Als einer der wichtigsten Designmöbelhersteller nimmt Vitra seine ökologische Verantwortung ernst. Bis 2030 stellt das Unternehmen unter anderem auf recycelte Kunststoffe um und es forscht selbstwirksam mit der Industrie an Materialinnovationen.
Ein Designklassiker zeichnet sich durch seine zeitlose Ästhetik aus. Schon seine Gestaltung leistet einen Beitrag zur Nachhaltigkeit. Vererbt von einer Generation an die nächste oder von einem Haushalt an den anderen übergeben, endet das Leben ikonischer Objekte erst mit dem Materialversagen. Je länger der Lebenszyklus eines Möbels ist, desto umweltfreundlicher ist seine Bilanz. Während Form und Design bei Klassikern unverändert bleiben, erlauben Materialrevolutionen eine stille Optimierung.
Seit 1959 hat Vitra den Lounge Chair von Charles und Ray Eames im Programm, seit 1950 produziert der Designmöbelhersteller aus Weil am Rhein die Plastic Chairs des Ehepaars. Die ersten Serien bestanden aus glasfaserverstärktem Polyesterharz, das zwar stabil, aber nicht ökologisch war. 1999 legte Vitra den Stuhl deshalb aus recycelbarem Polypropylen neu auf. Und verbessert mit der aktuellen Serie seit Januar 2024 die Umweltauswirkung weiter – durch den Einsatz eines Post-Consumer-Kunststoffs. Gewonnen wird dieser aus dem Trenn- und Sammelsystem „Gelber Sack“: aus zerkleinerten und zum neuen Rohstoff aufbereiteten Verpackungen und Verschlüssen, Flaschen, Elektronikgehäusen und Tüten. 2,2 Kilo davon stecken in jeder Sitzschale.
Grüne Agenda mit gelbem Sack
Beschaffung, Verarbeitung und Verwendung von Materialien machen bei Vitra-Produkten ungefähr 80 Prozent des gesamten CO2-Fußabdrucks des Unternehmens aus. Deswegen werden sie vom Hersteller immer wieder überprüft und hinterfragt. Existieren technologische Innovationen, neue Materialien und Verfahren oder widerstandsfähigere Lösungen, die die Lebensdauer erhöhen? Seiner ökologischen Mission folgend, stellt Vitra seine Produktion dann auf neue Materialien um. Neben den Eames Plastic Chairs jüngst auch den Tip Ton von Barber Osgerby aus dem Jahr 2011 oder das ikonische Aufbewahrungselement Uten.Silo von Dorothee Becker von 1969. Auch sie sind in einer Version aus recyceltem Kunststoff erhältlich und damit auch in einer neuen Farbpalette, die aufgrund der Quelle der Ressource besondere Eigenschaften aufweist. So sind die Nuancen vorwiegend pastellfarben statt intensiv, weil beim Recycling nicht konsequent farbenreines Granulat entsteht.
14 Farben gibt es in der RE-Version des Eames Plastic Chairs, darunter Rostorange, Senf, Citron, Kieselstein, Meerblau oder die abgetönte Weiß-Variante Cotton White – ein reines Weiß lässt sich mit dem Post Consumer-Werkstoff nicht umsetzen. Gleichzeitig sorgt die Granulat-Mischung für einen melierten (und materialehrlichen) Effekt, der sich beim nahen Hinschauen zeigt: Viele kleine Pigmente einer Farbfamilie ergeben wie zarte Pixelvariationen eine lebendige Nuance.
Progressive Materialforschung
Um die Nachhaltigkeit seiner Produkte zu fördern, ist Vitra auch in der Materialentwicklung aktiv. Großer Optimierungsbedarf besteht bei Polstern aus Polyurethanschaum. Sie sind Standard in der Möbelindustrie und werden bei Vitra überwiegend im In-Mold-Verfahren in Form gebracht, indem der PU-Schaum direkt in eine Negativform gespritzt wird. Dabei härtet er irreversibel aus. Anders als beim Schneiden aus dem Block fallen dabei keine Reste an.Allerdings ist das Recycling des erdölbasierten Materials sehr energieintensiv und daher unwirtschaftlich. Gemeinsam mit dem deutschen Chemieunternehmen BASF hat Vitra eine Alternative entwickelt. V-Foam ist schmelzbar und kann zu 100 Prozent als Rohstoff für neue Schäume verwendet werden. Über einen energieeffizienten Prozess entsteht ein Polyol und daraus können wieder neue Formpolster gefertigt werden. Damit schreiben die beiden Unternehmen Materialgeschichte, denn V-Foam ist der weltweit erste wirtschaftlich recycelbare Polyurethanschaum. Sukzessive stellt Vitra nun die Produktion seiner Möbel mit Formschaumpolsterung auf das neue Material um.
Zeitgemäßes Update
Gerade weil Vitra viele Klassiker produziert, ist man nicht nur offen für Materialwechsel, sondern progressiv auf der Suche nach nachhaltigen Alternativen. Als einer der wichtigsten und beliebtesten Möbelentwürfe des 20. Jahrhunderts wurde der Eames Plastic Chair millionenfach produziert und wird auch in Zukunft in Haushalten, Büros, Hotels oder Restaurants einziehen. Jede Verkleinerung des ökologischen Fußabdrucks ist daher eine Investition in die Zukunft. Wenn Vitra herkömmliche Kunststoffe durch Post-Consumer-Kunststoffe ersetzt, also durch ein Material, das sonst in der Müllverbrennungsanlage landen würde, wird die Umweltbilanz signifikant optimiert.
Bis zum Jahr 2030 sollen alle aus Kunststoff hergestellten Entwürfe und Komponenten von Vitra aus recyceltem Material hergestellt werden. Eames Demetrios, Enkel von Ray und Charles Eames und Leiter des Eames Office, ist sich sicher, dass die Materialanpassung die logische Fortsetzung der demokratischen Designphilosophie seiner Großeltern ist. „Sie hätten es begrüßt, dass wir uns heute auf Nachhaltigkeit konzentrieren. Aber sie wussten, dass sie nicht jedes Thema vorhersehen konnten“, sagt er. „Stattdessen baten sie uns, ihre Familie, diese Rolle zu übernehmen und die Authentizität und den Wert zukünftiger Änderungen und neuer Materialien zu bestimmen.“
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