Projekte

Raumsequenzen in der Grotte

Casa Gruta in Mexiko von Salvador Román Hernández und Adela Mortéra Villarreal

Auf der Suche nach einem Ruhepol abseits der Schnelllebigkeit unserer Zeit entwarfen die Architekt*innen Salvador Román Hernández und Adela Mortéra Villarreal einen Rückzugsort, der lokale geologische Besonderheiten widerspiegelt und diese mit dem kulturellen Erbe der Region verbindet.

von Uta Gelbke, 26.05.2025

Casa Gruta ist ein Experiment – ein Raumexperiment, das irgendwo zwischen Urhütte und Höhle angesiedelt ist. Die Architektur des Wohnhauses in Valladolid, Mexiko, als reduziert zu beschreiben, wäre untertrieben. Sie ist rudimentär, düster, archaisch. Schroffe Betonflächen und dämmriges Licht schaffen eine Atmosphäre, die an den Mariendom in Neviges erinnert. Wenn Gottfried Böhm ein Wohnhaus in Mexiko gebaut hätte, hätte es vielleicht so ausgesehen.

Höhle mit Wasser
Die Architekt*innen beschreiben ihr Projekt als bewohnbare Skulptur, wobei Analogien zu Höhlen und Grotten kein Zufall sind. Die Referenz der Höhle spiegelt sich nicht zuletzt im Namen Gruta (Höhle oder Grotte) wider. Eine typische geologische Formation der Halbinsel Yucatán sind Cenoten, durch eindringendes Regenwasser im Karstgestein geformte Aushöhlungen. Sie dienten als Vorbild für den Bau. Das Wort Cenote ist aus der Mayasprache abgeleitet und bedeutet so viel wie „Höhle mit Wasser“. Unter fortschreitender Erosion des Gesteins stürzen die Felsdecken ein und erzeugen ein atemberaubendes Naturschauspiel: Die unterirdischen Wasseransammlungen leuchten im einfallenden Sonnenlicht türkis, nach und nach bahnt sich die Vegetation über lange Ranken ihren Weg in die Grotte. Für die Maya waren Cenoten nicht nur ein Wasserreservoir, sondern wurden auch als heilige Orte für Rituale und Opfergaben genutzt.

Wohnen unter dem Tonnendach
Die Raumabfolge des Gebäudes ist an die in der Natur zu findenden Sequenzen aus Tunneln, Gewölben und lichtdurchfluteten Orten mit Wasserflächen angelehnt. Elemente der Mayakultur wie das Reinigungsbecken am Eingang zur Cenote sind in den Bau integriert. Auf einem langen, schmalen Grundstück erstreckt sich der schlauchartige Grundriss, bei dem sich drei Schlafräume und ein zentraler Wohnbereich aneinanderreihen. Jedem Schlafraum ist ein kleiner, nach oben offener Patio zugeordnet. Ebenso öffnet sich der lediglich von einem Tonnendach überdeckte Wohnbereich zu einem Außenraum mit Wasserfläche. Das Tonnendach ist von einem Zylinder durchstoßen, in dem sich die Wendeltreppe zur Dachterrasse verbirgt.

Ort der inneren Einkehr
Casa Gruta ahmt die räumlichen Besonderheiten der Cenoten nach, um einen mystischen Ort der Ruhe zu schaffen. Es soll ein Ort der Kontemplation, der inneren Einkehr sein, an dem man über Beständiges und Vergängliches nachdenken kann, während die betriebsame Außenwelt hinter hohen Betonwänden ausgeblendet wird. Ähnlich wie bei Böhms Mariendom ist es die Mischung aus felsartigem Beton und spärlichen, wohlüberlegten Lichtpunkten, die es vermag, einen weltentrückten Raum zu kreieren, der fremd und doch vertraut erscheint.

Hommage an die Natur
Graugrün pigmentierter Beton umhüllt allseitig die Räume. Diese Referenz an die grüne Umgebung ist nicht das einzige Gestaltungsmittel, um Gebäude und Naturraum miteinander zu verbinden. Einbauten sowie Tür- und Fensterrahmen sind aus warmbraunem Zedernholz gefertigt. Die spartanische Inneneinrichtung führt die Naturfarben fort: Die wenigen Textilien sind in Beige und Braun gehalten, goldfarbene Armaturen verweisen auf Bodenschätze. Zahlreiche Bäume, die den Ort bereits vor dem Bau prägten, wurden in das Wohngebäude integriert. Sie durchbrechen an mehreren Stellen Boden- und Dachflächen. Der Bau verzahnt sich räumlich und materiell mit seiner Umgebung, sodass die Grenzen zwischen Gebautem und Gewachsenem verschwimmen.

Inszenierte Räume
Die Raumsequenzen spielen mit der Wirkung von Licht und Schatten: Schmale Durchgänge sind als düstere Passagen konzipiert und Quellen einfallenden Lichts werden dramatisch überhöht. Das Durchwandern der Räume wird zu einer Aneinanderreihung verschiedener Stimmungen. Allen Raumsituationen ist das Gefühl der Begrenzung gemein, da der Blick stets durch Mauern beschränkt ist und auch den Fensteröffnungen – wie in den Schlafräumen oder der Küche – jeweils ein baulich umgrenzter Außenraum vorgelagert ist. Nur in der Hängematte, die Augen gen Himmel gerichtet, oder auf der Dachterrasse inmitten der Baumwipfel weitet sich der Blick und man taucht in den umgebenden Naturraum ein.

Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail
Links

Architektur

Salvador Román Hernández

www.instagram.com/chavaroman

Adela Mortéra Villarreal

www.instagram.com/adelamortera

Interior

Paulina Román Hernández

www.instagram.com/pauromanh

Andres G. Briceño Durán

www.instagram.com/andres_gbd

Mehr Projekte

Bauhaus-Comeback in Budapest

Umbau einer Dreißigerjahre-Wohnung von Sarolta Hüttl

Umbau einer Dreißigerjahre-Wohnung von Sarolta Hüttl

Zwischen Himmel und Holz

Dachbodenausbau von studio franz und coco in den Schweizer Bergen

Dachbodenausbau von studio franz und coco in den Schweizer Bergen

Mit Hang zur Höhe

Wohnhaus auf kleiner Fläche in Unterfranken von ToB.Studio

Wohnhaus auf kleiner Fläche in Unterfranken von ToB.Studio

Pleats please!

Das W House in London von Bureau de Change

Das W House in London von Bureau de Change

Bio-Bau am Seeufer

Haus A/Z am Ammersee von Arnold / Werner Architekten

Haus A/Z am Ammersee von Arnold / Werner Architekten

Naturpanorama in Costa Rica

Wohnhaus von Formafatal mitten im Dschungel

Wohnhaus von Formafatal mitten im Dschungel

Minimalismus am Waldrand

Der Bungalow U7A von KANANI verbindet Architektur und Natur

Der Bungalow U7A von KANANI verbindet Architektur und Natur

Ein-Euro-Haus

Modernisierung eines baufälligen Stadthauses in Sizilien von Studio Didea

Modernisierung eines baufälligen Stadthauses in Sizilien von Studio Didea

Ein Haus für perfekte Gastgeber

Küchenanbau von Studio McW in London

Küchenanbau von Studio McW in London

Beton, Farbe und Licht

Wohnsiedlung Rötiboden von Buchner Bründler Architekten am Zürichsee

Wohnsiedlung Rötiboden von Buchner Bründler Architekten am Zürichsee

Goldener Schnitt

Einfamilienhaus von Raúl Sánchez Architects bei Barcelona

Einfamilienhaus von Raúl Sánchez Architects bei Barcelona

Der Flur als Bühne

Wohnungsumbau in Mailand von Kick.Office

Wohnungsumbau in Mailand von Kick.Office

Höhenflug in Madrid

Burr Studio verwandelt Gewerbefläche in eine loftartige Wohnung

Burr Studio verwandelt Gewerbefläche in eine loftartige Wohnung

Camouflage im Eichkamp

Berliner Familienresidenz von Atelier ST

Berliner Familienresidenz von Atelier ST

Mid-Century im Stadthaus

Renovierung und Erweiterung eines Hauses in Barcelona

Renovierung und Erweiterung eines Hauses in Barcelona

Lautner, but make it Cape Town

In den Fels gebaute Villa Lion’s Ark an der Küste Südafrikas

In den Fels gebaute Villa Lion’s Ark an der Küste Südafrikas

Ein Zuhause aus Licht und Pflanzen

Umbau einer Sechzigerjahre-Wohnung in Mailand von SOLUM

Umbau einer Sechzigerjahre-Wohnung in Mailand von SOLUM

Wohnen in Blockfarben

Umbau einer Scheune bei Barcelona von h3o Architects

Umbau einer Scheune bei Barcelona von h3o Architects

Olympisches Raumspiel

Reihenhaus-Renovierung im Olympischen Dorf München von birdwatching architects

Reihenhaus-Renovierung im Olympischen Dorf München von birdwatching architects

Ganz der Kunst gewidmet

Atelier für eine Malerin in Germantown von Ballman Khapalova

Atelier für eine Malerin in Germantown von Ballman Khapalova

Heiter bis holzig

Zweigeschossiges Wohnhaus mit Farbakzenten im Hudson Valley von nARCHITECTS

Zweigeschossiges Wohnhaus mit Farbakzenten im Hudson Valley von nARCHITECTS

Kreative Transformationen

Nachhaltiges Bauen mit regionalen Ressourcen und innovativen Produkten von JUNG

Nachhaltiges Bauen mit regionalen Ressourcen und innovativen Produkten von JUNG

Von der Enge zur Offenheit

Filmreifer Wohnungsumbau in Madrid von GON Architects

Filmreifer Wohnungsumbau in Madrid von GON Architects

Leben im Schweinestall

Historisches Stallgebäude wird modernes Familienheim

Historisches Stallgebäude wird modernes Familienheim

Surferträume im Reihenhaus

Umbau eines Sechzigerjahre-Wohnhauses in Norwegen von Smau Arkitektur

Umbau eines Sechzigerjahre-Wohnhauses in Norwegen von Smau Arkitektur

Wabi-Sabi am Hochkönig

Boutiquehotel stieg’nhaus im Salzburger Land von Carolyn Herzog

Boutiquehotel stieg’nhaus im Salzburger Land von Carolyn Herzog

Faltbarer Transformer

Ein ländliches Wochenendhaus in Argentinien von Valentín Brügger

Ein ländliches Wochenendhaus in Argentinien von Valentín Brügger

Funktionale Fassaden

Verschattung im Bestand und Neubau

Verschattung im Bestand und Neubau

Wohnhaus in Kurvenlage

Neubau mit rundem Garten in Südkorea von Sukchulmok

Neubau mit rundem Garten in Südkorea von Sukchulmok

Palazzo mit Patina

Umbau eines apulischen Anwesens durch das Architekturbüro Valari

Umbau eines apulischen Anwesens durch das Architekturbüro Valari