Kork über Kopf
Umbau eines Penthouse mit Korkdecke von SIGLA Studio in Barcelona

In einem Dachgeschoss im Viertel El Carmel in Barcelona zeigt SIGLA Studio, wie Nachhaltigkeit, Raumgefühl und Materialpoesie auf kleiner Fläche zusammenfinden. Im Mittelpunkt: eine Decke aus Kork – und ein neuer Blick auf das urbane Wohnen.
Das 42 Quadratmeter große Penthouse im Nordosten Barcelonas war einst ein nachträglich aufgesetzter Baukörper: verwinkelt, schlecht isoliert, kleinteilig strukturiert. Heute ist davon nichts mehr zu spüren. SIGLA Studio hat die Räume in eine offene, helle Wohnung mit Terrasse verwandelt. Entstanden ist ein Zuhause, das nicht auftrumpft, sondern einlädt. Und das zeigt: Nachhaltigkeit ist nicht nur eine Frage der technischen Umsetzung, sondern auch eine Haltung.
Eine Decke, die erdet
Was den Charakter des Apartments maßgeblich prägt, ist seine Decke: Sie besteht in allen Teilen der Wohnung aus Kork. Statt wie üblich als Bodenbelag, findet das Material hier auf überraschende Weise an der Decke Verwendung. Der natürliche Braunton gibt allen Räumen eine geerdete Ruhe. „Wir lieben Kork und er passt perfekt zu unserem Anspruch an Nachhaltigkeit und Funktionalität im Design“, sagen die Architekt*innen von SIGLA Studio. „Dank seiner Zellstruktur bietet er sich hervorragend zur Wärme- und Schalldämmung an. Zudem ist er leicht, feuerbeständig und recycelbar.“
Statt ihn zu verkleiden, wurde der Kork bewusst ins Zentrum des Interieurs gerückt. Keine abgehängte Decke, keine Zwischenschicht. Das spart Material – und schafft eine warme Atmosphäre. Dass der Werkstoff heute teurer geworden ist, spielte kaum eine Rolle: Die verwendeten Korkplatten stammen aus dem Restposten eines lokalen Händlers – eine pragmatische Entscheidung, die perfekt zum Anspruch des Architekturstudios passt, mit dem zu arbeiten, was vorhanden ist.
Wenige Materialien, viele Geschichten
Neben Kork kommen vor allem Holz, handgefertigte Fliesen und Naturfarben zum Einsatz. Der Farbkanon bleibt erdig: Ocker, Terrakotta, sanftes Beige. Dazu gesellen sich Möbel aus Kiefernholz und recyceltem Aluminium sowie Leuchten aus Glas und Ton. Nichts wirkt neu oder gewollt. Alles atmet eine leise Selbstverständlichkeit.
Auch das ist Teil der Gestaltung: Es sind Räume, die altern dürfen, und Werkstoffe, die mit der Zeit an Charakter gewinnen. „Uns interessiert, wie Materialien das Leben in sich aufnehmen – wie Holz, das mit jedem Schritt schöner wird“, erklärt das Team.
Da das Gebäude keinen Aufzug besitzt, gestalteten sich die Renovierungsarbeiten logistisch besonders herausfordernd. Deshalb war die Auswahl leichter Materialien entscheidend, um die Bausubstanz nicht zu überlasten, den Transport zu erleichtern und den ökologischen Fußabdruck des Projekts gering zu halten.
Offenes Konzept
Im Mittelpunkt der Gestaltung steht die Beziehung zwischen Innen- und Außenbereich. Neue Sichtachsen und gezielt platzierte Öffnungen schaffen fließende Übergänge zur Terrasse, die als Erweiterung des Wohnraums fungiert. Licht und Luft durchziehen die Wohnung, verbinden die einzelnen Zonen und öffnen den Blick über Barcelona. Trotz aller Zurückhaltung gibt es in jeder Ecke des Apartments liebevoll gesetzte Akzente: eine Leuchte aus Alabaster, einen Tisch mit Carrara-Marmorplatte auf einem Ikea-Gestell – dezent, aber mit Haltung.
Räume, die reifen
Das Team von SIGLA Studio wollte – nach eigener Aussage – „Räume schaffen, die mit der Zeit an Charakter gewinnen“, ähnlich wie „ein guter Film oder eine Skulptur im Garten“. Nicht der Stil, sondern die Atmosphäre steht im Vordergrund. Der Kork an der Decke, das Licht auf den Terrakottafliesen, der Blick von der Terrasse: All das bildet eine Kulisse für das Leben. Das Ergebnis ist ein Zuhause, das nicht glänzen will, sondern leuchten – aus sich selbst heraus.
FOTOGRAFIE Marta Vidal Marta Vidal
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