Stories

Pimp my Klassiker

von Kathrin Spohr, 24.06.2008

Wir leben in einer ziemlich rasanten, globalen Welt. Lebensanschauungen und Trends wechseln schnell und Produktlebenszyklen werden immer kürzer. Die Multi-Optionalität macht uns zuweilen orientierungslos. Der Markt verlangt stets nach Innovationen, um neue Begehrlichkeiten zu wecken. Was geschieht also, wenn ein Unternehmen eine Ikone geschaffen hat, die sich über Jahrzehnte als Bestseller zum Klassiker etabliert hat? Was ist ein moderner Klassiker und welchen Wert hat Klassik in einer transversalen Kultur? Diesen Fragen gingen am 29. Mai 2008 Vertreter aus Kunst, Design und Wissenschaft auf dem ersten Symposium der „Dornbracht Conversations“ in Iserlohn nach.
(Der , ein Film und ein Film geben weiteren Einblick in die Veranstaltung)
Das neue Leben der Tara
Auch ein Jahrhundertwurf wird irgendwann einmal nach alter Schule aussehen, weil sich seine ästhetischen Kontexte verändern und weiter entwickeln. Kann man aber ein solches – fast heiliges – Produkt trotz Erfolg in Frage stellen? Darauf die Antwort des Armaturenhersteller Dornbracht: die Verfeinerung des Armaturenklassikers Tara. „Tara sah nicht alt aus, sondern nur etwas überzeitlich“, erklärt Mike Meiré, verantwortlich für die Markenkommunikation von Dornbracht. Das Verständnis von Proportionen im architektonischen Umfeld Bad hat sich eben leicht geändert. So ist die neue Tara keine spektakuläre Innovation, sondern eine subtile Verbesserung. Auf den ersten Blick kaum sichtbar. Doch könne man das Ergebnis erspüren, so Dornbracht Geschäftsführer Andreas Dornbracht. Unter dem Motto „Einen Klassiker verändert man nicht. Man verfeinert ihn.“ wurden die Durchmesser von Griffen und Rosetten der Tara reduziert, die Armatur verlängert – eigentlich nur um Millimeter. Aber diese Kleinstarbeit an den Konturen lässt die Tara schlanker, aufrechter und filigraner aussehen. Darüber hinaus wurden neue Oberflächen definiert: Die Black Edition und White Edition zeigen erstmals schwarz matte und weiß matte Oberflächen. Hinzu kommt auch eine Reihe technischer Verbesserungen, die sich in der Armatur verbergen: ein Luftsprudler aus Kunststoff mit Antikalk-System etwa sorgt für einen satteren Wasserstrahl. Solche Designharmonisierungen sind in anderen Bereichen durchaus üblich: Alle großen Marken lassen beispielsweise ihre Logos alle fünf bis zehn Jahre leicht überarbeiten, um sie dem aktuellen Zeitgeschmack anzupassen. Warum nicht auch Produktikonen?
Produkt der Superlative
1992 brachte das Iserlohner Familienunternehmen die Armatur Tara mit der archetypischen Formensprache – zwei Kreuzgriffe und ein schwenkbarer Rohrauslauf – auf den Markt. Sieger Design hatte die prägnante, sympathische Armatur gestaltet, sehr modern und geometrisch. Tara entwickelte sich zum Verkaufsschlager der Branche, eröffnete Dornbracht neue Märkte. Sie ist das erfolgreichste Produkt, das Dornbracht bislang auf den Markt brachte. Mehr noch: „Für viele, die den Namen Dornbracht hören, ist damit das Bild einer Tara verbunden“, sagt Dornbracht. Die Armatur ist auch das am meisten kopierte Produkt der Branche – mehr als 250 Hersteller weltweit hängen sich mit Kopien oder Tara-inspirierten Produkten an den Erfolg an.
Andere Anknüpfungspunkte
Die Entscheidung, ein Produkt lieber zu optimieren, anstatt es komplett zu relaunchen, es also immer auf der Höhe der Zeit zu halten, ist ein Anspruch, der mehr und mehr an Bedeutung gewinnt. Der niederländische Architekt Ben van Berkel spricht beispielsweise von der „Qualität verborgener Attraktionen“, die uns künftig häufiger bei Produkten und Möbeln begegnen werden und die es zu entdecken gilt. Das macht eine Präsentation solcher Produkte natürlich nicht einfach. Wie vermittelt man ein innovatives Material oder eine Oberfläche oder irgendeine andere Produktoptimierung, wenn sie nicht offensichtlich ist? Ein Umdenken und andere Herangehensweisen an Produktkommunikation sind gefragt. Hätte Dornbracht eine Armaturneuheit gelauncht, wäre sie auf einer internationalen Badmesse spektakulär und wunderschön inszeniert worden. So aber, da ein Armaturen-Klassiker nach aktuellem Geschmacksverständnis verfeinert wurde, war alles ganz anders. Es wurde eine neue Veranstaltungsreihe initiiert, ein Symposium, das sich dem Dialog zwischen Kunst, Design und Kultur widmet: Die erste Ausgabe dieser „Dornbracht Conversations“ brachte denn auch gleich das Thema, das Dornbracht zuvor intern geführt hatte aufs öffentliche Podium: „Was ist ein Klassiker und welchen Stellenwert hat Klassik in einer transversalen Kultur?“
Innovation findet im Kopf statt
Klassiker, so einigte sich die hochkarätig besetzte Talkrunde – Designer Stefan Diez, Künstler Tobias Rehberger, Professorin für Kunst- und Designgeschichte Gerda Breuer sowie Designautorin Sophie Lovell –, seien zu einem großen Teil eine Erfindung der Medien und Kritiker. Sie seien Fixpunkte in einer komplexen, von Veränderung bestimmten Welt. Außerdem entpuppten sich Klassiker auch als Stolpersteine, insbesondere für junge Designer, weil sie sich an ihnen messen, anstatt sich auf aktuelle Fragestellungen, die Codes der Gegenwart zu beziehen. Während also auf dem Podium der Klassiker von seinem Sockel diskutiert wurde, fand im gleichen Raum die Auseinandersetzung mit dem Thema auf einer anderen Ebene statt: In einer Installation, um die herum die Gäste während der „Dornbracht Conversations“ treppenartig verteilt saßen: Die Ausstellung zeigte Stuhlikonen von Le Corbusier, Thonet oder Donald Judd im Dialog mit Modellen, die Tobias Rehberger nach Stuhlskizzen, die er selbst aus dem Gedächtnis gezeichnet hatte, von verschiedenen Schreinern in Afrika hatte bauen lassen. Rehbergers Interesse galt der Erinnerung und den Übersetzungslücken, die bei der Umsetzung entstehen und den Klassikern wieder ein anderes Gesicht geben. „Der Erfolg eines Unternehmens ist heutzutage davon abhängig“, erklärt Andreas Dornbracht, „in wiefern es fähig ist, Strukturen zu verändern.“ Eine Strategie, die bei Dornbracht derzeit auch architektonisch sichtbar wird: Es wird nämlich an einem Modulpark auf dem Gelände in Iserlohn gebaut, der bis 2011 fertig gestellt sein soll. Die Eröffnung des ersten Kommunikationsmoduls, ein Veranstaltungs- und Produktshowroom, wurde mit der neuen Tara und dem Start der „Dornbracht Conversations“ gefeiert. – Produktinnovation braucht neue Kontexte. Zum Beispiel den Diskurs.
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