Aufbruchstimmung in Köln
Mit der idd cologne versucht der einstige Treffpunkt der internationalen Möbelindustrie einen Neuanfang
Die idd cologne feierte im Oktober Premiere: 106 Marken an 16 Orten präsentierten Einrichtung im Stadtraum statt in den Messehallen. Das Leitthema „Shaping Homes & Hospitality“ stand für einen urbanen, dialogorientierten Ansatz.
Einst galt die imm cologne als weltweit wichtigste Möbelmesse und sie markierte im Januar traditionell den Auftakt des Designjahrs. Doch nach Jahren sinkender Besucherzahlen sowie pandemie- und konjunkturbedingter Unsicherheiten haben andere internationale Formate die Spitzenpositionen übernommen. Köln ist ins Abseits der Designlandkarte geraten.
Die Koelnmesse reagiert nun mit zwei neuen Plattformen. Die idd cologne im Herbst soll das markenaffine Premiumsegment in zweijährigem Turnus abbilden, während die imm cologne im Januar als Sourcing-Plattform für verbrauchernahe Einrichtung im mittleren und unteren Preissegment bestehen bleibt. Beide Formate sollen sich ergänzen und die Vielfalt der Branche abbilden.
Die erste idd cologne verwandelte Köln in einen lebendigen Treffpunkt der Interior-Community. Neben Produktneuheiten und pilotartigen Rauminszenierungen überzeugte die Veranstaltung durch einen progressiven, dialogorientierten Geist und Aufbruchstimmung.
Kopenhagen in Köln?
Mit dem sogenannten „urban-only“-Konzept setzte die idd cologne auf eine für Köln neue Form der Inszenierung: Hochwertige Einrichtungslösungen wurden nicht in den Messehallen, sondern im gesamten Stadtgebiet präsentiert – dort, wo Menschen wohnen, arbeiten und gestalten. Die gesamte Veranstaltung war kostenfrei und richtete sich an das Fachpublikum sowie die Endkund*innen. Schließlich sollten auch Kaufimpulse rechtzeitig zur Herbst- und Vorweihnachtszeit ausgelöst werden.
Zentrale Schauplätze waren die Design Post, die seit diesem Jahr auch offizieller Kooperationspartner der Koelnmesse ist, der ehemalige Stoff-Pavillon Moeller, ein ikonischer Bau des Architekten Wilhelm Riphahn aus dem Jahr 1952, sowie das Machwerkhaus Köln, ein Zentrum für Design und urbane Produktion im Industriecharme der 1930er-Jahre. Showrooms, Flagship-Stores und Pop-up-Formate der lokalen Designszene ergänzten vom 26. bis 29. Oktober das Programm. So wurde die idd cologne zu einer Art „4daysofdesign“ – nach dem Vorbild des dreitägigen Kopenhagener Festivals.
Design Post: Hybrides Programm
Auch die 2006 eröffnete Design Post hat inzwischen ihr Profil weiterentwickelt: vom permanenten Showroom für internationale Möbelmarken hin zu einem hybriden Design- und Netzwerkzentrum. Dort verbinden sich Markenpräsentation, Community-Treffpunkt und Events. Vierzig Designmarken – darunter Arper, String Furniture, Thonet, Tom Dixon und Zeitraum – zeigten während der idd cologne Kollektionen, die Themen wie Gastlichkeit, Nachhaltigkeit und neue Materialien aufgriffen. Ein vielfältiges Programm aus Talks, Workshops und Touren rundete das Angebot ab.
Temporäre Gastmarken waren ebenfalls vertreten. BW Bielefelder Werkstätten war mit der Designerin Lucie Koldová angereist. Sie stellte ihr neues Sofa Nimbo vor, das sich durch sanfte, fließende Formen und eine einladende, weiche Polsterung auszeichnet. Es sei ein Möbelstück, „das dich umarmt“, sagt Koldová über ihren Entwurf.
Die Plattform Designers Tower zeigte unter dem Titel „Sitzmöbel: Standpunkte“ rund zwanzig Entwürfe von zehn Designer*innen und Studios aus Nordrhein-Westfalen. Arbeiten von Budde, Alexander von Dombois, Studio Niruk, Thomas Schnur oder Peter Vosding machten deutlich, wie sehr jedes Sitzmöbel ein ganz persönliches Statement ist. Darunter der Tritthocker Archive von Ludwig Kaimer, inspiriert von Holzscheiten, und Mettre von Paula Burfeind, ein Sitz-Tisch-Hybrid aus recyceltem Acrylglas. „Unsere Kooperation mit der Design Post soll dazu beitragen, dass die idd cologne erfolgreich startet“, erklärt Christian Heufelder, der Designers Tower 2014 gründete. „Wir wollen junge Designer*innen mit etablierten Marken vernetzen und das gestalterische Potenzial von NRW sichtbar machen.“
Machwerkhaus: Internationale Allianzen, gedrucktes Licht
Das Machwerkhaus, seit 2024 ein Zentrum für Kreativwirtschaft, Handwerk, Technologie und Handel, bot auf rund 2.000 Quadratmetern viel Raum für Austausch und Experimente. Die Lichtmanufaktur Buschfeld etwa transformierte eine ehemalige Autowerkstatt in eine atmosphärische Lichthalle, ohne dort architektonisch einzugreifen. Gemeinsam mit 13 Leuchtenherstellern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz präsentierte das Lichtlabel aktuelle Projekte. Stephan Blass, Geschäftsführer von Buschfeld Design, erklärt: „Klassische Messeauftritte passen nicht mehr in unsere Zeit. Wir zeigen Licht, Raum und Material in einem offenen Format.“
Begleitet wurde die Schau von geführten Rundgängen, Präsentationen und Fachvorträgen. So stellte Ambright seine patentierte printed-light-Technologie vor, bei der LEDs nicht mehr starr auf Platinen sitzen, sondern frei und präzise auf Oberflächen positioniert werden können. Die Künstlerin Sanja Lulei wiederum präsentierte in Kooperation mit Buschfeld erstmals ihre feinen, handgewebten Leuchtenschirme.
Stoff-Pavillon Moeller: Kontrastreiche Gemeinschaftsbühne
Premium-Möbel mitten in die Stadt zu bringen, hieß manchmal auch, mit dem Vorhandenen umzugehen. So wurde die Ästhetik des Bruchs im Stoff-Pavillon Moeller zum inspirierenden Narrativ. Marken wie COR, Kettnaker und KFF präsentierten ihre Neuheiten in dem ehemaligen Geschäft mit begrüntem Atrium und geneigten Fensterfronten, das aktuell für temporäre Events vermietet wird – allerdings unrenoviert.
COR verkleidete die Wände mit wellenförmigen Spiegeln, die Produkte und das Treiben im Pavillon reflektierten. Die Präsentation in durchgehend heller, natürlicher Farbwelt zeigte, wie die reduzierte Formensprache der Sofas Jalis oder Siwa mit den klaren Linien und präzisen Proportionen des 1950er-Jahre-Bauwerks von Wilhelm Riphahn harmoniert.
Die Bettenmanufaktur Möller Design inszenierte dort zwei Entwürfe von Nachwuchsdesignern: Flap von Peter Vosding, ein Polsterbett, das sich bewusst von Boxspringbetten abhebt, und Etui von Lukas Heintschel, eine gepolsterte Sitztruhe.
Kettnaker präsentierte das Systemmöbel Soma mit einer neuen, metallisch glänzenden Oberfläche namens Wave. KFF zeigte im begrünten Innenhof den Outdoor-Stuhl Gaia von Monica Armani, der mit seinem blütenhaften Design in den begrünten Innenhof passte.
Marken und Erlebnisse
Die idd cologne offenbarte, wie kollaborative Praktiken zum gewinnbringenden Strategie werden können – auch im Einrichtungshandel. Die Küchenmarke Bulthaup etwa eröffnete einen neuen Showroom, der zum Händler Smow gehört, während der Händler Magazin zur Baustellenführung ins Belgische Viertel einlud. „Wir werden eine moderne, spannende Markeninszenierung schaffen“, erzählt der Geschäftsführer Matthias Nienhaus. Der neue Laden, das zusammen mit dem Büro Inpuls aus München umgesetzt wird, soll nicht nur Produktpräsentation und -beratung bieten, sondern auch ein Begegnungsort mit Flexibilität für regelmäßige Neuinszenierungen und Events sein. Die Schaufensterfläche soll zur Bühne für Sondereditionen, aktuelle Themen und Kooperationen werden. Auch der Designnachwuchs ist Teil des Konzepts: Eine Zusammenarbeit mit dem Shop der Hochschule Burg Giebichenstein ist bereits geplant.
Neue Wege
„Die idd cologne hat gezeigt, was unsere Branche ausmacht: Kreativität, Unternehmergeist und der Mut, neue Wege zu gehen“, resümiert Leo Lübke, geschäftsführender Gesellschafter von COR und Präsident des Verbands der Deutschen Möbelindustrie (VDM).
Kleiner Dämpfer: Trotz des erfolgreichen Starts bleibt die Zukunft der idd cologne ungewiss. Doch die Aufbruchstimmung hält an. 2026 soll mit Design Seasons Cologne eine weitere urbane Plattform Premiere feiern. Initiiert von dem deutsch-schweizerischen Designer Robin Hapelt, dem die zündende Idee dazu erst kürzlich in seiner Wahlheimat Indonesien kam.
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