Archäologie in Beton
Apartment-Transformation von Jorge Borondo und Ana Petra Moriyón in Madrid

Zwischen historischen Ziegeln und mit rationalem Zeitgeist verwandelten die Gestalter*innen Jorge Borondo und Ana Petra Moriyón ein ehemaliges Architekturstudio in einen wandelbaren Wohnraum. Die Casa Teruel ist eine kommunikative Bühne mit privaten Rückzugszonen – und eine Hommage an die rohe Schönheit des Bestehenden.
Das nördlich des Stadtzentrums gelegene Viertel Tetuán gehört seit 1955 zu Madrid. Seine Geschichte begann 1860, als sich dort ein Lager spanischer Truppen befand, die im Afrikanischen Krieg kämpften und sich an die marokkanische Stadt Tétouan erinnert fühlten. Später ließen sich dort vor allem Landarbeiter*innen nieder und Tetuán entwickelte sich zu einem typischen Arbeitervorort. Die handwerklich gut ausgebildeten, aber finanziell schwachen Siedler*innen prägten das Stadtbild mit einer „Volksarchitektur“ aus günstigen, selbst errichteten Ziegelbauten. Später kamen Häuser mit markanten Stahlbetonstrukturen und häufig großzügigen Grundrissen hinzu. Zu den ersten Wohnblöcken im Stadtteil Tetuán zählt das 1955 errichtete Wohnhaus in der Calle de Teruel. In dessen Erdgeschoss befand sich zuletzt ein Architekturbüro. Der Architekt Jorge Borondo erhielt in Kooperation mit der Space-Designerin Ana Petra Moriyón den Auftrag, die Gewerberäume in ein Apartment umzuwandeln und dabei die räumlichen Qualitäten zu verstärken.
Der Bestand wird zur Bühne
Das Layout der Erdgeschossfläche gliedert sich in einen großzügigen Hauptraum mit Bad sowie zwei über eine Treppe verbundene Maisonette-Ebenen. Zwischen der zur Straße gerichteten Seite, die durch einen umzäunten Vorgarten abgeschirmt ist, und den hofseitigen Fenstern erstreckt sich ein offener Wohn- und Küchenbereich, der die gesamte Raumtiefe durchzieht. „Casa Teruel ist mehr als nur ein Zuhause, es ist eine Bühne für den Alltag und Begegnungen“, erzählen Borondo und Moriyón. Auf den 81 Quadratmetern nimmt diese Bühne den größten Teil der meiste Fläche ein, während eine ausgeklügelte Grundriss- und Trennwandorganisation die Ab- und Zuteilung der privaten Wohnbereiche nach Bedarf ermöglicht. WC, Waschbecken und Dusche wurden als Kern in der Transitzone zwischen Wohnbereich und Privaträumen platziert. Der eingezogene Block lässt sich mittels hölzerner Schiebewände und Türen zu allen Seiten hin öffnen oder gezielt in Richtung eines bestimmten Funktionsbereichs verschließen.
Adaptierte Typologie
Für die Architekt*innen glich die Modernisierung der Einheit einer archäologischen Spurensuche. „Unser Ziel war es, die Essenz des ursprünglichen Raumes zu bewahren“, erklären die beiden. Die Urstruktur des Hauses besteht aus einem Sichtbetongerüst. Auch die Ziegelwände sowie die großen Glasbausteinfenster zur Straße wurden erhalten und durch Materialien ergänzt, die ihren industriellen und rohen Charakter sensibel unterstreichen. Alle Einbauten – wie die Stauräume unter dem Eingangspodest, die Küchenmöbel und die Schlafzimmerschrankwand – sind aus hellem Birkensperrholz gefertigt. Der massive Waschtisch im Bad ist aus weißem Kalkstein und passt ebenso wie der selbstnivellierende, feine Estrich zum Bestandsbeton. Metallische Akzente finden sich bei der Arbeitsplatte und der Rückwand der Küche aus gebürstetem Edelstahl, der Spiegelwand im Waschraum sowie bei den mit Spiegeln verkleideten Laibungen der Frontfenster. Die durchgängig hellen Nuancen und reflektierenden Details maximieren die Wirkung des Tageslichts.
Rohe Oberflächen, kühle Details
Auch die technische Gebäudeausstattung nimmt ästhetisch Bezug auf die Entstehungszeit, die Typologie und die Stilistik des Gebäudes. Die linearen Lamellen der Heizkörper von Hot Wave erinnern an die in Werkshallen üblichen, funktionalen Radiatoren. Die quadratischen Badezimmerfliesen greifen das strenge Raster der Glasbausteinfenster auf und unterstreichen die rationale, gestalterische Sprache der Räume. Borondo und Moriyón setzten auf ein Material- und Oberflächenpatchwork aus rohen Oberflächen wie Stein, Beton und Putz sowie warmem Holz und kühlen Details aus Metall und Glas. Dass trotzdem Harmonie entsteht, liegt an der konsistenten Farbwahl, die durchgängig auf helle Töne zwischen Grau, Sand und Beige setzt. „Casa Teruel ist nicht nur ein Wohnraum, sondern ein wandelbarer Ort“, sagen die Architekt*innen. „Er passt sich dem Alltag an und entwickelt sich mit den Bedürfnissen seiner Bewohner weiter – ideal sowohl für das tägliche Leben als auch zum Empfangen von Gästen.“
Projektname | Casa Teruel |
Entwurf | Jorge Borondo + Ana Petra Moriyón |
Ort | Madrid |
Fläche | 81 Quadratmeter |
Fertigstellung | 2024 |
Mehr Projekte
Olympisches Raumspiel
Reihenhaus-Renovierung im Olympischen Dorf München von birdwatching architects

Ganz der Kunst gewidmet
Atelier für eine Malerin in Germantown von Ballman Khapalova

Heiter bis holzig
Zweigeschossiges Wohnhaus mit Farbakzenten im Hudson Valley von nARCHITECTS

Kreative Transformationen
Nachhaltiges Bauen mit regionalen Ressourcen und innovativen Produkten von JUNG

Von der Enge zur Offenheit
Filmreifer Wohnungsumbau in Madrid von GON Architects

Leben im Schweinestall
Historisches Stallgebäude wird modernes Familienheim

Surferträume im Reihenhaus
Umbau eines Sechzigerjahre-Wohnhauses in Norwegen von Smau Arkitektur

Wabi-Sabi am Hochkönig
Boutiquehotel stieg’nhaus im Salzburger Land von Carolyn Herzog

Faltbarer Transformer
Ein ländliches Wochenendhaus in Argentinien von Valentín Brügger

Funktionale Fassaden
Verschattung im Bestand und Neubau

Wohnhaus in Kurvenlage
Neubau mit rundem Garten in Südkorea von Sukchulmok

Palazzo mit Patina
Umbau eines apulischen Anwesens durch das Architekturbüro Valari

Alte Scheune, neues Leben
Historisches Gebäude in Tübingen wird zu modernem Wohnraum

Gebaut für Wind und Wetter
Ferienhaus im schwedischen Hee von Studio Ellsinger

Ein Dorfhaus als Landsitz
Wohnumbau von Ricardo Azevedo in Portugal

Ein offenes Haus
Feministischer Wohnblock Illa Glòries von Cierto Estudio in Barcelona

Harte Schale, weicher Kern
Unkonventionelles Einfamilienhaus in Mexiko von Espacio 18 Arquitectura

Zwischen Bestand und Zukunft
Umbau einer Kölner Doppelhaushälfte durch das Architekturbüro Catalanoquiel

Offen für Neues
Nachhaltige Renovierung einer flämischen Fermette durch Hé! Architectuur

Baden unter Palmen
Studio Hatzenbichler gestaltet ein Wiener Loft mit Beton und Grünpflanzen

Maßgeschneidertes Refugium
Georg Kayser Studio verbindet in Barcelona Altbau-Charme mit modernem Design

Rückzugsort im Biosphärenreservat
MAFEU Architektur entwirft ein zukunftsfähiges Reetdachhaus im Spreewald

Im Dialog mit Le Corbusier
Umbau eines Apartments im Pariser Molitor-Gebäude von RREEL

Warschauer Retrofuturimus
Apartment mit markantem Raumteiler von Mistovia Studio

Trennung ohne Verluste
Ferienhaus im Miniformat auf Usedom von Keßler Plescher Architekten

Architektur auf der Höhe
Wohnhaus-Duo von Worrell Yeung im hügeligen New York

Architektur im Freien
Pool und Pergola von Marcel Architecten und Max Luciano Geldof in Belgien

California Cool
Mork-Ulnes Architects restaurieren das Creston House von Roger Lee in Berkeley

40 Quadratmeter Einsamkeit
Ländliches Ferienhaus von Extrarradio Estudio in Spanien

Von der Ruine zum Rückzugsort
Wertschätzender Umbau von Veinte Diezz Arquitectos in Mexiko
