Alexander von Boch
Dr. Alexander von Boch ist Art Director für Fliesen bei dem Keramikhersteller Villeroy & Boch, einem Familienunternehmen aus Mettlach das eine 250 Jahre dauernde Tradition vorweisen kann. Er gehört zur achten Generation der Familie von Boch und ist seit 1979 für das Unternehmen tätig. Seine Karriere begann er in der Fertigung der Keramikabteilung, wo er die Techniken und Anforderungen bei der Herstellung keramischer Produkte kennenlernte. Aus der Produktion wechselte er in den Vertrieb und eignete sich Grundlagen in Verkauf und Vermarktung an, die er in der Marketingabteilung eines renommierten Herstellers von Wasch- und Reinigungsmitteln weiter ausbaute. Nach der Rückkehr zu Villeroy & Boch übernahm er die Betreuung des Objektmarktes und arbeitete mit Planern und Architekten zusammen. Schließlich folgte der Wechsel ins Produktionsmanagement, wo er seither als Art Director für das Design der Fliesen verantwortlich ist. Wir sprachen mit Dr. Alexander von Boch über die Faszination von Keramik, ihre ökologischen Aspekte und über den Einfluss von Architekturstilen auf die Fliesengestaltung.
Herr von Boch, Sie sind Art Director der Villeroy & Boch Fliesen GmbH und beschäftigen sich hauptsächlich mit dem Material Keramik. Was fasziniert Sie an diesem Material?
Keramik ist ein faszinierendes Material. Fast alle Farben lassen sich hierauf realisieren. Es ist ein Material, das sich sehr gut modulieren lässt, ein Grund warum so viele Künstler mit ihm arbeiten. Es ist aber ein natürlicher Rohstoff – ein wichtiges Thema, denn die Verwendung von natürlichen Materialien gewinnt zunehmend an Bedeutung. Das Material ist sehr hygienisch, pflegeleicht und es stellt kein Problem für Allergiker da. Einen großen Vorteil hat es auch im Objektbereich, da es dank seiner Herstellungsweise nicht brennbar ist – denn es wurde ja bereits bei mehreren hundert Grad im Ofen gebrannt. Diese Tatsache ist ein Beitrag zur Sicherheit, wenn Sie z.B. an Gänge in Hotels denken. Wegen diesen Eigenschaften findet Keramik in vielen Bereichen Anwendung. Außerdem gehört ihre Herstellung zu den ältesten Handwerkstechniken der Menschheit.
Nachhaltigkeit spielt bei der Herstellung von Fliesen eine Rolle?
Der Begriff Nachhaltigkeit kommt ja ursprünglich aus der Forstwirtschaft und bezieht sich auf die Bewirtschaftung des Waldes, in dem nur so viel Bäume gefällt werden, wie nachwachsen können. So wird der Wald nie vollständig abgeholzt. Keramik besteht aus Rohstoffen des Erdbodens, wie Quarz, Ton, Felsspat und Kaolin, die alle natürlich und recyclebar sind. In unserer Produktion werden die Abfälle, also beispielsweise eine Fliese, die nicht Qualitätsanforderungen entspricht, in einem Rohstoffsilo zur Wiederverwertung gesammelt. Fliesenabfälle landen nicht im Sondermüll.
Arbeiten Sie auch mit dem Material Corian?
Nein, wir stehen zur Keramik. Aber wir stellen auch Badewannen her, die wir aus Quaryl produzieren. Quaryl ist, wie der Name schon sagt, eine Weiterentwicklung von Acryl - eine Kunststoffverbindung der Quarz zugesetzt wurde. Es lässt sich sehr gut formen, fühlt sich sehr gut an und hat eine porenreine Oberfläche.
Das Unternehmen Villeroy & Boch ist geprägt durch 260 Jahre Firmengeschichte. In dieser Zeit entwickelte sich das Badezimmer von einer Nasszelle zum Wohnraum. Wie veränderte sich das Design im Bad?
Die Nasszelle ist eigentlich ein Thema der Nachkriegszeit. Vor dem Krieg waren die Bäder sehr schön, und wenn man an den Jungendstil denkt, auch sehr prachtvoll. Nach dem Krieg als alles zerstört war, spielte die Ästhetik und das Design nur eine untergeordnete Rolle. Es war wichtig, Wohnraum zu schaffen und das so rasch und praktisch wie nur möglich. Blickt man zurück, lässt sich gut verfolgen und nachweisen, dass die verschiedenen Architekturstile und -epochen, wie Romanik, Gotik, Barock, Renaissance, Klassizismus, Jugendstil, das Bauhaus oder der Minimalismus - um nur ein Paar zu nennen, die Optik der Fliese und teils auch des Sanitärs als Elemente der Architektur beeinflusst haben.
Inwieweit beeinflusste die Architektur das Baddesign?
Bei der Fliese können wir beispielsweise feststellen, dass in der Zeit des Klassizismus im Dekor klassizistische Elemente aufgenommen wurden. Es herrscht eine starke Parallelität zwischen dem, was der Architekt schafft, der in unseren Landen die Ästhetik sehr stark geprägt hat und immer noch prägt, und den Produkten, die in der Architektur verwendet werden. In unserem Unternehmen haben wir fortwährend die Architektur sehr genau beobachtet, denn bei uns spielt Ästhetik und Design traditionell eine große Rolle. Wir standen immer in Kontakt mit bedeutenden Architekten, die die jeweiligen Stile mitprägten. So kam z.B. Karl Friedrich Schinkel zu uns nach Mettlach. Und Henry van de Velde, der den Jugendstil stark beeinflusst hat, und auch der Architekt Peter Behrens haben für uns Fliesen entworfen. Ästhetik spielt für uns eine große Rolle. Deshalb haben wir stets die Architektur interessiert beobachtet und sie hat unsere Produkte mitgeprägt.
Mit welchen Architekten oder Designern arbeiten Sie heute zusammen?
1975 setzten wir mit Luigi Colani bei einer Sanitärkollektion neue Akzente. Damals war es revolutionär, die Ergonomie im Bad zu berücksichtigen und aus einem Sanitärartikel ein Kunstobjekt zu schaffen. In jüngerer Zeit haben wir mit Kenzo zusammengearbeitet, der sehr erfolgreich mit seiner Mode ist. Kenzo hat für uns wunderbare Designs geliefert.
Welche Philosophie steht hinter Villeroy & Boch?
Ein Bad kauft man sich vielleicht ein oder zwei Mal im Leben, im Gegensatz zu einem Auto oder einem Anzug. Es ist etwas ganz anderes sich Kleidung zu kaufen, denn damit erwirbt man Endprodukte, die häufiger im Leben verwendet werden. Aber ein Bad einzurichten, ist eine große Herausforderung. Unsere Philosophie ist, die Produkte der Marke Villeroy & Boch so aufeinander abzustimmen, dass der Kunde sich ein komplettes Bad mit den Komponenten, sprich Fliesen, Sanitärobjekte, Bade- und Duschwannen, Armaturen, Badmöbel und Heizkörpern, zusammenstellen kann. Er bekommt praktisch alles aus einer Hand, das aufeinander abgestimmt ist.
Welche Trends beobachten Sie allgemein im Baddesign?
Nachdem der Minimalismus das Design eine Zeit lang stark geprägt hat, glaube ich, dass nun dekorative Elemente und auch Farben wiederkehren. Der Minimalismus wird nach wie vor Bestand haben, aber er wird vielleicht etwas emotionaler werden. Ein neuer Trend ist aber auch Neobarock – gleichzeitig werden heute Stile miteinander gemischt. Wie in der Mode: Man trägt einen chicen Blaser und dazu eine Kordhose oder Jeans mit einer poppigen Krawatte. Eine weitere Entwicklung ist in Richtung Hochwertigkeit festzustellen und auch in Richtung Individualismus. Heute möchte jeder etwas Eigenes haben.
Wie sieht das Badezimmer der Zukunft aus?
Das Bad der Zukunft wird meines Erachtens anspruchsvoller. Der Markt wird überwiegend von Renovierungen bestimmt, da zunehmend weniger Neubauten entstehen. Wenn jemand sein Bad erneuert, wird er es besser und anspruchsvoller gestalten. Auch gibt es einen klaren Trend zum Wohnbad. So haben wir beispielsweise eine Toilette entwickelt, die in einer Bank integriert ist: die Smart Bench. Der Mensch hält sich länger als früher im Bad auf, am morgen zur ausgiebigen Morgentoilette und abends zum Entspannen. Das Bad ist ein Ort zum Regenerieren und eine Vielzahl von Produkten gehen auf dieses Bedürfnis ein, wie Whirlpools oder Dampfkabinen. Auf Emotionalität wird mehr Wert gelegt, deshalb gibt es heute beispielsweise Waschbecken in der Form von Brunnen aus denen man Wasser schöpft und aus den Armaturen fließt Wasser, wie in der Natur. Heute hat man quasi seine eigene Quelle im Bad.
Und wer setzt diese Trends bei Ihnen um?
Wir arbeiten mit eigenen, aber auch mit internationalen Designern zusammen. Für uns ist es nicht von Bedeutung, dass wir bekannte Namen unter unseren Gestaltern haben. Unsere Leute müssen gut sein und unsere Handschrift verstehen. Es gibt aber auch Projekte bei denen wir mit namhaften Designern zusammenarbeiten – dahinter stehen auch Marketinggesichtspunkte. Aber nicht nur Designer sind wichtig für die Gestaltung unserer Produkte. Denn vor allem die Fliese lebt auch von Glasureffekten. Sie können heute Fliesen herstellen, die sich optisch so gut wie nicht mehr von Natursteinen unterscheiden.
Vielen Dank für das Gespräch.
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