fuß, per Rad und U-Bahn oder chauffiert in Shuttlebussen ging es zu Supergrau und Nulleins nach Mitte, Coordination, FontShop und 908video in Kreuzberg oder zu Studio Joa Herrenknecht nach Friedrichshain. Dass man da den einen oder anderen Designer ganz unverhofft und in bester Festivallaune traf, verstand sich fast von selbst.
FOTOGRAFIE Markus Hieke
Markus Hieke
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