Zwischen Bestand und Zukunft
Umbau einer Kölner Doppelhaushälfte durch das Architekturbüro Catalanoquiel

Für eine sechsköpfige Familie mit Hund baute das Kölner Architekturbüro Catalanoquiel eine Doppelhaushälfte um. Statt die Geschichte des Baus aus den Dreißigerjahren zu überschreiben, erzählt die ökologische Sanierung sie weiter.
Wenn sechs Menschen samt Haustier unter einem Dach leben, zählt jeder Quadratmeter, möchte man meinen. Doch anstatt mit Fläche zu geizen, gönnten die Architekt*innen von Catalanoquiel der Bauherrschaft die Luft zum Atmen. Ihr Umbau einer in den Dreißigerjahren errichteten und immer wieder punktuell erweiterten Doppelhaushälfte in Köln-Lindenthal zielt auf Großzügigkeit ab und macht die Vorteile des Hauses sichtbar.
Von Räumen zum Lebensraum
„Der Grundriss wurde von uns auf Offenheit hin neu gedacht“, sagt der Architekt Eugenio D. Catalano. „Nicht nur in der Horizontalen entstanden neue Sichtachsen, auch in der Vertikalen. Sie ermöglichen eine Kommunikation über die Geschosse hinweg. So ist das Haus heute weniger eine Abfolge von Räumen als vielmehr ein zusammenhängender Lebensraum.“ Vor allem das Erdgeschoss öffneten die Planer*innen von Catalanoquiel zu einer großzügigen, kommunikationsfördernden Wohnlandschaft. Die dafür notwendigen Träger blieben bewusst unverkleidet. Sie gliedern als sichtbare Struktur den Raum und bilden einen Dialog zwischen Alt und Neu.
Ins Netz gegangen
Die vier Etagen werden über das zentrale Treppenhaus erschlossen, das immer wieder Durchblicke in die Zimmer gewährt. Oberlichter fluten es mit Tageslicht. Farben wie das leuchtende Blau des Geländers – die Lieblingsfarbe der Familie – schaffen eine freundliche Atmosphäre. Ein Katamarannetz spannt sich im Spitzboden über das Treppenhaus. „Es ist Spielort, Rückzugsort, Kommunikationsort zugleich. Wer dort liegt, hängt zwischen den Ebenen – und bleibt dennoch mit allem verbunden“, erklärt Catalano. Ihm und seinen Kolleg*innen war es wichtig, die Bewohner*innen aktiv in die Gestaltung einzubeziehen. So durften die Kinder in „ihrem“ Bad selbst Hand anlegen: In einem Workshop experimentierten sie spielerisch mit Spachteltechnik und versahen die Fläche mit einer Farbexplosion im Stil von Jackson Pollock.
Respekt für die Vergangenheit
Es war der Bauherrschaft und den Architekt*innen wichtig, die Geschichte des Hauses und seiner Umbauten zu würdigen. Die in den Siebzigerjahren vorgenommenen Änderungen – wie der Bau der Garage mit dem darunter liegenden Pool im Keller – wurden minimal zum Garten hin erweitert. Das geschah zugunsten eines größeren Luftraums, eines geräumigeren Bads und einer klareren, geordneten Kubatur. Diese Schichtungen lassen sich heute noch an der Fassade ablesen: Jede Epoche zeigt sich durch eine eigene Putzstruktur. Die Fensteröffnungen wurden im Zuge des Umbaus minimal erweitert und vollständig durch Holzrahmen mit Dreifachverglasung ersetzt. Sie verbessern die Helligkeit und energetische Qualität. Zusammen mit einer optimierten Dachkonstruktion und einer hochgedämmten Außenhülle ermöglichen sie den KfW-85-Standard.
Nachhaltig in Bau und Betrieb
Mit der wechselvollen Geschichte des Hauses vor Augen dachten die Bauherr*innen und das Team von Catalanoquiel in die Zukunft. Um weitgehend unabhängig von fossiler Energie sein zu können, ließen sie zwei Wärmepumpen einbauen. Eine davon versorgt das reaktivierte Schwimmbad mit Warmwasser. Auf dem Dach produziert eine Photovoltaikanlage mit mehr als dreißig Modulen Strom. Bei der Suche nach langlebigen, wohngesunden und zugleich rückbaubaren Materialien landete das Architekturbüro bei Lehm. Gipskarton wurde durch Lehmbauplatten ersetzt. Der acht Zentimeter dicke Stampflehmboden – Catalano beschreibt ihn als „konstruktives und handwerkliches Experiment“ – isoliert den Bau zur Erde hin. Auch Wände und Decken sind mit dem Naturmaterial verputzt, was zu einem verträglichen Raumklima beiträgt. Wohngesundheit war auch in den Schlaf- und Kinderzimmern ein wichtiges Kriterium. Dort wurden Holzdielen und natürliches Linoleum verlegt. Wo er nötig war, kam umweltfreundlicher Öko-Beton zum Einsatz.
„Die größte Herausforderung war die Balance zwischen Bestand und Zukunft. Das Haus brachte seine Spuren und Brüche mit, die Familie brachte ihre Wünsche nach Offenheit, Kommunikation und Individualität ein“, sagt Catalano. „Unsere Aufgabe war es, beides miteinander zu verweben.“ Durch sanfte Eingriffe in Grundrisse und den Respekt für die Geschichte des Gebäudes entstand ein neues Zuhause für eine Familie, die bei der Gestaltung aktiv einbezogen wurde.
FOTOGRAFIE Marie Kreibich Marie Kreibich
Projektname | LIN |
Umbau und Erweiterung in Köln | |
Bauherr*in | privat |
Architektur | Catalanoquiel Architekten |
Statik | Horz + Ladewig Ingenieurgesellschaft |
Ort | Köln-Lindenthal |
Bauphysik | Ingenieurgesellschaft bsp., Brauns Straetmans Partnerschaft mbB |
Brandschutz | Dipl.-Ing. Rainer Anneken |
Wohn- und Nutzfläche | ca. 600 Quadratmeter |
Fertigstellung | 2024 |
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