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Alte Scheune, neues Leben

Historisches Gebäude in Tübingen wird zu modernem Wohnraum

Das Büro KO/OK Architektur hat ein denkmalgeschütztes landwirtschaftliches Gebäude in Tübingen in Wohnraum verwandelt. Das Ergebnis ist ein eindrucksvolles Plädoyer für den Holzbau.

von Fabian Peters, 17.09.2025

Die alte Doppelscheune im Zentrum von Derendingen, heute ein Ortsteil der Universitätsstadt Tübingen, hatte schon bessere Zeiten gesehen, als sich eine private Baugemeinschaft entschloss, sie aus ihrem Dornröschenschlaf zu wecken. Der 1806 errichtete hohe Fachwerkbau stand unter Denkmalschutz. Doch die Ausfachungen waren längst nicht mehr intakt und auch das hölzerne Tragwerk musste dringend instand gesetzt werden. Der Umbau stellte keine einfache Aufgabe dar, denn die Scheune war eng zwischen Kirche, altem Schulhaus und historischen Bauernhöfen eingebaut. Zudem mussten bei der Umnutzung die Auflagen der Denkmalpflege beachtet werden. Es sollte deshalb möglichst viel Bausubstanz erhalten bleiben – ebenso wie der Charakter als landwirtschaftliches Gebäude.

Architektur mit Fingerspitzengefühl
Die Bauherrschaft wandte sich mit dieser Aufgabe an das Büro KO/OK Architektur. Das Team um die beiden Gründer Fabian Onneken und Jan Keinath hat sich nicht nur einen Namen mit sensiblen Restaurierungen gemacht, sondern zudem eine ganze Reihe vorbildlicher Holzbauten entworfen. KO/OK teilte die Doppelscheune in vier Duplex-Wohneinheiten auf. Jeweils zwei Wohnungen entstanden in der ehemaligen Tenne, zwei im großen Dachstuhl. Weil von außen von den Eingriffen so wenig wie möglich sichtbar sein sollte, waren die Architekt*innen sehr beschränkt in der Möglichkeit, neue Öffnungen in den Außenfassaden zu schaffen. Glücklicherweise boten die beiden Doppeltore auf der Vorder- und Rückseite der Scheune die Möglichkeit, die unteren Wohnungen durch große Fensterflächen zu belichten, ohne in die Bausubstanz eingreifen zu müssen.

An der direkt an der Straße gelegenen Vorderseite schuf KO/OK einen Sichtschutz vor den Fenstern durch vertikale Lamellen aus unbehandeltem Holz. Sie stellen beim Blick von außen die auffälligste Veränderung dar. Tatsächlich in die Substanz eingegriffen hat das Büro für einige Fensteröffnungen, wobei diese größtenteils in den Grenzen der bestehenden Gefache bleiben. Ansonsten wurde das Sockelmauerwerk aus Bruch- und Backstein restauriert und die Füllungen der Gefache wurden erneuert. Dafür nutzte KO/OK Lehmsteine, die von außen mit einem Hanf-Kalk-Putz überzogen wurden. Im Inneren kam dagegen ein Kalk-Dämmputz zum Einsatz. Die Wohnungen im Dachstuhl werden durch neu geschaffene Öffnungen in der Dachhaut belichtet.

Altholz statt Neubau
Nach Jahren der Vernachlässigung bedurfte auch die tragende Holzkonstruktion der Doppelscheune einer tiefgreifenden Restaurierung. Zunächst musste das gesamte Gebäude unterfangen und neu gegründet werden. Bei der anschließenden Instandsetzung des hölzernen Tragwerks entschlossen sich die Architekt*innen dazu, wo immer möglich mit Altholz zu arbeiten. Dabei konnten sie auf Holzteile einer niedergelegten ehemaligen Wagnerei zurückgreifen, die sich vor Ort anfanden. So gelang es, den Bestand fast vollständig zu ertüchtigen, ohne auf neues Material zurückgreifen zu müssen. Teilweise wurde bei der Restaurierung Holz verwendet, das bereits in der dritten oder vierten Generation verbaut wurde.

Handwerkliche Perfektion
Für die neu eingezogenen Decken, die neue Dachschalung und alle weiteren ergänzten Einbauten nutzten die Planer*innen massives heimisches Nadelholz. Auch diese Bauteile wurden mit viel handwerklichem Know-how und klassischen zimmermannsmäßigen Verbindungen gefertigt. Jede der vier Wohnungen verfügt über ein Emporengeschoss, das den Tennen- beziehungsweise Dachraum unterteilt. Auf diese Weise bleibt zugleich die historische Holzkonstruktion der Doppelscheune in all ihrer Schönheit sichtbar. Die beiden Ebenen werden in allen vier Wohnungen durch eine raumprägende Holztreppe im Zentrum verbunden.
Lowtech als ZukunftsstrategieDie gesamte Restaurierung der historischen Doppelscheune erfolgte mit einem expliziten Lowtech-Ansatz. Dennoch gelang es KO/OK, durch den Einsatz traditioneller Handwerkstechniken und wiederverwendeter, nachwachsender oder nicht-industriell produzierter Baustoffe ein extrem nachhaltiges Wohngebäude zu schaffen, bei dem Materialien wie Holz, Lehm und Kalk zudem für ein angenehmes Wohnklima sorgen.

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