Wallisische Zwillinge
Hier droht kein Hüttenkoller: Wochenendhaus von Lacroix Chessex an der französischen Grenze.
Dieses Haus steht buchstäblich am Ende der Schweiz: in einem wenige Seelen zählenden Weiler im südwestlichen Zipfel des Landes, wenige Kilometer vor der französischen Grenze. Doch wer es bis hierher geschafft hat, auf 1315 Höhenmeter, der wird nicht nur mit großzügigen Aussichten auf die hochalpine Landschaft belohnt. Sondern darf auch einkehren in ein Musterbeispiel zeitgemäßer Alpin-Architektur – entworfen von den Genfer Architekten Lacroix Chessex.
Les Jeurs heißt das Örtchen, das zur Gemeinde Trient gehört und im französischen Teil des Kantons Wallis am Fuß des Montblanc-Massivs liegt. Hiéronyme Lacroix und Simon Chessex haben sich bei ihrem Entwurf von der lokalen Bauernhaus-Architektur inspirieren lassen, besonders von den berühmten Walliser Kornspeichern, auf Französisch Raccard genannt. Die Speicher stehen meist an steilen Hängen auf steinernen Stelzen, der eigentliche Lagerraum besteht aus Holz. Ähnlich auch das Wochenendhaus von Lacroix Chessex, das ganz aus Holz gebaut ist und auf einer Bodenplatte aus Beton über dem Tal schwebt. Eigentlich sind es aber zwei Häuser in einem, denn die Architekten haben das benötigte Volumen in zwei eigenständige Baukörper aufgeteilt, die wie siamesische Zwillinge an einer Stelle zusammengewachsen sind – in der Hoffnung, dass das Gebäude so weniger massiv in der Landschaft sitzt. Dabei stehen die beiden gleich hohen Hälften wie ein V im 45-Grad-Winkel auseinander. Bewohnt wird das Domizil von einem Ehepaar, die Musikerin und der Anwalt verbringen ihre Wochenenden in Les Jeurs.
Chalet contemporain
Das Haus ist aus unbehandeltem Tannenholz errichtet und mit dunkelgrün gefärbten Lärchenholzbrettern verkleidet – auch das eine Referenz an die Umgebung, die von den für die Alpen so typischen Nadelwäldern geprägt ist. Die riesigen Panoramafenster in den beiden Giebelfassaden und der komplexe Baukörper lassen aber keinen Zweifel daran aufkommen, dass es sich hier um die zeitgenössische Interpretation eines Chalet handelt. Auch das Dach sieht nur auf den ersten Blick wie ein einfaches Satteldach aus. Der First verläuft nicht parallel zu den Längsseiten, sondern jeweils schräg in eine Ecke. Zudem fehlt der traditionelle Dachüberstand. Die insgesamt 150 Quadratmeter Wohnfläche verteilen sich auf Erdgeschoss, Dachgeschoss und ein halb im Boden eingegrabenes Untergeschoss. Am Eingang treffen sich die beiden Volumen, das größere beherbergt im Erdgeschoss eine offene Küche und den Wohnraum und unter dem Dach zwei Schlafräume, ein Bad und eine Ankleide. In der kleineren Haushälfte sind im Erdgeschoss ein Zimmer, eine Gästetoilette und die zentrale Treppe untergebracht, im Obergeschoss ein weiterer Schlafraum und ein Bad.
Belebtes Interieur
Im Inneren setzt sich der zeitgenössisch interpretierte Alpen-Look fort, denn die Räume sind rundum mit hellem Nadelholz verkleidet, sowohl Böden als auch Wände und Decken. Feine Details wie in die Verkleidung integrierte Heizkörperabdeckungen und Wandschränke oder schwarze Steckdosen und Deckenleuchten verhindern eine allzu rustikale Atmosphäre. Belebt wird das Interieur zudem natürlich durch die Ausblicke in die hochalpine Traumlandschaft des Wallis', aber auch durch die Ein- und Durchblicke, die sich im Erdgeschoss zwischen den beiden Haushälften ergeben. Und wer nach langer Fahrt über verschneite Straßen endlich Les Jeurs erreicht hat und vor der in sich geknickten Haustür steht, weiß sofort: Hüttenkoller droht hier sicher keiner.
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FOTOGRAFIE Joel Tettamanti
Joel Tettamanti
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Gipfelglück und Pistenspaß Alpinarchitektur und Designschätze
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