Give Love back: Ping Pong mit Ata
Museumsausstellung über Werk und Wirken des Frankfurter Szeneknotenpunkts Ata Macias.
Die Sammlung raus, und rein mit dem Leben. Wenn ein Museumsdirektor den Bestand wegräumt, werden Beteiligte und Beobachter für gewöhnlich nervös. Ata Macias schweigt geduldig, als Matthias Wagner K, Direktor des Frankfurter Museum Angewandte Kunst, vom „Museum als Möglichkeitsraum“ und von „kulturellen Prozessen“ spricht, die es darzustellen und zu verstehen gelte. Die ständige Sammlung ist seit dem Vorjahr weggepackt, die Räume freigeräumt für die vielschichtige Frage, „was angewandte Kunst heute sein kann“. Seit kurzem zu sehen: die Ausstellung Give Love Back. Ata Macias und Partner.
Mit Prozessen, Möglichkeiten und vielfach Verwobenem kennt Ata Macias sich aus. Er war und ist DJ, Clubbetreiber, Restaurantschöpfer, Barbesitzer, Koch und Macher und vermutlich noch vieles mehr. Seit mehr als 20 Jahren hinterlässt der 46-Jährige mit griechischen Wurzeln in Frankfurt und Offenbach seine Spuren. Sein Club Robert Johnson gehört seit Jahren zu den Feinsten und Coolsten, taucht oben in den internationalen Rankings auf. 1999 hat er in Frankfurt Bergman, den ersten Concept Store in Deutschland, aus der Taufe gehoben. Und in den vergangenen beiden Jahren im berüchtigt rauen Bahnhofsviertel mit anhaltendem Erfolg gastronomische Versuchsorte konstituiert. Nun also geht es weg von der Straße, ab in den weißen Richard-Meier-Museumsbau.
Macht es nicht Angst, wenn man plötzlich vom DJ zum Künstler stilisiert wird?
Ata Macias: Am Anfang war für mich die Anfrage für die Ausstellung schon erstaunlich. Nach den ersten Meetings habe ich dann verstanden, wie mein Schaffen vielleicht auf andere wirkt. Es ist toll, wenn man das von einer anderen Seite hinterfragt bekommt. Auf einmal ist man dann Künstler, ohne es zu wollen.
Du bist also jetzt Künstler?
Nein. Eigentlich ist doch jeder Mensch ein Künstler. Natürlich kenne ich Künstler, die sich die ganze Zeit mit Kunst beschäftigen. Ich beschäftige mich mit meinem Leben. Dass mein Leben nun als künstlerische Darbietung verstanden wird, ist irgendwie krass. Aber wenn man so sieht, was alles passiert ist und mit wem, dann haben die beiden Kuratorinnen Mahret Kupka und Eva Linhart schon recht. Im Grunde wollten sie ausstellen, wie ich ticke.
Werden deine Gedanken denn hier im Museum sichtbar?
Das ist natürlich schwierig, dieses Ping Pong mit Freunden und Partnern auszustellen. Dieses zusammen kochen oder Musik machen, oder gemeinsam Poster und Plakate zu entwickeln. Man kann eigentlich nur das Ergebnis sehen. Spannend ist vielleicht, dass ich nie ein Einzelgänger war. Für Einzelgänger wird es schwer in unserer Gesellschaft. Gerade beschäftige ich mich wieder mit Gemeinschaften und Genossenschaften. Genauso war ja auch der Club Michel gedacht, als Pool von Leuten, die zusammen kochen.
Wo kommen deine Ideen her?
Ich habe mir natürlich viel abgeschaut. Wenn ein Künstler sagt, er schaut nichts ab, dann lügt er. Jeder Mensch rennt mit offenen Augen durch die Welt und schnappt Ideen auf. Und irgendwann werden sie dann verarbeitet.
Auch sein Laden Bergman hatte eine Referenz. Colette in Paris machte als Erster seiner Art von sich reden. Als Bergman in Frankfurt eröffnet wird, ist Philipp Mainzer von e15 dabei. Schon da wird erkennbar, wie wichtig Partner und ein weitreichendes Netzwerk sind, und wie erfolgreich Ata Macias drin ist, solche Verbindungen zu knüpfen und zu pflegen. Der Künstler Tobias Rehberger gehört seit der ersten Ausgabe des Club Michel dazu. DJ-Legende Sven Väth schaut immer wieder im Robert Johnson vorbei. Es geht um Menschen, Freunde und deren Wohlergehen, aber auch den wirtschaftlichen Erfolg. Das Label Ataversum ist vielleicht eine Kategorie zu hoch gegriffen, doch Ata Macias hat eine wohldosierte Mischung aus Empathie und Kommerz gefunden, die auch im Museum spürbar ist.
Dort stapeln sich schwarz lackierte Spanplatten, fette Bassboxen und bunte Neonleuchten. Eine Arbeit des Künstlers Michael Riedel, ein 1:1-Abbild des Robert Johnson von 2004, „ein Bausatz, schon an einen Sammler aus Köln verkauft“. Im nächsten Gebäudetrakt dann eine Variante des Concept Stores. Streetwear, Tableware, eine Konzeptküche und Kleinmöbel. Feine Editionen aus Holz, Glas, Keramik, Leder. Während der Ausstellung und direkt dort alles zu kaufen. Auch die meterlange Regalwand mit Atas Plattensammlung. Der Concept Store sei keinesfalls eine Erweiterung des Museumsshop, sondern essentieller Bestandteil des Ausstellungskonzepts. So wollen es die Kuratorinnen verstanden wissen.
Wie war das damals mit dem Bergman?
Colette als Vorbild war elitär und hochpreisig, wir aber wollten von Anfang an auch Artwear und Clubwear dabei haben. Nach drei Jahren haben wir schwarze Zahlen geschrieben, nach fünf Jahren wurde der Shop dann leider verkauft. Wir haben einfach keine passenden Mitarbeiter gefunden. Frankfurt war auch von den Käufern her ein schwieriges Pflaster. Marc Jacobs hing am Anfang wie Blei.
Was sind die nächsten Pläne? Es war von Umzug auf die Farm zu lesen.
Ich bin einfach kein kommerzieller Typ. Sobald es zu viel wird, steige ich in die Hängeschaukel, bin weg. Ich habe sehr viel gemacht hier und war erfolgreich. Mich interessiert meine Familie, mein nächstes Leben. Entweder gebe ich noch mal richtig Gas die nächsten zehn Jahre oder ich ziehe mich zurück. Das ist im Moment mein primäres Ziel. Ich möchte meinen Kindern etwas Anderes zeigen. Meine Freundin will das auch. Auf Sardinien haben wir ein sehr schönes Grundstück gefunden.
Wie oft warst du eigentlich vor deiner Ausstellung im Museum?
Ehrlich gesagt nur einmal, bei der Plakate-Ausstellung von Tobias Rehberger. Wir haben ja dann zusammen die Partys gemacht. Ich weiß aber, dass das Museum ziemlich eingestaubt war, nicht zugänglich. Was hier unter Matthias Wagner K passiert ist, ist einfach unglaublich. Zum Glück ist das Museum jetzt wieder freigelegt.
Das Ausstellungskonzept ist keine universelle Blaupause, der Concept Store im Museum keine Dokumentation. Handbemalte Sneakers statt exklusiver Designmöbel-Prototypen? Preisschilder statt wissenschaftlichen Objektbeschreibungen? Toilettenräume als erweiterte Ausstellungsfläche? Oberfläche statt Reflektion? Mit diesen Verunsicherungen fängt der Spaß erst an. Die Suche nach Bedeutung und Zukunft der angewandten Kunst geht endlich über die Objekte hinaus und macht bei den Prozessen noch nicht halt. Hier wird mehr mit Fragen provoziert als Antworten gegeben. Das kann man gewagt oder fortschrittlich forschend finden, unterhaltsam ist es allemal.
Give Love Back. Ata Macias und Partner
Bis 11. Januar 2015 im Museum Angewandte Kunst, Frankfurt am Main