Historische Moderne
Best of Interior 2024 geht an das Studio AADA
Bereits seit zehn Jahren küren der Callwey Verlag und seine Fachjury alljährlich die schönsten Interior-Projekte. 2024 wurde erneut ein 1. Preis verliehen. Fünf weitere außergewöhnliche Projekte erhielten Anerkennungen. Auch sieben Newcomer Produkte des Jahres wurden ausgezeichnet und ein Fotografie-Preis vergeben.
Der Bildband Best of Interior 2024, der heute erscheint, umfasst 50 Projekte, die von der Jury aus allen Einreichungen ausgewählt wurden. Es handelt sich um Einrichtungskonzepte für den privaten Wohnbereich, die harmonisch, sehr persönlich und bis ins Detail durchdacht sind. Das diesjährige Siegerprojekt von AADA trifft den Zeitgeist auf überraschende und bemerkenswerte Art und Weise: Umnutzung, Erhalt und der behutsame Umgang mit dem historischen Bestand sind nur einige der Leitthemen des Gewinnerteams, das gestern bei der Preisverleihung in München die Auszeichnung entgegennahm. Das Buch wurde von der Designerin und Kreativdirektorin Carolin Sangha und der Journalistin Ute Laatz verfasst.
Im Jahr zuvor konnte der Architekt und Designer Fabian Freytag mit historischer Exzentrik punkten, was ihm einen Platz in der Jury von 2024 sicherte. Gemeinsam mit Gabriela Hauser (Vizepräsidentin bdia), Johanna Neves Pimenta (md Interior Design Architecture), Ute Laatz (Freie Redakteurin), Johannes Hünig (Schöner Wohnen) und baunetz id-Chefredakteurin May-Britt Frank-Grosse studierte er sorgfältig die Einreichungen, um die besten Projekte zu identifizieren. Auch in diesem Jahr wurden ein 1. Preis und fünf Anerkennungen vergeben.
Bestand mit Zukunft
Es sei ein „Blick in die Zukunft im Hinblick auf den Umgang mit dem Bestand“, schreibt der Vorjahressieger Fabian Freytag über das Projekt, das den 1. Preis erhält. Die belgische Innenarchitektin Olivia Sommer und der deutsche Architekt David Gössler, die hinter dem jungen Berliner Büro AADA Atelier for Architecture, Design and Atmosphere stecken, haben die Jury mit einem sensiblen Umbau in den Schweizer Bergen überzeugt. Seit Jahrzehnten ist die in den Sechzigerjahren gebaute Casa Muttabella im Kurort Flims das Urlaubsdomizil einer Familie. Ein neu organisierter Grundriss, ein erfrischender Mix aus Vintage-Objekten und eigens entworfenen Möbeln sowie eine gelungene Brücke zwischen Innen- und Außenraum machen das Erstlingswerk des Duos zu einer bemerkenswerten Modernisierung. Die Geschichte des Ortes spricht immer noch durch die Details und verwandelt das Apartment in einen emotionalen Sehnsuchtsort.
Baukastenprinzip im Rohzustand
Eine der Anerkennungen der Jury ging an ein Projekt in einem unscheinbaren Hochhaus in Köln-Poll. Dort transformierte Demo Working Group ein Apartment mit geringem Budget in ein modernes Zuhause für eine vierköpfige Familie. Die Wohnung wurde von nicht-tragenden Wänden befreit und in zwei Bereiche gegliedert: einen offenen Wohnraum, in dem alle Bewohner*innen gemeinsam Zeit verbringen können, und die zwei Kinderzimmer, Bad und Schlafzimmer, die als Rückzugsorte dienen. Die Separierung wird durch eine Wandöffnung in der massiven Betonwand gekennzeichnet. Die rohe, industrielle Erscheinung gehört zum Konzept. Einbauteile aus Maschinenbauprofilen, freigelegte Installationsschächte, Wände im Rohbauzustand sowie Risse bringen Lebendigkeit in die Räumlichkeiten. Modulare Schiebe- und Trennwände tragen zum Baukastenprinzip bei. Mit diesem spannenden Projekt ist es dem Büro gelungen, eine „optimistische und zukunftsfähige Perspektive” aufzuzeigen – ein erklärtes Ziel der Architekt*innen von Demo Working Group.
Geschickt verschachtelt
Das Team von Elisabeth Müller Innenarchitektur hat bei einem Projekt in Berlin-Wilmersdorf in die nahe und ferne Zukunft gedacht und erhielt dafür eine Anerkennung. Für eine fünfköpfige Familie gestaltete das Büro eine 100 Quadratmeter große Wohnung um – mit einem neuen Grundriss und vor allem einer Menge Stauraum. Ein kommunikatives Familienleben ist stets möglich, aber Rückzugsräume sind dennoch für alle gegeben. Lösungen wie XXL-Rollcontainer erhöhen die Flexibilität. Eine Kombination aus pastellfarbenen Akzenten und atmosphärischem Licht sorgt für eine gemütliche Erscheinung und bringt ein Gefühl von Ruhe mit sich. Die Lösungen im Apartment können viele Jahr überdauern und funktionieren auch dann noch, wenn die Kinder bereits ausgezogen sind.
Detaillierte Extravaganz
Stephanie Thatenhorst ist für ihr „lustvolles Spiel mit Mustern, Formen und Farbpaletten bekannt”, schreibt die Autorin Ute Laatz in ihrer Laudatio zum ausgezeichneten Münchner Wohnungsprojekt. In dem rund 260 Quadratmeter großen Apartment in Schwabing kommt der Stil der Interiordesignerin zur vollen Geltung: Maßanfertigungen treffen auf Designklassiker, das durchdachte Konzept zeigt sich bis ins kleinste Detail, ohne wie eine Inszenierung zu wirken. Die „Showflat“ ist nicht nur ein Ort für kunst- und designaffine Besucher*innen, sondern auch das Zuhause von Thatenhorst und ihren zwei Söhnen.
Italienische Essenz trifft auf Memphis
In Mailand schuf das Büro Puntofilipino ein wahres Gesamtkunstwerk – so wie es von den Auftraggeber*innen, einem Paar aus dem Kunstsektor, gewünscht war. Als sei man „mitten in einem Landschaftsgemälde“, so lautete eine der Vorgaben. Entstanden ist eine Farbexplosion mit Memphis-Möbelstücken, Renaissance-Landschaften auf den Tapeten, dunklen Farbnuancen und historischen Stuck-Details. Der kontrastreiche Einsatz von Materialien, Oberflächen und geometrischen Formen bringt eine gestalterische Spannung mit sich. Dennoch wirkt das Interieur harmonisch und ausgewogen.
Nachhaltige Farbigkeit
Schließlich wurde noch eine gelungene Transformation mit einer Anerkennung bedacht. Die 400 Quadratmeter in einem Berliner Loft wirkten kühl und büroähnlich. JAN ULMER ARCHITECTS, ebenfalls in der Hauptstadt ansässig, entfernten den Großteil der Wände und schufen eine helle, offene Wohnung. Und dann kam Farbe ins Spiel: Bunte Fliesen der Künstlerin Claudia Wieser hüllen die Kücheninsel ein, seifenblasenartige Leuchten von ELOA scheinen in den Räumen zu schweben und unterschiedliche Farbnuancen wie Ocker, Mint oder kräftiges Grün treffen auf einen hellen Terrazzoboden. Auch die Nachhaltigkeit spielte eine Rolle bei diesem Projekt: Die Ausstattung wurde von lokalen Handwerksbetrieben und Designer*innen umgesetzt und produziert.
Der Fotografie-Preis, der in diesem Jahr zum dritten Mal verliehen wurde, ging an Marie Kreibich aus Köln. Sie fing ein Projekt des Architekten Benjamin von Pidoll sehr gekonnt sowie mit einem klaren Blick für Lichtspiele und Atmosphäre ein. Die sieben Newcomer Produkte des Jahres gingen an Nyta UG, THG Paris, Le Klint, Josel Deist, Klaus GmbH, Schramm GmbH und Fischbacher 1819.