Epochale Verwandlung
Eklektisches Apartment von Studio Puntofilipino in Mailand
Für ein Paar aus dem Kunstsektor gestaltete das spanische Studio Puntofilipino in Mailand ein Apartment voller Gegensätze: Möbel mit Memphis-Charme treffen auf Tapeten mit Renaissance-Landschaften. Eine Farbexplosion, die man nur in Italien versteht, meint die Innenarchitektin.
Stuckdecken, bogenförmige Fenster- und Türrahmen sowie Holzleisten an den Wänden erinnern an die prächtige Ära, in der die Mailänder Wohnung einst gebaut wurde. Ein Paar, das im Kunstbereich arbeitet, wünschte sich für seine eigenen vier Wände eine neue Gestaltung mit Respekt vor dem architektonischen Erbe. Für die großen Fans der Memphis-Ära sollte das spanische Studio Puntofilipino die Epochen stilistisch miteinander verknüpfen. Die Puntofilipino-Gründerin Gema Gutiérrez beschreibt die Herausforderung: „Ich habe wochenlang nach zeitgenössischen Produkten gesucht, die nicht visuell abgenutzt sind und beiden Stilen entsprechen.“ Die Produkt- und Interiordesignerin studierte die Oberflächen und Farben venezianischer Paläste, abstrahierte Formen und Farben und schuf ein neues Konzept mit modernen Möbeln und Materialien.
Farbe bedeutet Leben
Im Mittelpunkt des Grundrisses steht das große Wohn- und Esszimmer. Von dort geht es zum einen in die Küche, zum anderen in das Schlafzimmer mit angeschlossenem Bad. Weniger konventionell als die Aufteilung wirkt die Gestaltung der Räume: Besucher*innen erwartet eine wahre Farbexplosion, die laut Gema Gutiérrez nur Italiener*innen wirklich verstehen können. „Ob nun in Gebäuden, in denen verschiedenfarbiger Marmor harmonisch gemischt wird, oder beim ikonischen Ferrari-Rot – Farbe ist Teil der italienischen DNA. Sie ist Leben, sie ist Differenzierung“, sagt Gutiérrez. Folgerichtig stammen fast alle Möbel und Textilien im Apartment von italienischen Herstellern.
Malerische Wände
Sofort ins Auge fallen die großflächigen Tapeten im offenen Wohnbereich. Sie erinnern an Landschaftsbilder der Renaissance und entfalten eine plastische Wirkung. Fast meint man, den Wald und die Natur riechen zu können. Als Kontrast steht davor der aus Stahl gefertigte Esstisch I-Tube von Da a Italia, dessen grau melierte Platte auf drei dunkelblauen, zylindrischen Elementen ruht. Ergänzt wird er durch den ebenfalls dreibeinigen Stuhl Rock von Marc Sadler. Sein T-förmiges Hinterbein soll an die Gabel einer Harley Davidson erinnern. Die klare, geometrische Form des Möbels weist aber auch Parallelen zur Memphis-Ära auf. Noch mehr Bewegung bringt der schwarz-weiß gesprenkelte Terrazzoboden ins Spiel. Nur im Schlafzimmer wird er von Feinsteinzeugfliesen des Herstellers Ornamenta abgelöst. Wie gemalt wirken ihre blauen Kreise. Das Badezimmer ist Teil des Gesamtkonzepts. Eine Tapete von Inkiostro Bianco mit gold-schwarzen Fächern verleiht dem Raum mit der freistehenden Badewanne Glamour.
Moderne Materialien
An der Küchenwand trifft Marmor auf Terrakottafliesen und Kacheln aus Biobeton. Die Designerin Irene Roca Moracia entwickelte sie für den Luxus-Konzern LVMH aus einem biologisch abbaubaren Material. Es wird aus invasiven Arten wie der amerikanischen Krabbe hergestellt, die die Biodiversität in vielen Ländern bedroht. Daher rührt auch die rötliche Farbe. Gema Gutiérrez fühlt sich dadurch an römische Ziegel erinnert. Auch der Herstellungsprozess ist ähnlich.
In seinem Memphis Milano Apartment gelang es dem Studio Puntofilipino, die klassische italienische Essenz in der Struktur beizubehalten und gleichzeitig eine visuelle Harmonie mit dem Memphis-Stil herzustellen. Statt mit Vintage-Objekten löste die Innenarchitektin diese Herausforderung mit zeitgenössischen Produkten, die die gleiche Formensprache sprechen wie das historische Original.
FOTOGRAFIE Polina Parcevskya
Polina Parcevskya