Die Poesie der Hand
125 Jahre Werkstätte Auböck in Wien
Die Werkstätte Auböck bereichert den Alltag mit Utensilien, die handwerkliches Können mit gestalterischer Raffinesse verbinden. Bis heute werden die Objekte im 7. Wiener Bezirk von Hand produziert. Für die Staffelübergabe steht schon die fünfte Generation bereit.
Es sind die kleinen, handlichen Dinge, die hier ganz groß herauskommen. Briefbeschwerer, Tischglocken, Kerzenhalter, Gießkannen, Aschenbecher, Schirmständer oder Buchstützen sind vielleicht nicht von vorderster Dringlichkeit. Und doch ist es schön, sie zu haben. Vor allem, wenn sie in der Werkstätte Auböck gefertigt wurden. Die Arbeiten faszinieren durch die Feinheit und Eleganz, mit der sie über die Erfüllung ihrer eigenen Funktion hinausgehen. Sie bringen Poesie in den Alltag, bereichern ihn durch Schönheit, Glanz und eine nicht unwesentliche Portion Überraschung. Die Produkte aus der Werkstätte Auböck sind Preziosen, die keineswegs nur mit den Augen, sondern vor allem mit den Fingern erfahren werden wollen.
Impulse der Moderne
Bis heute werden die Arbeiten in der Bernardgasse im 7. Wiener Bezirk produziert. Der Charme liegt in der Verbindung aus Modernismus und Handwerk, die hier in einer kongenialen Mixtur zusammentreffen. Impulsgeber war Carl Auböck II (1900-1957). Er absolvierte eine Lehre in der Werkstatt seines Vaters Karl Heinrich Auböck (1872-1925), der sich auf die Fertigung von Wiener Bronzen spezialisiert hatte – naturalistischen Tierfiguren in zumeist kompakten Formaten. Der Vater förderte das kreative Potenzial seines Sohnes. Er ließ ihn die Graphische Lehr- und Versuchsanstalt in Wien sowie die Akademie der Bildenden Künste Wien besuchen, wo er Malerei studierte. Parallel besuchte er die private Kunstschule von Johannes Itten, der zu einem Mentor wurde.
Avantgardistisches Repertoire
Als Itten 1919 ans neu gegründete Bauhaus berufen wurde, folgte ihm Carl Auböck II zusammen mit einer Gruppe weiterer Schüler*innen aus Wien. Auböck absolvierte in Weimar den berühmten Vorkurs und war in der Metallwerkstatt tätig. Zudem vertiefte er sich in abstrakte Aquarelle. 1921 verließ er das Bauhaus und reiste mit einigen Wiener Kommiliton*innen nach Florenz. Er verbrachte einige Monate im heute tschechischen Mohelnice, wo er in einer Metallwerkstatt arbeitete. Schließlich kehrte er 1923 nach Wien zurück und übernahm die Werkstatt seines Vaters, der zwei Jahre später verstarb. Carl Auböck II setzte sich mit Formen der Bewegung auseinander. Er verlieh seinen Objekten oft fließende Konturen, paarte das Figürliche mit dem Abstrakten. So ging er über den Funktionalismus-Gedanken der Moderne hinaus und gab seinen Entwürfen etwas, das sie bis heute relevant macht: Seele.
Vom Objekt zum Raum
Ein bekennender Fan war Bauhaus-Gründer Walter Gropius, der nach seiner Emigration in die USA in Cambridge unterrichtete. Auf dem Schreibtisch seines dortigen Privathauses platzierte er eine ganze Reihe von Auböck-Briefbeschwerern: die Hand (1947), den Fuß (1947), das Ei (1947) und einen in Leder gefassten Stein (1950). Für seine Arbeit erhielt Carl Auböck II auf der Mailänder Triennale 1954 gleich vier Goldmedaillen. Noch während seiner Bauhaus-Zeit lernte er seine spätere Frau, die Bildhauerin und Textilkünstlerin Mara Uckunowa (1895–1987), kennen. Ihr Sohn Carl Auböck III (1924–1993) setzte den Weg fort, wenngleich er im Maßstab der Gestaltung einen Sprung nach oben vollzog.
Vom Handwerk zur Serienproduktion
Er studierte an der Technischen Universität Wien sowie am Massachusetts Institute of Technology (MiT) Architektur. Darüber kam er auch mit Methoden des seriellen Bauens in Berührung, die er auf seine späteren Arbeiten übertragen sollte. Sein erstes Gebäude war das 1954 fertiggestellte Wohnhaus für seine Tante Valerie Gallet in Union Town, Pennsylvania. In der Veitingergasse in Wien realisierte er 1953–1954 zusammen mit Roland Rainer eine Fertighaussiedlung nach amerikanischem Vorbild in Holztafelbauweise mit vorfabrizierten Installationswänden und Wohnküchen.
Nach dem Tod seines Vaters 1957 leitete Carl Auböck III die Familien-Manufaktur. Er entwarf Produkte, die auf industrielle Weise zu fertigen waren, wie die Stufenuhr oder das elegante Schachset #5606, beide aus dem Jahr 1969. Parallel war er für andere Auftraggeber tätig. Das Besteck 2060 für den österreichischen Hersteller Neuzeughammer Ambosswerk wurde 1958 auf der Brüsseler Weltausstellung mit einer Goldmedaille prämiert und zählt zu den wichtigsten Arbeiten österreichischen Nachkriegsdesigns. In den Achtzigerjahren begann die Werkstätte Auböck für Luxusmarken wie Hermès, Longchamp und Tiffany & Co zu produzieren.
Doppelte Betrachtung
1993 verstarb Carl Auböck III. Danach übernahm sein Sohn Carl Auböck IV (*1954) die Leitung der Manufaktur. Auch er hat Architektur studiert und das Portfolio des Unternehmens Stück für Stück um eigene Entwürfe ergänzt – wie den Aschenbecher Satelit (1983) oder die Bücherstützen Urban Legends (2020). Den Bereich der Kooperationen baute er weiter aus. So hat die Manufaktur jüngst Projekte mit den Modemarken Lemaire, Petar Petrov, Berluti oder Designer*innen wie Michael Anastassiades und Aldo Bakker umgesetzt. Längst sind seine Tochter Zola Auböck und Sohn Carl Auböck V. eingesteigen. In fünfter Generation steuern sie das Unternehmen in die Zukunft: ob mit neuen Entwürfen oder Wiederauflagen aus dem reichhaltigen Archiv, das 4.500 Produkte umfasst.
Gleich zwei Ausstellungen widmen sich aktuell der Manufaktur. Im Wiener Museum für Angewandte Kunst (MAK) ist noch bis zum 6. Januar 2025 die Schau Iconic Auböck zu sehen, die mit über 400 Exponaten einen Streifzug durch die gesamte Firmengeschichte vollzieht. Eine zweite Ausstellung öffnet vom 4. September bis 4. November im Architekturzentrum Wien (AzW): Vom Besteck zur Fertighaussiedlung legt den Fokus auf die Arbeit von Carl Auböck III (1924–1993).