Provokantes Penthouse
Jan Ulmer gestaltet das Loft R in Berlin
In dem Berliner Loft R war Platz nicht das Problem, eher seine Aufteilung. Auf 400 Quadratmetern stellt das Büro JAN ULMER ARCHITECTS Sehgewohnheiten mit einem gewagten Farbkonzept und konträrer Haptik auf den Kopf. Mundgeblasene Leuchten von ELOA setzen warme Akzente.
Eigentlich war alles schon fertig. Der Bauherr hätte nur noch seine Umzugskisten packen und in das Loft R einziehen müssen. Doch lange Gänge und zahlreiche Unterteilungen erzeugten ein büroähnliches Raumgefühl. Daher ließ er die 400 Quadratmeter von dem Berliner Architekturbüro JAN ULMER ARCHITECTS komplett neu planen. „Wir entfernten einen Großteil der Wände“, erklärt Jan Ulmer. „Lediglich die Außenmauern und das Dach blieben erhalten, welches wir um ein neues Oberlicht ergänzten.“ Zur hellen, offenen Wirkung der Wohnung tragen zudem die vier Terrassen bei. Jede zeigt in eine andere Himmelsrichtung.
Freudvolles Flanieren
Die Leitidee der Intervention war es, die L-förmige Fläche wie eine Stadt zu gliedern. Es sollte ein Ort entstehen, an dem man gerne spazieren geht, der durch unterschiedliche Sichtachsen und Oberflächen immer wieder überrascht. In der konkreten Umsetzung zonieren nun Einbauten und wenige Wände die Wohnung. Durch ihre gerundeten Formen entsteht ein organisches Raumgefühl. Da ist zum Beispiel der Küchenkorpus mit gebürsteten Edelstahlarbeitsplatten und -fronten, eigentlich ein industrielles Material. Abgerundete Kanten geben ihm einen wohnlichen Charakter.
Kunst in der Küche
An der Wand darüber kommt als Spritzschutz ein Werk der Berliner Künstlerin Claudia Wieser zur Geltung. Aus bunten und teils spiegelnden Fliesen gestaltete sie ein geometrisches Wandkunstwerk, das sich auf der Kücheninsel fortsetzt. Im Gegensatz zu den strengen Linien der Fliesen stehen die amorphen Leuchten des Berliner Labels ELOA. In ungleichen Abständen setzen die in Tschechien mundgeblasenen Unikate Akzente über Herd und Arbeitsplatte und stellen eine optische Verbindung zum Esstisch her. In kleinerer Ausführung finden sich die Leuchten der Designerin Simone Lüling aber auch an der Decke einer Terrasse und im Flur wieder. Eine Stehleuchte aus der ELOA-Kollektion taucht das Hauptschlafzimmer in ein weiches Licht.
Design aus der Region
Das Team von JAN ULMER ARCHITECTS legte auch sonst Wert auf die Zusammenarbeit mit lokalen Künstler*innen und Handwerksbetrieben. Von der Firma Naturfarben Potsdam kommt der mineralische Wandputz in einem der Bäder. Seine grünliche Tönung erweckt den Eindruck, als würde man durchs Meer tauchen. Ganz anders das Gästebad: Lilafarbene und rote Fliesen kleiden den gesamten Raum bis unters Dach aus und fordern das Auge heraus. Mut zur Farbe zeigt der Bauherr auch mit einem leuchtend grünen Einbau, der eine zweite offene Küche beherbergt. Dagegen wirken die raumlangen Eichendielen der Berliner Firma Dielenschmiede erdend. Ein Terrazzoboden von Ecofloor mit bunten Einschlüssen schafft eine farbliche Brücke zwischen den unterschiedlichen Räumen. Er ist, ebenso wie der hochflorige Teppich von Lyk Carpet im Hauptschlafzimmer, eine Sonderanfertigung.
Mad Men lässt grüßen
Beim Mobiliar finden sich immer wieder Referenzen an die Sechzigerjahre, sei es bei den Esszimmerstühlen, dem Retro-Lüster im Wohnzimmer oder den Holzverkleidungen im Bad. Sie passen farblich zur frei stehenden Wanne aus geräucherter Eiche, während das Marmorwaschbecken klassisch-modern wirkt. Eine Wand in einem Durchgangszimmer, das den Übergang vom eher privaten Seitenflügel zum Hauptwohnbereich bildet, ließ der Architekt komplett freilegen. Sogar Abdrücke der ursprünglichen Dachbalken sind auf der Backsteinmauer noch sichtbar. Mit Cord und orientalisch gemustertem Stoff wurde das modulare Sofa Mah Jong von Roche Bobois bezogen, das dank seiner bodennahen Polster mühelos unter die Dachschräge passt.
Mit seinem Umbau gelang den Architekt*innen eine außergewöhnliche Raumaufteilung für das Penthouse über den Dächern Berlins. Die Auswahl der Materialien – von natürlichem Mineralputz über bunte Fliesen bis hin zu Terrazzo und rauem Backstein – vereint Kontraste auf begrenztem Raum, die auch Berlin als Metropole auszeichnen. Seine Analogie einer als Stadt gedachten Wohnung geht damit auf.
FOTOGRAFIE Mikael Olsson Mikael Olsson
| Entwurf | JAN ULMER ARCHITECTS |
| Standort | Berlin |
| Fläche | 400 Quadratmeter |
| Fertigstellung | 2022 |
| Materialien und Hersteller | |
| Beleuchtung | ELOA |
| Holzböden | Raumlanges Schlossdielenformat in Eiche von Dielenschmiede, Berlin |
| Terrazzoboden | Spezialanfertigung von Ecofloor, Sachsen-Anhalt |
| Verputz von Kamin-Oberfläche und zwei Hauptwänden | Lehmputz von Naturfarben Potsdam Martin Link |
| Küchenfliesen | Maßgefertigtes Kunstwerk der Künstlerin Claudia Wieser |
| Fliesen im Bad | Mosaic Factory |
| Fliesen auf der Terrasse | Marazzi |
| Wände in Bädern | Glänzender Mineralputz in traditionellem marokkanischem Stil von Naturfarben Potsdam Martin Link |
| Badewanne | gebrannte Eiche von Alegna |
| Teppich im Hauptschlafzimmer | Lyk Carpet |
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