Im Dialog mit Le Corbusier
Umbau eines Apartments im Pariser Molitor-Gebäude von RREEL

Wie lässt sich ein architektonisches Meisterwerk der Moderne behutsam in die Gegenwart überführen? Rosalie Robert und Léa Cottreel von RREEL machten im Pariser Molitor-Gebäude verlorene Raumqualitäten wieder spürbar und setzten sie in einen neuen Kontext.
Als Rosalie Robert und Léa Cottreel mit der Renovierung einer 58 Quadratmeter großen Wohnung im 16. Arrondissement von Paris beauftragt wurden, war den Gründerinnen des Architekturbüros RREEL sofort klar: Dieses Projekt ist etwas ganz Besonderes. Das Apartment befindet sich im ikonischen Immeuble Molitor, das von Le Corbusier und seinem Cousin Pierre Jeanneret zwischen 1931 und 1934 entworfen und errichtet wurde. Le Corbusier selbst nutzte die beiden obersten Stockwerke als Wohnung und Atelier – bis zu seinem Tod im Jahr 1965. Die unteren Etagen wurden mit frei gestaltbaren Grundrissen verkauft. Es war ein für die damalige Zeit revolutionäres Konzept.
Verlorene Struktur, klare Vision
Die von RREEL zu renovierende Wohnung bestand ursprünglich aus drei Haupträumen: einem Schlaf- und einem Wohnzimmer mit Balkon zur Straßenseite sowie einem Arbeitszimmer zum Hinterhof, ergänzt durch Küche und Bad. Im Zuge einer umfassenden Renovierung in den Siebzigerjahren wurde diese Raumstruktur jedoch vollständig zerstört. Der neue Eigentümer des Apartments wandte sich nun mit einem klaren Auftrag an RREEL: Das architektonische Erbe und die ursprüngliche Wohnatmosphäre der Dreißigerjahre sollten wiederhergestellt werden.
Auf den Spuren der Moderne
Dieser klaren Aufgabenstellung folgte eine Mischung aus historischer Detektivarbeit und archäologischer Spurensuche: Rosalie Robert und Léa Cottreel vertieften sich in Archivmaterialien und untersuchten die Wohnung auf kleinste bauliche Hinweise, die Aufschluss über die ursprünglichen Gestaltungspläne von Le Corbusier und Jeanneret geben konnten. Diese Spuren dienten schließlich als Grundlage für ihr neues Innenraumkonzept.
Harmonische Zeitzeugen
Anstatt den ursprünglichen Grundriss eins zu eins zu rekonstruieren, entschieden sich die Architektinnen für einen gestalterischen Dialog zwischen historischen und zeitgenössischen Elementen. Heute besteht das Apartment aus einem großen Wohnbereich zur Straßenseite, in dem eine weiße Küchenzeile mit einer diagonal zum Raum versetzten Insel aus roten Tonfliesen untergebracht ist. Das Schlafzimmer liegt an der Rückseite und beherbergt auch das Bad, dessen Dusche von einem kreisrunden Bau aus hellen Terrakottafliesen umschlossen wird und so im Raum steht, dass sie den Nass- vom Schlafbereich trennt. Ein Einbauschrank aus Kirschbaumholz verbirgt die Toilette, die von beiden Räumen zugänglich ist. Farblich dominieren Grautöne und Weiß die Räume. Kombiniert werden diese mit Akzenten in Petrol oder Blau sowie verschiedenen Rottönen.
Dank dieser archäologisch inspirierten und sensiblen Herangehensweise konnten Rosalie Robert und Léa Cottreel nicht nur das harmonische Verhältnis zwischen Mensch, Architektur und Raum wiederherstellen – jenes Verhältnis, das Le Corbusiers Vision so bahnbrechend machte. Die Gründerinnen von RREEL verwandelten das Apartment zugleich in einen bedeutenden Zeitzeugen innerhalb des denkmalgeschützten Molitor-Gebäudes, das seit 2016 zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt.
FOTOGRAFIE Mary Gaudin
Mary Gaudin
Ort: | Paris, 16. Arrondissement |
Typ: | Wohnung, Kulturerbe des 20. Jahrhunderts |
Bauherr: | Privat |
Fläche: | 58 m² |
Team: | RREEL |
Fertigstellung: | 2024 |
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