Generation Köln: Viele Disziplinen
In der Stadt am Rhein tritt eine neue Generation von Gestaltern auf.
Während der Möbelmesse ist Köln Designmetropole. Und sonst? Die Designwoche Passagen hat gezeigt, dass in der Stadt am Rhein eine neue Generation an Gestaltern auf den Plan tritt, die in ihrer Heimat etwas bewegt. Ihr Ansatz: extrem vernetzt, interdisziplinär, forschend. Ihr Design: entschleunigt, überzeitlich. Ihr Universum: souverän auf Linie.
Inspiriert vom Kölner 4711-Firmengebäude mit seiner prägnanten, rasterartigen Fassade in Gold und Türkisblau hat Tim Kerp ein Sideboard entworfen. Es ist genauso markant und ebenfalls gold und türkis. Allerdings steht es nicht im Raum, sondern hängt an der Wand – als Produktfoto. Obwohl Kerp das Sideboard Der Duft der Stadt gebaut hat, existiert es nicht. Jedenfalls nicht zum Anfassen. Denn der Kölner Möbeldesigner hat es als digitales Modell angelegt und ausgedruckt. Auf dem großformatigen Bild, das neben seinen anderen computergenerierten Möbelmodellen während der Passagen-Ausstellung Generation Köln gezeigt wurde, visualisiert Kerp jedes Objekt so perfekt, dass man es auf dieser Grundlage unmittelbar bauen könnte. Darum geht es ihm aber nicht. „Mit dem Bild hört die Geschichte für mich auf. Weil ich dem Betrachter nur eine Sichtweise auf die Dinge vermitteln möchte“, sagt Kerp. Auf seiner Webseite kann man die Objekte, die er unter dem Titel Assemblage de Cologne zusammengefasst hat, im virtuellen Raum erleben.
Neben Kerps Arbeiten wurden in der Ausstellung Generation Köln auch aktuelle Entwürfe von Karoline Fesser, Klemens Grund und Thomas Schnur vorgestellt. Fesser zeigte verschiedene Produkte, von der Halskette über einen Beistelltisch bis hin zu Fliesen, die alle eins verbindet: Sie wurden aus Pulver hergestellt oder mit Pulver beschichtet. Klemens Grund, der in seinen Entwürfen gern traditionelles Handwerk mit architektonischen Konstruktionen vereint, realisierte ein outdoorfähiges Sofa mit Standard-Wellplatten aus Eternit, die sonst im Dachbau verwendet werden. Generation Köln ist ein Format, das Sabine Voggenreiter, Gründerin des Passagen-Festivals, geprägt hat. „Diese Designer gehören zu einer neuen Generation in Köln: Sie sind keine Einzelkämpfer, sondern große Netzwerker. Sie sind breit aufgestellt und entwerfen nicht nur Produkte, sondern oft ganze Inneneinrichtungen.“
Der Ur-Gedanke eines Produkts
Warum die Generation Köln seit ein paar Jahren so gut gemeinsam funktioniert? Sie teilen das Interesse für Menschen, Dinge und Räume, sie sehen die Korrelation zwischen Produkt und Inszenierung. Und sie verstehen sich als Zusammenschluss von Designern mit ähnlichen Werten. „Uns geht es nicht darum, herauszufinden, wie etwa ein Tisch aussehen muss, damit er neu wirkt. Sondern: Was soll der Tisch erfüllen? Wie geht man damit um? Und: Wie können wir eine bestimmte Konstruktion am Produkt formulieren? Uns interessiert der Ur-Gedanke eines Objektes“, erklärt Karoline Fesser. Klemens Grund ergänzt: „Wir alle haben Forschergeist. Jeder hat seine eigenen Quellen, aus denen er schöpft. Und dann gibt es die Momente, in denen man sich austauscht.“
Ideen materialisieren
„Diving into processes. Materializing ideas“ – forschende Wurzeln hat auch dieser Designnachwuchs der Rheinstadt: Studio Niruk. Nina Ruthe und David Antonin widmen sich Materialien und Oberflächen. Von der Auseinandersetzung inspiriert, entstehen neue Produkte. Zum Beispiel Glasobjekte, geformt durch ein antikes Waffeleisen, Garderobenknäufe aus Porzellan oder eine Materialinnovation aus Kork und Beton. Die Ausstellung des Duos während der Passagen, die eine ganz eigene Sicht auf den Designprozess inszenierte, wurde dann auch gleich mit dem mit 5.000 Euro dotierten Passagen-Preis gewürdigt. Ruthe und Antonin: „Wir wollen die Dinge um uns herum verstehen. Experimente und das Eintauchen in Prozesse sind die Basis für unsere Produktentwürfe. Wir schöpfen aus Vorhandenem, kombinieren und schaffen Neues. Dabei nehmen wir uns die Zeit, die nötig ist, um gutes Design zu kreieren.“
Entschleunigte Produkte
Auch Aesthek geht es nicht darum, mit seinen Produkten schnelllebige Trends zu bedienen. Hinter dem neuen Label steckt ebenfalls ein Designerduo. Sebastian Netz und Jochen Ruderer haben vier Jahre an ihrer ersten Kollektion gearbeitet, bis sie nun zur Passagen-Ausstellung im Goldkant-Shop gelauncht wurde. Die Kollektion umfasst fünf Produkte – Garderobe, Sidetable, Magazin-Display, Spiegel und Ablage – und trägt den prägnanten Titel Progressive Elegance. Darunter verstehen die beiden Kommunikationsdesigner, die sich bei der Branding-Agentur Meiré und Meiré kennenlernten, die moderne Schönheit ihrer Entwürfe: „Wir haben die Idee, Produkte zu schaffen, die ein besonderes Detail, eine gewisse Eigenständigkeit und gleichzeitig eine Funktionalität haben. In Anlehnung an das Bauhaus sind Grundformen die Gestaltungsbasis, um so in Kombination mit aktuellen technischen Möglichkeiten etwas Neues zu kreieren. Damit die Möglichkeit besteht, dass sie zu überzeitlichen Ikonen werden.“
Vielseitigkeiten
Netz und Ruderer sind dabei sehr vielseitig aufgestellt. Zum einen arbeiten sie im Bereich Branding und Grafik. Parallel dazu haben sie das Label Aesthek gegründet. Netz’ zusätzlicher Handwerks-Background als Tischler führte dazu, dass sie mit Betrieben der Region kooperieren und dort ihre Produkte herstellen lassen. Sebastian Netz: „Wir versuchen mit jedem Produkt eine besondere Qualität zu bekommen. Etwas, dass Marken wie Vitra, Hay oder Muuto im großen Stil schaffen.“ Auch Aesthek versteht sich als Plattform, offen für das Zusammenspiel mit anderen Gestaltern und Disziplinen: „Wir wollen nicht alle Produkte selbst entwerfen, sondern durch ausgewählte Kooperationen einen guten Mix in die Kollektion bringen. Aesthek könnte auch ganze Interieure gestalten oder etwa Accessoires wie Taschen machen – immer nach dem gleichen Prinzip der Manufakturfertigung von Kleinserien in regionalen Betrieben.“ Das ist direkt gelungen. Etwa mit Gerdesmeyer Krohn, einem weiteren Designstudio aus Köln, das für die erste Aesthek-Kollektion eine Ablage kreierte, ein minimal gestaltetes, pulverbeschichtetes Tisch-Accessoire aus Metall.
Starke konzeptionelle Ansätze verfolgt auch das derzeit wohl etablierteste Kölner Designstudio, Kaschkasch. Florian Kallus und Sebastian Schneider haben, wie Sebastian Netz von Aesthek, an der Akademie für Gestaltung Münster studiert. Geprägt von einem ständigen Diskurs über Funktion und Ästhetik entwerfen die beiden smartes, modulares Design für Marken wie Bolia, Hay und Ligne Roset. Ebenfalls verbindend ist die gemeinsame Bildästhetik der Kölner Designer. Denn Kaschkasch, Aesthek, Gerdesmeyer Krohn – und auch Thomas Schnur bei seinem Stuhl Nora, der gerade als Gewinner des German Design Award 2019 ausgezeichnet wurde – lassen ihre Produktfotos vom Kölner Fotografen Thomas Wiuf Schwartz in Szene setzen. Bilder sagen ja bekanntlich mehr als Worte. Klemens Grund: „Das Besondere an Köln ist: Die Metropole ist ein Kontaktraum. Die Szene kennt sich, die Szene mag sich.“