Wabi-Sabi am Hochkönig
Boutiquehotel stieg’nhaus im Salzburger Land von Carolyn Herzog
Im kleinen Örtchen Mühlbach am Hochkönig im Salzburger Land eröffnete im Juni das Design-Boutiquehotel stieg'nhaus. Die sechs großzügigen Suiten, das Spa und das Restaurant sollen als Rückzugsräume wahrgenommen werden, die Körper, Geist und Architektur in Einklang bringen.
„Das ehemalige Mesnerhaus diente zuvor schon gastronomischen Zwecken und beherbergte Gästezimmer“, erklärt die für den Umbau des stieg'nhaus verantwortliche Architektin Carolyn Herzog. Im Erdgeschoss blieb die Nutzung mit Restaurant und Küche weitgehend unverändert. Eine größere Veränderung fand in den oberen Etagen statt. „Dort haben wir den kleinteiligen Bestand neu strukturiert, indem wir die zuvor engen Grundrisse zu großzügigeren Einheiten zusammengeführt und so Raumfluss und Funktionalität verbessert haben“, sagt Herzog.
Bauliches Herz, das alles verbindet
Die Inhaber*innen Maria und Tom Heidenreich wünschten sich für das stieg'nhaus eine zeitlose, zurückhaltende Ästhetik mit lokaler Bautradition, mediterranen Einflüssen und naturnahen Materialien. Im Herzen des Hotels fungiert das organisch geschwungene und namensgebende Stiegenhaus als skulpturaler Raum zur vertikalen Erschließung aller Ebenen. Dieser älteste Teil des Gebäudes soll in seiner Unvollkommenheit Wärme ausstrahlen. Er ist als Ort der Begegnung sowie als visuelle und akustische Verbindung gedacht.
Vom runden Treppenhaus ausgehend, entwickelte Carolyn Herzog das gesamte Raumkonzept mit weichen Geometrien, sanft geschwungenen Linien und Wänden, die, wie sie sagt, eine intuitive Bewegung durch das Hotel ermöglichen. „Gestalterisch orientiert sich das Konzept an den vier Elementen Wasser, Luft, Erde und Feuer, die in archetypischen Objekten neu interpretiert werden: Badewanne, Treppe, Tisch und Feuerring erscheinen in runder Form und laden zu sinnlichen Erfahrungen innerhalb der bestehenden Bausubstanz ein. Alt und Neu verschmelzen zu einer Einheit“, so die Architektin.
Wabi-Sabi in Österreich
Ihre Ideen entlehnte die Architektin zudem der ästhetischen Philosophie des Wabi-Sabi, das die Schönheit im Unvollkommenen, Vergänglichen und Einfachen erkennt. „Es geht darum, die natürliche Welt und ihre Veränderungen zu schätzen und in alltäglichen Dingen eine besondere Eleganz zu sehen, die nicht durch Perfektion, sondern durch Authentizität und Schlichtheit entsteht“, sagt Carolyn Herzog. Für sie soll die Architektur nicht nur eine Kulisse, sondern die zentrale Protagonistin sein. Die Gestaltung ist geprägt von kompromisslosem Minimalismus, von einer klaren Formensprache und von puristischen Materialien, die Stimmungen transportieren.
Holz, Naturstein, Kalkputz und Leinen stammen aus der Region und sollen Vertrautheit und Beständigkeit vermitteln. Ihre Haptik, Wärme und Geschichte definiert die Räume. Überall finden sich alpine Bezüge: Die Wände sind aus lokalem Naturstein gestaltet, die Waschbecken aus dem Fels gehauen. Die Paneele aus Eichenholz bieten Schatten und Privatsphäre. Trotz der starken regionalen Verbundenheit sollte jedoch keine nostalgische Herberge entstehen, sondern ein moderner, fast poetischer Rückzugsort.
Handwerkskunst und Schattenspiele
Herausfordernd waren für die Architektin der sensible Umgang mit dem Bestand und die handwerklich anspruchsvolle Umsetzung. „Wir wollten die Identität des ehemaligen Mesnerhauses bewahren und zugleich ein zeitgemäßes, fließendes Raumkonzept integrieren“, erläutert sie. „Besonders die konsequente runde Formensprache, die sich vom Treppenhaus über Wandverläufe bis hin zu maßgefertigten Möbelstücken erstreckt, erforderte ein hohes Maß an handwerklicher Präzision und individuelle Lösungen. Die enge Zusammenarbeit mit den ausführenden Firmen war deshalb unerlässlich.“
Die Verbindung von Tradition und zeitgenössischem Design empfindet die Architektin als typisch österreichisch. Alpine Ornamente, wie man sie von Balkongeländern kennt, abstrahierte die Gestalterin und interpretierte sie neu. Durch die mediterran inspirierten Fensterläden entsteht ein subtiles Spiel aus Licht und Schatten. „Nicht zuletzt spiegelt das Projekt eine Haltung wider, die für Architektur in Österreich bezeichnend ist“, sagt Carolyn Herzog. „Es wird mit Maß und Mitte gebaut, mit Sensibilität für Maßstab, Kontext und Handwerk. Es ist kein lautes Haus, sondern eines, das mit zurückhaltender Intensität wirkt, ganz im Sinne einer Architektur, die nicht nur auffällt, sondern bleibt.“
FOTOGRAFIE Karin Pasterer Karin Pasterer
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