Klasse statt Masse
Urlaubsarchitektur-Gründer Jan Hamer im Gespräch
Vor 16 Jahren gründete der Architekt Jan Hamer die Plattform Urlaubsarchitektur. Seine Sammlung besonderer Ferienhäuser entwickelte sich zu einem Netzwerk für Vermietende und Planende. Sie ist außerdem eine wichtige Inspirationsquelle für Reisende.
Alles begann in Dänemark. Jan Hamer half einem Freund bei der Arbeit an seinem Ferienhaus. Der moderne Baustil entsprach genau Hamers Vorstellungen von einer idealen Unterkunft. Aber er musste feststellen, dass solche Objekte im Internet nur schwer zu finden waren. Zugleich hatten Vermieter*innen Probleme damit, architekturaffine Reisende zu erreichen. 2007 startete er Urlaubsarchitektur – anfangs als Blog. Inzwischen hat sich die Geschäftsidee zu einem Portal mit rund 560 Feriendomizilen von Norwegen bis zu den Kanaren entwickelt.
Herr Hamer, was war für Sie der Antrieb, Urlaubsarchitektur zu gründen?
Urlaubsarchitektur begann zu einer Zeit, in der Tourismus mit Gestaltung meist wenig zu tun hatte. Das waren irgendwie zwei Welten. Ich habe mich immer geärgert über schlecht gestaltete Unterkünfte, schlechte Architektur, für die man viel Geld bezahlt hat.
Wie hat sich das verändert?
Heute ist ein touristisches Projekt ohne Gestaltungsidee nicht mehr möglich. Es hat sich total gewandelt und das ist erst mal super. Trotzdem ist vieles, was man buchen kann, nicht wirklich gut: viel Copy-and-Paste, ohne dass der Sinn und das Konzept von Gestaltung verstanden wurden. Wir versuchen, Unterkünfte zu präsentieren, die spannend und eine Option für unsere Leser sind, um da mal hinzufahren.
Wie funktioniert Ihr Geschäftsmodell?
Im Gegensatz zu anderen Plattformen wickeln wir keine Buchung ab, sondern stellen Projekte vor, die wir interessant finden. Dafür zahlen die Häuser einen kleinen Betrag, aber wir verdienen nicht an den Buchungen. Wir mischen uns nicht in die aus unserer Sicht sehr wichtige Kommunikation zwischen Gastgebern und Gast ein. Auch der Austausch mit und unter unseren Gastgebern ist uns wichtig.
Wie kann man sich das vorstellen?
Wir gestalten aktiv ein Netzwerk durch Partner-Stammtische und -Workshops. Damit haben wir vor etwa zwölf Jahren begonnen, weil wir gemerkt haben, dass die Menschen hinter den Objekten sehr unterschiedlich sind, aber viele ähnliche Themen haben. Das erste Treffen war noch klein – mit zwanzig Leuten. Inzwischen müssen wir sie von den Teilnehmerzahlen her beschränken. Zu Hochform sind wir während Corona aufgelaufen, als alle Vermieter ratlos vor Reisebeschränkungen und Stornierungen standen. Im Netzwerk gab es beispielsweise einen Partner für Krisenkommunikation und einen Anwalt, die ihr Wissen geteilt haben. Weitere Themen sind zum Beispiel das Marketing, der Umgang mit Gästen oder die Präsentation von Objekten. Wir richten uns bei den Themen danach, wo es bei den Partnern gerade Bedarf gibt.
Wie würden Sie den typischen Gastgeber beschreiben?
Das sind einerseits viele Architekten oder Planer, andererseits Partner, die aus dem Bereich Tourismus kommen. Als dritte Gruppe: Menschen, die sich einfach den Traum einer besonderen Immobilie erfüllt haben, ein Haus gebaut oder gerettet haben. Viele sind Quereinsteiger, die sich an die professionelle Vermarktung und Kommunikation herantasten müssen. Wir haben viele Kontakte ermöglicht. Es ist superschön, dass daraus jetzt neue gemeinsame Projekte entstehen.
Gibt es einen festen Kriterienkatalog für die Aufnahme bei Urlaubsarchitektur?
Es gibt Ausschlusskriterien, aber keine Kriterien, wie man sie von touristischen Katalogen kennt. Wir bekommen viel mehr Anfragen, als wir Häuser veröffentlichen können. Wichtig ist uns, dass es eine klare Gestaltungsidee gibt, die gut umgesetzt wurde und die auch für und mit den Reisenden funktioniert.
Entscheiden Sie auf Basis von Bildern oder schauen Sie sich die Objekte persönlich an?
Das hängt vom Objekt ab. Es gibt Unterkünfte, bei denen wir anhand der Fotos und der Baubeteiligten sicher sind, dass man da Gäste hinschicken kann. Bei anderen fahren wir selbst hin oder holen Referenzen ein.
Reisen Sie dafür rund um den Globus?
Wir nehmen keine Häuser mehr auf, die außerhalb Europas liegen. Und unsere Plattform ist nicht auf Wachstum ausgelegt. Die Anzahl der Häuser liegt recht konstant bei 500 bis 600. Jeden Freitag um 12 Uhr publizieren wir ein neues Projekt. Und zum Jahresende nehmen wir Häuser raus, die nicht mehr passen.
Inzwischen veröffentlichen Sie auch Bücher.
Darin stellen wir jeweils eine Auswahl von etwa 30 Häusern vor. Die aktuellen Ausgaben sind eine Mischung aus Buch und Magazin. Während wir im Buch die Häuser zeigen, teilen wir im beiliegenden Magazin die Geschichten, die hinter ihnen stehen – von Menschen, Orten oder Konzepten. Auf diese Weise können wie die Häuser noch einmal ganz anders präsentieren. Das wird sehr positiv aufgenommen und ist ein Stück weit eine persönliche Leidenschaft.
Welche Trends sehen Sie in der Gestaltung von Feriendomizilen?
Man sieht alle architektonischen Trends auch in der Urlaubsarchitektur. Das Budget, der Ort und die verfügbaren Handwerker bestimmen zu einem Großteil mit, was und wie gebaut wird. Wo gebaut wird, hängt auch stark von den regionalen Immobilien- und Grundstückspreisen ab. Nach der Wiedervereinigung lag Ostdeutschland vorne, vor 15 Jahren etwa wurde in Norditalien viel verkauft. Gerade gibt es ein Revival rund ums italienische Mittelmeer. Eine Veränderung sehe ich in der Gewichtung von Gestaltung und Funktion. Eine Zeit lang wurden die Objekte immer größer und luxuriöser. Dieser Trend kehrt sich wieder um. Die Häuser werden kleiner, kompakter und damit nachhaltiger. Auch Wandelbarkeit wird immer wichtiger.
Wo machen Sie selbst in diesem Jahr Urlaub?
In diesem Jahr fahre ich auf meine private Baustelle, zu meinem gerade entstehenden Ferienhaus an der Elbe.