Nüchterne Stringenz
Apartment von Demo Working Group in Köln
In einer Hochhaussiedlung zu wohnen, ist vielleicht nicht der Traum eines jeden Menschen. Aber auch wenn die Hochhäuser im rechtsrheinischen Köln-Poll auf den ersten Blick keine höhere Baukunst vermuten lassen: Demo Working Group hat dort mit geringem Budget progressiven Wohnraum geschaffen, der nüchterner und zugleich durchdachter nicht sein könnte.
Wenn man die Industriehallen und Gewerbeflächen hinter sich lässt, erreicht man die Poller Rheinaue mit ihren Wiesen, Kiesbänken und Feldern. Am Horizont erhebt sich eine Hochhaussiedlung wie so viele in der Kölner Peripherie – Relikte der Sechziger- und Siebzigerjahre. Die Wahrscheinlichkeit, in dem Wohnkomplex aus Betonschottenbauten eine bezahlbare Unterkunft zu finden, ist noch wesentlich höher als in der Innenstadt. In einem der Bauten hat das Kölner Architekturbüro Demo Working Group ein Apartment umgebaut. Dieses dient einer vierköpfigen Familie als Domizil auf 83 Quadratmetern.
Klare Aufteilung
Die Wohnung ist längs in zwei Abschnitte gegliedert: einen offenen Gemeinschaftsraum und einen Rückzugsbereich für Eltern und Kinder. Betritt man die Wohnung, so steht man unvermittelt in der Küche mit Essbereich und einem Schacht mitten im Raum, wo einst das Gäste-WC war. Beim Erbauen im Jahr 1971 trennte man artig Kochen, Essen und Wohnen – nun gehen diese Funktionen fließend ineinander über. Von der Küchenzeile genießt man den Blick in die Weite, das Sofa am anderen Ende des offenen Raums flankiert bodentiefe, asymmetrische Faltschiebetüren. Eine dekorlose Wandöffnung im Rohzustand in der massiven Betonwand leitet in den Rückzugsbereich der Familie über. Dort sind zwei Kinderzimmer, Bad und Schlafzimmer untergebracht.
Rohe Materialien
Alle tragenden Wände der Wohnung zeigen sich nun nach dem Umbau in ihrer unkaschierten Materialität. Statt die Schottwände aus Stahlbeton zu verkleiden oder zu beschichten, entschied sich Demo Working Group für eine Offenlegung des sandgestrahlten Betons. Highlights der Wohnung sind jedoch die Schiebewände, -türen und Möbelfronten in seidenmattem Aluminiumton mit gefrästen Öffnungen als maximal schlichte Griffmuscheln.
Flexibles Raumsystem
Das System der verschiebbaren Wände ist eine Entwicklung des Büros, wie der Architekt Thorsten Pofahl von Demo Working Group erläutert. Es wurde in Anlehnung an ein Schienensystem aus dem Maschinenbauwesen des Herstellers ITEM gestaltet, das üblicherweise der Konstruktion von Arbeitsplatzsystemen und CNC-Fräsen dient. Zusätzliche Komponenten wie Türgriffe, Führungsgleiter, End- und Passstücke haben die Gestalter*innen als 3-D-Drucke herstellen lassen. Dieses Baukastenprinzip, das viel Planung aber geringen Montageaufwand erfordert, ermöglicht ein flexibles Raumarrangement. Die Planer*innen haben die Zeichen der Zeit erkannt: Lebens- und damit auch Wohnformen sind heutzutage alles andere als statisch.
Technoide Anmutung
Der Bodenbelag spiegelt die binäre Aufteilung der Wohnung wider. Der hell-samtige Boden im Rückzugsbereich wirkt nahezu asketisch. Im Wohnbereich sticht aus der dezenten Farbwelt der Wohnung ein spiegelglatter Natursteinboden in dunklem Grün hervor. Bei aller Nüchternheit: Sowohl der sandgestrahlte Beton als auch der Naturstein gleichen die ansonsten technoide Ausstrahlung mit kleinen, feinen Unregelmäßigkeiten aus. Im Bad herrscht wieder Sachlichkeit mit weißen Fliesen, Fugen und einer großformatigen Spiegelwand, aus der die Armaturenelemente wie applizierte Objekte hervorragen. Demo Working Group verbindet Funktionalität mit einer eigenwilligen und klugen Gestaltung. Wohnen im Hochhaus kann eben doch traumhaft sein.
FOTOGRAFIE Jan Voigt
Jan Voigt
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