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Genähte Systemmöbel

Raphael Klug macht Pappe zum schlüssigen Material für nachhaltiges Möbeldesign

Klassische Pappe kann sich durchaus als nachhaltiger Werkstoff für hochwertig gestaltete Möbel bewähren. Das zeigt die Serie „Hidden:Papers“ des Designers Raphael Klug, der Pappe auf innovative Weise neu interpretiert.

von Kathrin Spohr, 05.05.2025

Auf den ersten Blick scheint die Kollektion mit ihren robusten, farbigen Röhrenelementen den Charme von Kunststoffmöbeln der 70er-Jahre aufzugreifen. Der Kölner Designer nutzt jedoch ganz simple Papprohre aus Industrieabfall als Basis für seine modular aufgebauten Systemmöbel: Stühle, Regale, Tische. Durch die clevere Materialkombination mit Linoleum sowie eigens entwickelte, innovative Konstruktionslösungen wird der Werkstoff überzeugend für neue Anwendungen erschlossen.

Materialverbund durch Nähte
Ein zentraler Aspekt der Nachhaltigkeit und zugleich das Kernstück der Kollektion ist der lösbare Materialverbund, der vollständig ohne Klebstoffe auskommt: „Die Möbeloberflächen bestehen aus farbigem Linoleum, das mit Papierkordel unter Spannung um die Pappröhren vernäht ist. Dazu wird das Linoleum zunächst mit der Kordel verbunden und anschließend über die Pappe gestülpt“, erklärt Klug. Im Spritzgussverfahren gefertigte, skalierbare Knotenpunkte aus schwarzem, recyceltem Kunststoff (PP-Rezyklat) ermöglichen eine unkomplizierte und schnelle Montage. Alle Teile lassen sich einfach austauschen, reparieren oder ersetzen: mithilfe eines 5-Millimeter-Inbus-Schlüssels zum Zerlegen und eines Küchenmessers, um die Naht aufzuschneiden. So kann beispielsweise auch das Linoleum bei Bedarf gewechselt oder die Farbe angepasst werden.

Material der Abfallströme
Dank einer guten Vorbereitung konnte Raphael Klug sein cleveres Konzept in nur 12 Wochen als Bachelor-Arbeit an der KISD (Köln International School of Design) ausarbeiten. Mit einem Background als Möbeltischler fokussierte er sein Studium an der Hochschule auf nachhaltiges Produktdesign. So hat die Entwicklung von Hidden:Papers von Anfang an einen klaren Ansatz gehabt. „Ich bin bewusst zunächst zwei Schritte zurückgegangen und habe mir ein Material angeschaut, das schon lange ein fester Bestandteil unserer Abfallströme ist: Pappe“, sagt Klug.

Lücken schließen
Eine interessante Wahl und eine Herausforderung zugleich. Denn trotz ihrer vielseitigen Eigenschaften – Stabilität, Leichtigkeit, geringe Kosten und hervorragende Kreislauffähigkeit – hat Pappe in der Möbelgestaltung bisher nur begrenzt überzeugt. Ihr Einsatz beschränkt sich meist auf zwei Extreme: Zum einen gibt es Möbel, die vollständig aus Pappe bestehen. Diese nutzen zwar einige positive Materialeigenschaften wie Leichtigkeit und Flexibilität, doch ihre eingeschränkten Oberflächenqualitäten – insbesondere auch in Bezug auf Feuchtigkeit – zählen zu den Nachteilen. Möbel aus Vollpappe wirken meist provisorisch und werden daher eher für temporäre Designlösungen verwendet. Zum anderen findet Pappe Verwendung im Bereich „Fast Furniture“, meist als verborgenes Kernmaterial unter verklebten Schichtstoffen. „Dadurch werden zwar die Ästhetik und die Oberflächeneigenschaften verbessert, doch die nachhaltigen Vorteile der Pappe gehen durch die irreversible Verbindung der Materialien verloren“, erklärt Klug. „Die Idee von Hidden:Papers ist es, eine Brücke zwischen diesen beiden Kategorien zu schlagen. Das Ziel: die Nachteile von Pappe auszugleichen und ihre Potenziale in einem modularen und kreislauffähigen System zu nutzen.“

Ästhetische Qualitäten
So sind die verwendeten Papprohre – ausschließlich Abfälle aus der Kunststoff- und Textilindustrie – im lösbaren Materialverbund und die skalierbaren Knotenpunkten schlau kombiniert: Durch die Bespannung mit Linoleum erhalten die Papprohre eine strapazierfähige Oberfläche. Das Naturmaterial verleiht außerdem die entscheidende ästhetisch hochwertige Qualität, während die Pappe weiterhin ihre Rolle als Konstruktionsmaterial erfüllt. Insgesamt hat Raphael Klug 15 verschiedene Knotenpunkte aus dem recycelten Kunststoff entwickelt, welche die Röhrenelemente stabil verlängern oder solide Eckpunkte setzen. Durch diese unterschiedlichen Knotenpunkte entsteht ein Baukasten der Möglichkeiten zur individuellen Möbelgestaltung. Sie alle nutzen ein Spreizsystem, das die Pappe spannungsfrei fixiert und so eine belastbare, modulare Bauweise gewährleistet.

Materialien neu bewerten
Der junge Gestalter, der im Februar 2025 mit Hidden:Papers sein Diplom an der KISD absolviert hat, versteht seine Möbelserie nicht nur als Systemprodukt, sondern als umfassenden, innovativen Ansatz für Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit. „Hidden:Papers soll dazu anregen, Materialien neu zu bewerten und nachhaltige Lösungen in der Gestaltung voranzutreiben“ , so Klug. Seine Idee ist bereits für den Green Concept Award 2025 nominiert.

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