Stories

Klotzen statt kleckern: Design Miami 2013

Kunst, Design und die Erkenntnis, dass Konzerngeld die Welt regiert: Designlines war in Miami.

von Claudia Simone Hoff, 11.12.2013

Wirtschaftskrise? Nicht in Miami. Diesen Eindruck jedenfalls vermittelte dieser Tage  Floridas Kunst- und Designmetropole. Wir haben die Messen Design Miami und Art Basel Miami Beach besucht und Dinge entdeckt, die es so wohl nur in Amerika geben kann.

Anfang Dezember verwandelt sich Miami alljährlich in einen Showroom für Kunst und Design. Magneten der Szene sind die Messen Design Miami und Art Basel Miami Beach. Unzählige Nebenschauplätze wie der Miami Design District, private Kunstsammlungen wie das Pérez Art Museum oder die De La Cruz Collection sowie externe Veranstaltungen ergänzen das offizielle Messeprogramm.

Klassiker und kein Ende
Auf der von Marianne Goebl kuratierten Design Miami 2013, die einen Tag vor der Kunstmesse eröffnete, zeigten mehr als dreißig internationale Aussteller Möbel, Leuchten, Tableware, Dekorationsobjekte und Schmuck. Darunter Objekte von Designern wie Johanna Grawunder (Casati Gallery, Chicago), Robert Stadler, Maarten Baas (beide Carpenters Workshop Gallery, Paris & London), Satyendra Pakhalé (Gabrielle Ammann Galerie, Köln), Ronan & Erwan Bourroullec (Galerie Kreo, Paris) und Nica Zupanc (Galleria Rossana Orlandi, Mailand). Wie nicht anders zu erwarten, stand jedoch vor allem hochkarätiges Vintage-Design auf dem Programm: von Pierre Paulin, Jean Despés, Serge Mouille, Carlo Bugatti bis zu Walter Lamb. Favoriten gleich mehrerer Aussteller waren die französischen Designer Charlotte Perriand und Jean Prouvé. Letzterer wurde gefeiert am Stand der Pariser Galerie Patrick Seguin und zwar gleich mit einem ganzen Haus: La maison démontable – eingerichtet mit Möbeln und Leuchten des französischen Designers. Meeting Picasso, Jeff Koons & Richard Meier
Den Eingangsbereich der Design Miami hinter sich gelassen – dessen Gestaltung mit einem riesigen Sandhaufen und einem zeltähnlichem Aluminiumdach das New Yorker Designbüro formlessfinder übernommen hatte – lockte auf der anderen Straßenseite die Kunstmesse Art Basel Miami Beach. Und die darf man getrost als spektakulär bezeichnen. Hier tummelte sich das Who is who der Kunstwelt: 258 Galerien, Galeristen, Museumsleute, Künstler, Sammler. Von Wirtschaftskrise keine Spur in Miami. Stattdessen Picasso, Jeff Koons und Tracey Emin. Die Kunstwerke wurden in teils aufwändigen Messeständen präsentiert. Die Schweizer Galerie Gmurzynska hatte den amerikanischen Architekten Richard Meier engagiert. Der ließ es sich nicht nehmen, den von ihm gestalteten Messestand am Preview-Tag persönlich zu inspizieren. Oder aber der kubanisch-amerikanische Künstler Jorge Pardo: Er hatte die Messekoje der Berliner Galerie Neugerriemschneider so virtuos in ein Wohnzimmer mit Sofas und Wandbehängen aus Stoff verwandelt, dass manch ein Besucher gar nicht merkte, dass er sich inmitten eines Kunstwerks befand. Zwischen den hochkarätigen Exponaten war es jedoch ein eher kleines Designobjekt, das reißenden Absatz fand. Am Stand der Basler Fondation Beyeler war für lässige dreißig Dollar eine Little Sun zu bekommen. Von Olafur Eliasson zusammen mit dem Ingenieur Frederik Ottesen entwickelt, werden die Solarlampen von der Sonne aufgeladen und leuchten bis zu fünf Stunden lang.

Am Strand oder Ferien mit Charlotte
Doch das Little-Sun-Projekt blieb ein Einzelfall im Jahrmarkt der Kunst- und Design-Eitelkeiten. Denn in Miami war eines nicht zu übersehen: Es sind heute zunehmend die (Luxus-)Konzerne, die Design und Kunst ermöglichen. Das konnte man auch unweit des Messegeländes – um dessen Neugestaltung sich übrigens die Architekturbüros BIG mit West 8 und OMA bewerben – beobachten. Bereits zwei Tage vor Eröffnung der Design Miami stauten sich am Hintereingang des Raleigh Hotels an der Collins Avenue/ Ecke 18th Street die Laster. Bauarbeiter verluden Holz und schleppten Bohlen, Fensterglas und Möbel in den hinteren Teil des verwunschenen Gartens, der direkt an den breiten Sandstrand stößt. Was war da los? Das Maison au bord de l’eau wurde aufgebaut – initiiert von der französischen Luxusmarke Louis Vuitton. Das Haus, das die französische Designerin Charlotte Perriand 1934 anlässlich eines Architekturwettbewerbs der Zeitschrift Architecture d’Aujourd’hui entworfen hatte, wurde im Wettbewerb zwar mit einem zweiten Platz bedacht, aber nie gebaut. Ausgangspunkt des Entwurfs war ein Ferienhaus, das für den Massenmarkt geeignet sein sollte. Das einstöckige, 87 Quadratmeter große Holzhaus mit blauem Dach steht auf Stelzen, so dass es fast auf jedem Untergrund fest verankert werden kann. Man betritt es über einen Patio, von dem verschiedene Räume abgehen: zwei kleine Schlafzimmer mit Einbauschränken sowie ein Bad mit Regendusche. Diesen Funktionsbereichen gegenüber angeordnet ist die Wohnzone mit maßgefertigter Holzeinbauküche, Esstisch und Hockern sowie einem Loungebereich. Möbliert ist das Haus mit Entwürfen Perriands, die zwischen 1929 und 1942 entstanden sind – so wie die Sonnenliege Chaise Longue Pliante (1939) und der Stuhl Fauteuil Pivotant En Bois (1949).

Immobilien und Mogule: unterwegs mit Craig
Überquert man den Julia Tuttle Causeway von Miami Beach Richtung Midtown Miami, gelangt man zum Miami Design District. Der sieht etwa so aus, wie sich ein Europäer eine amerikanische Kleinstadt vorstellt. Zweistöckige Häuser reihen sich aneinander in rechtwinkeligen Straßen. Auf der 2nd Avenue in Höhe der 40th Street haben sich in den letzten fünfzehn Jahren Hersteller aus der Fashion- und Möbelindustrie niedergelassen: Louis Vuitton, Dior, Vitra, Boffi, Bulthaup, Ligne Roset, Cassina oder Kartell. Und es sollen noch mehr werden – das jedenfalls ist die Vision von Craig Robins. Der Immobilienmogul (und zugleich Chairman der Design Miami) residiert mit seiner Firma Dacra samt angeschlossener Kunstsammlung im Buick Building. Er entwickelt das in den zwanziger Jahren entstandene und dann in Vergessenheit geratene Stadtviertel kontinuierlich weiter: im Dreiklang Kultur + Fashion/ Design + Restaurants. Gerade präsentiert sich der Miami Design District als eine einzige Baustelle. Insgesamt fünfzehn Gebäude sind in Planung, darunter ein Tom-Ford-Shop von Aranda/ Lasch und die City View Garage von IwamotoScott, für die John Baldessari – ein persönlicher Kunstfavorit von Robins – ein Wandbild fertigen wird. Größtes Projekt ist ein mehrstöckiges Gebäude namens Palm Court, für das der japanische Architekt Sou Fujimoto eine Fassade aus vertikalen Glasscheiben in unterschiedlichen Blautönen konzipiert hat. Hier sollen Luxuslabels wie Louis Vuitton und Dior einziehen, die bisher noch in Provisorien untergebracht sind. Wen wundert es da noch, dass Zaha Hadid auch schon hier war. Für den überdachten Innenhof des Moore Building hat sie die Installation Elastika gefertigt, und der wellenförmige, metallene Zaun gleich gegenüber stammt von Mark Newson. In diesem illustren Reigen darf sich bald Konstantin Grcic einreihen. Der Designer of the Year der Design Miami 2010 setzt sein vor drei Jahren präsentiertes Projekt Netscape als Installation im öffentlichen Raum um.

Kunst, Design & Kommerz
Design in Miami – das bedeutet vor allem etabliertes europäisches Design. Und das wird, in Miami wie auch anderswo, zunehmend in Auftrag gegeben von Luxusunternehmen und privaten Investoren. Nicht nur auf den Messen – wie die Kunst- und Designinstallationen Mangue Groove (Guilherme Torres, Swarovski Crystal Palace), Phare n°. 1-9 (Simon Heijdens, Perrier-Jouët), Curiosity (Kolkoz, Audemars Piguet/ Galerie Perrotin) und ein Triumphbogen (Piet Hein Eek, Ruinart) zeigen. Gerade im Miami Design District geht es hochkommerziell zu. Hier feierte das italienische Modelabel Beluti in seinen Schaufenstern vier handgefertigte Möbelentwürfe von Maarten Baas, Jaguar kooperierte mit der britischen Designzeitschrift Wallpaper für die Ausstellung Handmade – während Louis Vuitton nicht nur die Umsetzung von Charlottes Perriands Maison au bord de l’eau finanzierte, sondern sich von der Französin gleich zu einer ganzen Modekollektion (Icônes) inspirieren ließ. Einen weniger marketinggesteuerten Lichtblick aber gab es: die von Acción Cultural Española sehr gelungen umgesetzte Ausstellung Tapas. Spanish Design for Food, die Zusammenhänge zwischen Nahrung, Essen und Design untersuchte.

Was also bleibt von einer Woche Miami? Zumindest die Einsicht, dass die Umgebung für Kunst und Design schöner nicht sein könnte. Sonne, Palmen, Strand, Meer, aber auch die beeindruckende Architekturkulisse waren so allgegenwärtig, dass sie selbst das Mittelmaß noch gut aussehen ließen. Irgendwie griff in Miami alles ineinander und fügte sich zum offensiv ausgestellten Kunst- und Design-Show-Off. Wirtschaftskrise hin oder her.

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Links

Design Miami 2013

www.designmiami.com

Art Basel Miami Beach

www.artbasel.com

Miami Design District

www.miamidesigndistrict.net

De la Cruz Collection

www.delacruzcollection.org

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