Authentische Askese
Apartment-Rückbau in Paris von Atelier Apara
Vor dem Einziehen erst einmal ausziehen: Atelier Apara hat eine Pariser Wohnung bis auf die Betonsubstanz entkernt, dann mit ausgesuchten Möbeln und Materialien ausgestattet – und dabei ein Gespür für den Geist des Ortes bewiesen.
Je älter ein Gebäude ist, desto mehr Nutzer*innen hat es gesehen, desto mehr Tapeten, Böden, Einbauten und Grundrissveränderungen hat es erlebt. Ein Rückbau auf die nackte Ursprungsstruktur gleicht einem archäologischen Projekt, bei dem Schicht für Schicht die Vergangenheit freigelegt wird. Im Herzen von Paris steht ein 1969 errichtetes Gebäude der Architekten Marc Villemant und Paul Verny. Äußerlich präsentiert sich das 13-geschossige Wohnhaus als weißer Block, der durch fast durchgehende Fensterlinien horizontal gegliedert ist. Der Umriss – von oben betrachtet – basiert auf einem Rechteck, das durch orthogonale Vor- und Rücksprünge fast pixelartig gerastert wirkt. Durch diesen individuellen Charakter und seine Höhe, die das Umfeld um einige Balkone überragt, hat das Wohnhochhaus für das Quartier durchaus zeichenhafte Qualitäten.
Drei Balkone, Küche, Bad
Eine der Wohnungen wurde von Charlotte Guillochon und Victor Mesguich, den Gründer*innen von Atelier Apara modernisiert. Die Innenarchitekt*innen sind auf Renovierungs- und Sanierungsprojekte spezialisiert und arbeiten dabei mit einem Fokus auf Kontext und Umstände. Beim Projekt Convention ging es den beiden darum, „das Bestehende sichtbar zu machen“, was in diesem Fall bedeutete, das Apartment vollständig zu entkernen und von den Spuren der Vorbesitzer*innen zu befreien. Zum Vorschein kam vor allem viel Beton. Die entsprechend der Bauzeit relativ niedrigen Decken und schlanken Wände machten aus der Wohnung eine homogen graue Höhle.
Viele kleine Räume und ein verschachteltes Layout erstrecken sich auf 80 Quadratmetern. Im Zentrum finden sich fensterlos als Kernelement Bad und WC, darum gliedern sich die Küche mit angeschlossenem Wohnzimmer und drei Schlafzimmer, die ohne Flure teils als Durchgangszimmer angelegt sind. Ausweichen kann man auf die drei kleinen Balkone, die immer Anschluss an zwei Räume haben: Küche und Wohnzimmer, Wohnzimmer und Schlafzimmer sowie Schlafzimmer und Schlafzimmer.
Der Bestand als Ressource
Atelier Apara hat sich dafür entschieden, den nackten Stahlbeton mit seinen Spuren der Vergangenheit zu belassen – sowohl als Hommage an die Bauzeit und die Architekten als auch aus Rücksicht auf die Umwelt und die Finanzen. „Die Arbeit mit dem ‚Schon-Vorhandenen’ folgt nicht nur einem gestalterischen Ansatz, sondern entspringt auch dem Bedürfnis und dem Bewusstsein, mit Ressourcen – sowohl materieller als auch finanzieller Art – sparsam umzugehen“, erklären die Architekt*innen. Der Innenausbau folgt einem klaren Konzept. Die neu geschaffenen Stauraummöbel wurden aus Okoumé-Sperrholz gefertigt. Mit seiner feinen Textur, der gleichmäßigen Maserung und der dunkel geölten Oberfläche erinnert es an die in den Siebzigerjahren beliebten Hölzer Eiche, Teak und Nussbaum. Und es korrespondiert ästhetisch mit den historischen Holzfensterrahmen.
Farbharmonie und Lichtverstärker
Das Team von Atelier Apara hat schlichte, klare sowie robuste Materialien und Produkte verwendet. Die Regale und Arbeitsflächen in der Küche sind aus Edelstahl gefertigt, die Bäder werden durch weiße Normfliesen und Marmorflächen spritzwasserfest. Die Elektroleitungen wurden sichtbar verlegt. Unter welchem Putz hätte man sie auch verstecken sollen? Sie laufen aber so ordentlich in linearen Strängen an Wänden und Decken, dass sie zum dekorativen Element werden. Das minimalistische Interieur und die hellen Nuancen verstärken auch das Licht, das durch die großzügigen Fensterflächen und bodentiefen Balkontüren einfällt. Nichts ist laut, alles ist harmonisch und dezent – und doch mit einem tiefen Verständnis für das Zusammenwirken von Material, Raum und Farbe – gestaltet. Damit ist das Apartmentprojekt Convention ganz typisch für die Arbeitsweise von Charlotte Guillochon und Victor Mesguich, denen es gelingt, mit viel Gespür für den Ort und seine Vergangenheit eine unverwechselbare Identität zu erzeugen.
FOTOGRAFIE Philippe Billard Philippe Billard
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