Ein Dorfhaus als Landsitz
Wohnumbau von Ricardo Azevedo in Portugal

Hinter der traditionellen Azulejo-Fassade und einer lila lackierten Haustür erwartet Besucher*innen ein spannender Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Diesen hat der Architekt Ricardo Azevedo für seinen Auftraggeber in dessen Dorfhaus im portugiesischen Santo Tirso initiiert.
Nördlich von Porto befindet sich die kleine Gemeinde Santo Tirso, die für ihren Vinho Verde aus den umliegenden Weinbergen, für charmante Gässchen und eine gemächliche Stimmung bekannt ist. Dort lag ein altes Stadthaus im jahrelangen Dornröschenschlaf. Mit seiner Azulejo-Fassade und den schmiedeeisernen Fenstergeländern ist das historische Gebäude ganz typisch für die nordportugiesische Baukultur aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Charakteristisch ist auch das Layout der schmalen und langen Parzelle, die die schlanke und hohe Fassade zwischen die Nachbarhäuser klemmt. In dieses vergessene Wohnhaus verliebte sich der jetzige Besitzer – wenn auch nicht zufällig. Er hatte lange nach einer alten Bausubstanz gesucht, die zentral in einem kleinen Ort liegt. Es sollte ein Bestandsgebäude sein, das die Erinnerungen vieler Bewohner*innen widerspiegelt, aber auch noch die strukturelle Stabilität für eine gemeinsame Zukunft bietet. All das brachte das kleine Reihenhaus mit – und es wurde kurzerhand gekauft.
Farbanstrich für die Geschichte
Trotz des Wunschs nach erlebbarer Vergangenheit sollte auch der Neubeginn sichtbar werden. Den Umbau hat das Studio des ortsansässigen Architekten Ricardo Azevedo gestaltet, der bereits mehrere Häuser in der Straße modernisiert hat. Azevedo entschied sich, den bewussten Stilbruch beim Projekt Casa do Parque IV gleich am Eingang zu thematisieren. Während die gesamte Fassade mit ihrem Fliesenspiegel originalgetreu erhalten blieb, bekam die hölzerne Flügeltür einen signalvioletten Anstrich. Eine weitere Intervention ist die Garage mit zwei Stellplätzen für die Fahrzeuge der Bewohner*innen, für die die Front geöffnet werden musste. In dem von außen schlank wirkenden Haus war genug Platz für jegliche wohnliche Sonderwünsche, denn es bietet durch Anbauten nach hinten und neu ergänzte Aufbauten 375 Quadratmeter Wohnfläche. Ein weiteres Beispiel ist das „Fußballzimmer“ für ein Familienmitglied: Er war Spieler bei internationalen Vereinen und wünschte sich deshalb einen Ort für seine gesammelten Erinnerungsstücke.
Organisation in Ebenen
Im Zentrum des Hauses, hinter Eingangstür und -treppe, liegt der Wohnbereich. Die geselligen Bewohner*innen wollten ihn als großzügiges Herzstück inszenieren. Um diesen mit dem Außenraum zu verbinden, wurde ein Baukörper eingefügt, der den tiefer liegenden Garten einbindet und verschiedene Patios auf mehreren Ebenen entstehen lässt. Gleichzeitig war die Lichtsituation ein zentrales Thema. Bisher fiel Tageslicht nur durch die Frontfenster und die rückwärtigen Scheiben, die im Umbauprozess vergrößert und durch runde Dachflächen ergänzt wurden. Letztere setzen sich als gläserne Öffnungen im Boden über die Etagen fort und bringen so das Licht auch in den dunklen Mittelbereich. Vieles wurde erhalten – wie die rustikalen Natursteinwände – und durch passende Holzelemente ergänzt. Hinzu kamen farbenfrohe Einbauten: eine kanariengelbe Treppe, Schrankwände in Pastellrosa oder ein Schreibtisch in Ultramarinblau.
Gut verstecktes Paradies
Das Haus dient der Familie gleichzeitig als Rückzugsort und als Treffpunkt. Von der Straße sind seine tatsächlichen Dimensionen und seine Aufenthaltsräume zwischen Innen- und Außenbereich kaum zu erahnen. Klassisch mündet das Haus im Garten. Der mit schwarzem Stahlblech verkleidete neue Gebäudeteil bildet jedoch auch ein spektakuläres Pooldeck, das über den Dächern der Stadt ein privates Wellnessrefugium schafft. Neben der schlanken Wasserbahn gibt es einen großzügigen Outdoor-Essbereich, Liegen und Lounges sowie ein Pflanzbeet, das die benachbarte Hausruine langsam hinter einer tropischen Vegetationswand verschwinden lässt. Ricardo Azevedo ist ein Umbau gelungen, der den Anschluss an das Dorf sucht und gleichzeitig über die Qualitäten eines einsamen Landsitzes verfügt. Casa do Parque IV ist ein Projekt, das die Geschichte nicht überschreibt und sich doch in Richtung Zukunft orientiert.
FOTOGRAFIE Ivo Tavares Studio Ivo Tavares Studio
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