3daysofdesign 2023
Die Highlights aus Kopenhagen
Ursprünglich als skandinavische Veranstaltung gestartet, ist das Festival 3daysofdesign längst international relevant geworden. Die zehnte Ausgabe erstreckte sich über 13 Designdistrikte, darunter ehemalige Industrie-Areale, umgenutzte Brauereien und opulente Paläste. Die Neuheiten aus Kopenhagen zeigen: Das Spielerische kehrt zurück, Holz ist nicht wegzudenken aus dem nordischen Design, unbekannte Entwürfe erleben ein Revival und Nachhaltigkeit ist in der breiten Mitte angekommen.
Das dänische Festival 3daysofdesign hat sich zum 10. Geburtstag das wohl schönste Geschenk selbst gemacht: Es ist neben dem Salone del Mobile zur wichtigsten Designveranstaltung weltweit avanciert – und das ganz ohne klassisches Messegelände. Das zeigte sich letzte Woche in Kopenhagen, wo rund 280 Hersteller und Brands ihre Neuheiten zeigten – in eigenen Showrooms und in teils aufwendigen Ausstellungen und Inszenierungen. Neben dänischen Platzhirschen wie Hay, Montana, &tradition und Louis Poulsen waren auch auffällig viele Unternehmen aus dem Ausland präsent, darunter Magis, Artemide, Michael Anastassiades, Pulpo, Kettal und Molteni & C.
Gubi: Aus dem Archiv geholt
Das dänische Label Gubi zeigte schon während des Fuorisalone in Mailand, das es nicht kleckert, sondern klotzt. Der riesige Kopenhagener Showroom im Stadtteil Nordhavn liegt direkt am Wasser. Und so waren an der Uferpromenade im maritimen Ambiente die neuen Outdoor-Möbel platziert – darunter auch der MR01 Outdoor Lounge Chair von Mathias Steen Rasmussen, den es nun in einer Sonderedition samt Accessoires gibt, die in Zusammenarbeitet mit der New Yorker Modemarke Noah entstanden ist. Doch das Hauptaugenmerk der Präsentation lag auf der sogenannten Archivkollektion. Dafür recherchiert Gubi regelmäßig in historischen Archiven, kooperiert mit den Familien verstorbener Gestalter und ersteigert Originale auf Auktionen, wie Marie Christine Schmidt, Chief Marketing Officer des Unternehmens, erzählte.
Die wiederaufgelegten Entwürfe sind sehr divers, was Typologie, Entstehungszeit und Material angeht. Die Kollektion umfasst zwar auch bekannte Designernamen wie Joe Colombo und Paavo Tynell, doch sollen insbesondere „die bisher nicht erzählten Geschichten erzählt werden“, so Schmidt bei einem Rundgang durch den Showroom. Das bedeutet, dass es mitunter auch Produkte in das Sortiment schaffen, die zu ihrer Entstehungszeit nicht erfolgreich waren oder gar nicht erst in Produktion gegangen sind wie der Grace Lounge Chair aus Rattan von Tove Kindt Larsen aus den Dreißigerjahren.
Dinesen: Weight of Wood
Viele der Entwürfe aus der Archivkollektion von Gubi werden aus natürlichen Materialien wie Rattan und Holz hergestellt. Weshalb Holz gerade aus dem skandinavischen Design nicht wegzudenken ist und welche ästhetischen und sinnlichen Qualitäten es besitzt, konnte man in der Ausstellung „Weight of Wood“ bei Dinesen erfahren. Der dänische Hersteller von hochwertigen Holzdielen erklärte in Zusammenarbeit mit dem Designstudio Christian + Jade sehr spielerisch die Eigenschaften von Holz. Dabei gab es nicht nur schöne Holzobjekte wie ein Schaukelpferd und eine Wippe zu sehen. Die Besucher*innen konnten die Struktur des Holzes auch ertasten, das Gewicht der verschiedenen Holzarten interaktiv erfahren, Baumblätter erraten oder sich einfach nur von dem Geruch des Holzes davontragen lassen.
Hay: Mit Farbe voran
Dass es Hay zuweilen verspielt mag, war im Showroom des dänischen Labels zu sehen, wo die Kollektion Arcs von Muller Van Severen ausgestellt war. Gab es zuerst nur Accessoires und Leuchten, wurde das Sortiment nun um Trolleys und Spiegel ergänzt – wobei auch hier das Motiv des Halbkreises und kräftige Farben wie Steel Blue, Jade Green und Auburn Red im Mittelpunkt der Gestaltung stehen. Der Chisel Lounge Chair von Andreas Bergsaker wirkt am Schönsten in einem knalligen Grün, wobei der kompakte Sessel durch die abgerundete Sitzfläche sehr knuffig wirkt, gerade in der gepolsterten Version. Organische Formen sind seit einiger Zeit wieder gefragt, das war bereits auf der Mailänder Möbelmesse zu sehen.
Man of Parts: Design-Event-Newcomer
Das erste Mal überhaupt bei einer großen Designveranstaltung mit dabei war Man of Parts. Stephan Weishaupt, Gründer des kanadisch-amerikanischen Labels, hatte sich für Kopenhagen und die 3daysofdesign entschieden, „weil es hier einfach cool ist“, wie er sagte. Als Teil der Ausstellung „Framing“ in den opulenten Räumen eines Rokoko-Palastes aus dem 18. Jahrhundert, präsentierte Man of Parts gleich zwölf Neuheiten, darunter das kompakte Sofa Rue de Babylone von Christophe Delcourt und der Klubsessel Lombard Street von Yabu Pushelberg. Neben dem kanadischen Designerduo ist es vor allem Sebastian Herkner, auf den Weishaupt setzt. Und dabei geht er durchaus gestalterische Wagnisse ein, wie das neue Sofa des deutschen Designers zeigt. Sandy Cove ist auf seiner Rückseite mit wuchtigen strebepfeilerartigen Verstärkungen versehen, was dem Sofa einen sehr markanten Look verleiht und zusätzliche Stabilität.
Ukurant 3: Junges Design erobert Kopenhagen
Abseits der eher kommerziell ausgerichteten (Showroom-) Präsentationen war der Design-Hub Refshaleøen sicherlich einer der spannendsten Orte der diesjährigen Ausgabe von 3daysofdesign, der mit seiner direkten Lage am Wasser zudem sehr atmosphärisch war. Am ehemaligen Industriestandort mit eigenem Hafen vollzieht sich seit einiger Zeit ein stadtplanerischer Wandel, wie er an vielen Stellen in Kopenhagen zu beobachten ist. Das Linienboot hält dort, wo das dänische Architekturbüro BIG das Studentenwohnheim „Urban Rigger“ gebaut hat – in Form von 72 Floating Homes. Umgeben von Tiny Houses, Cafés und dem Museum Copenhagen Contemporary präsentierte die Plattform Ukurant in einer Tischlerei Kleinmöbel, Leuchten und Objekte von jungen Designer*innen, Architekt*innen, Künstler*innen und Handwerker*innen – ausgestellt inmitten von technischen Geräten und Lagerregalen.
Wie perfekt neue Technologien und ein für den Möbelbau klassisches Material wie Holz zusammenspielen, zeigte ein Entwurf von Matthias Gschwendtner. Der deutsche Designer hat bei seinem Log Chair 3D-Scannen, Computerdesign und Roboterfertigung kombiniert. Dabei werden übrig gebliebene Materialien aus der Holzindustrie wiederverwendet. „Rohe Birkenzweige werden zunächst 3D-gescannt und dann von Algorithmen virtuell verarbeitet, um alle Produktionsdaten für jeden einzelnen Teil eines Objekts ständig neu zu berechnen“, erklärt er. „Durch die Unregelmäßigkeit des Materials wird jedes Objekt zu einem Unikat, auch wenn es in Serie gefertigt wird.“ Äußerst elegant wirkt die Tischleuchte Farfalline des amerikanisch-kanadischen Designers Julian Gregory, dessen wird aus einem einzigen Stück Aluminiumblech gefaltet wird.
Hay x Royal Danish Academy: Lightness
Dass Nachhaltigkeit eines der großen Themen im Design ist, zeigte unweit der „Ukurant 3“-Ausstellung auch das dänische Label Hay mit einem eigenen Beitrag für die Ausstellung der Royal Danish Academy. Studierende des Master-Programms „Furniture Design – Products, Materials, and Contacts“ hatten Leuchten aus dem papierähnlichen Material ECOPET aus recycelten Polyester-Garn und PET-Flaschen entworfen. Sie wurden vor der Industriekulisse der riesigen Halle effektvoll in einem Holzregal präsentiert. Allesamt in Weiß gehalten und aus dem leichten Recycling-Material gefertigt, wirkte die Präsentation fast wie schwebend. Während Tomaka Omine mit Bon eine kunstvoll gefaltete Tischleuchte mit filigranem Metallgriff zeigte, präsentierte Kirstine Nørgaard Sejersen mit ihrer Paper Stack Lamp einen Entwurf in Ziehharmonika-Form, der sehr japanisch anmutete.
Kosta Boda & Orrefors: Die Glasmacher aus Schweden
Überall in Kopenhagen waren die schönsten Blumengebinde zu sehen, so auch bei Kosta Boda. Der schwedische Glashersteller hatte in der Frederiksgade 1 gleich neben der Marmorkirche auf einem schlichten Tisch Vasen, Schalen und Kerzenhalter von Designer*innen wie Åsa Jungnelius, Hanna Hansdotter and Matti & Simon Klenell mit Blumen und Blüten zu einem überbordenden Stillleben arrangiert. Neu vorgestellt auf den 3daysofdesign wurde der Entwurf Pavilion von Front – eine Vasenform, die sehr architektonisch anmutet. „Es war sehr inspirierend für uns, die passende Vasengrößen und -formen für alle möglichen Blumen zu finden“, sagt Anna Lindgren von Front. Im Nachbarraum bei Orrefors waren weitere Vasen zu sehen: die Kollektion Reed von Monica Förster sowie Ensemble von Benjamin Hubert.
Matias Moellenbach: Designed in Copenhagen
Matias Moellenbach hat am Central Saint Martin in London und an der Akademie der Schönen Künste in Kopenhagen Produktdesign studiert und betreibt in seiner Heimatstat ein gleichnamiges Label. Seinen Showrom in der Montergade 3c hatte er anlässlich der 3daysofdesign sommerlich mit weißen Kieselsteinen und farbenfrohen Blumengebinden gestaltet – passend zu einigen neuen Outdoor-Produkten wie der aus Aluminium geformten, kabellosen Tisch- und Hängeleuchte C.A.P Light, die mit einem Trageband in Neongelb versehen ist. Dazu gesellten sich der Interpolate Chair aus schwarzem Stahlgeflecht, der ebenfalls für den Außenbereich gedacht ist, sowie ein in Indien handgeknüpfter Jute-Teppich im Karomuster. Sämtliche Entwürfe von Moellenbach entstehen in Zusammenarbeit mit Handwerker*innen.
Takt: Nachhaltige Gestaltung
Dass der Retro-Look gerade im dänischen Design immer präsent ist, zeigten in Kopenhagen nicht nur Wiederauflagen wie der von Carl Hansen & Søn lancierte PK1 Chair von Poul Kjærholm aus den Fünfzigern mit einem Geflecht aus Papierkordel. Das vom norwegischen Designstudio Anderssen & Voll für das dänische Label Takt entworfene Sofa Spoke erinnert frappant an die Klassiker der dänischen Möbelgestaltung der Fünfziger- und Sechzigerjahre. Doch auf die Retro-Form trifft ein Nachhaltigkeitskonzept, das im Sinne der Kreislaufwirtschaft im Hier und Jetzt verankert ist. Takt ist es gelungen, ein modulares Sofa aus Monomaterialien zu entwickeln, dessen voll sichtbare Einzelteile sich reparieren, ersetzen und recyceln lassen. Auf dem flach zerlegbaren Rahmen aus massiven Buchen- oder Eichenholz liegt eine Polsterung auf, deren Bezugsstoffe aus 98 Prozent recyceltem Polyester aus Post-Consumer-Quellen bestehen. Sofas gelten sonst als wenig umweltfreundlich, da ihre Bestandteile nach Ende des Lebenszyklus gemeinhin nicht voneinander getrennt werden können.